Sonntag, 26. März 2023

Das Inferno von Lower Norwood – Einstieg in die dritte Staffel Sherlock & Watson (DAV)

 


 

Nach längerer Pause hat Der Audio Verlag nun die dritte Staffel der Reihe Sherlock & Watson mit den beliebten Sprechern Johann von Bülow und Florian Lukas gestartet. Den Hörer erwarten 5 neue Episoden mit und von dem bewährten Produktionsteam.

 

Der Inhalt

 

Brand im aufwändig renovierten, hohen Grasham Tower. Es gibt viele Tote und unzählige Verletzte. Dieses Inferno konnte nur entstehen, weil offenbar unsicheres Brandschutzmaterial verbaut wurde. Hat sich das Architektenbüro Farlane und Oldacre auf Kosten der Menschen bereichert? Doch Aldacre ist beim Brand ums Leben gekommen. Der flüchtige Farlane wird verdächtigt, ihn ermordet zu haben, weil es offenbar während des Brandes zu einem gewalttätigen Streit kam. Überraschend taucht Farlane bei Holmes auf und bittet ihn, die Polizei von seiner Unschuld zu überzeugen. Holmes übernimmt trotz heftiger Zweifel. Er befragt erneut alle Beteiligten, die Überlebenden des Hochhauses und lässt im dunklen Internet zusätzliche Recherchen betreiben. Holmes entdeckt ein schwarzes Konto des Bauleiters Stevens, auf dem möglicherweise abgezweigte Gelder des Architekturbüros landeten. Nur wenige Tage später wird Stevens ermordet aufgefunden, aber Farlane kann es nicht gewesen sein. Der sitzt inzwischen in Untersuchungshaft.

 

 

Das Hörspiel

 

Wie erwartet spielt auch die neue Staffel im modernen London und hat aktuelle Stoffe zum Thema. Es übernimmt einige Charaktere aus Doyles 1903 erschienenen Erzählung „Der Baumeister aus Norwood“ wie der Titel bereits andeutet. Der Hörer erkennt sehr schnell die aktuellen Bezüge: Der Graham Tower heißt in der Realität Grenfell und selbst das Kunstgewerbemuseum gibt es. Internet und vor allem der Blog von Watson begleiten die Handlung. Damit kommt es in gewisser Weise zum Austausch mit den Hörern bzw. Lesern. Watsons traumahafte Belastungsstörung hat irgendwie mit Moriarty zu tun, mit dem er Kontakt gesucht hat. Also übernimmt Miss Hudson, die Aufgabe die alten Fälle zu erzählen und den Blog zu betreuen. So wird Hudson zur Erzählerin der neuen Staffel mit gelegentlicher Unterstützung von Holmes. Im Grunde genommen sind die Kernfiguren vom Typus dem originalen Doyle immer noch sehr nahe. Mycroft ist eher netter. Die Geschichte wird in den zwei Hörstunden zügig, mit nachvollziehbaren Wendungen und hoher Spannung erzählt. Die Musik unterstützt die Dramatik mit filmreifem Pathos. Die Hörzeit wird dabei auch genutzt, um brandaktuelle Themen wie lebensgefährliche Baudeals oder Whistle-Blowing und Hasskommentare im Alltag zu präsentieren.

Holmes arbeitet nicht nur deduktiv, sondern nutzt die Presse, den eigenen Hacker und die üblichen Ermittlungsarbeiten, um zur Lösung des Falles zu kommen. Dadurch wird der Hörer über weite Strecken mitgenommen, muss aber in der zweiten Episode erkennen, dass nur ein Genie wie Holmes zu einem etwas dramatisch geratenen, glücklichen Ende findet.

Wie schon in den ersten Staffeln ist jede noch seine kleine Sprechrolle erstklassig besetzt. Die Vielseitigkeit der beiden Hauptsprecher vermittelt auch kleinste Untertöne. Was soll es uns sagen, dass Mycroft von dem Autor langatmiger, ironischer Krimigrotesken, Kai Magnus Sting, gesprochen wird?

Die Koppelmanns haben hier wieder ein Meisterwerk abgeliefert. Viviane Koppelmann ist auch in ihrer Sprache eine Genießerin. Lestrade nennt Holmes Vermutungen „Eine steile These“. Und sie kennt ihren Doyle: Am Ende entwickelt Holmes noch ein gewisses Verständnis für den/die Täter.

 Sounds und Technik auf dem hohen Niveau der Vorgängerstaffeln.

 

Fazit

 

Sherlock und Watson werden erfolgreich in die Gegenwart transponiert. Die glaubwürdige Story ist zügig und mit Spannung inszeniert. Hörwürdige Sprecher, detailverliebter Sound, lehrreicher Gegenwartsbezug. Nicht nur für Sherlock-Fans.

 

 

Wertung 85 %

 

Dauer zwei Episoden zu ca. 60 Minuten

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.der-audio-verlag.de/hoerbuecher/sherlock-watson-neues-aus-der-baker-street-das-inferno-von-lower-norwood-fall-11-koppelmann-viviane-978-3-7424-2678-9/

 

und demnächst bei Amazon

 

 

 

 

Freitag, 17. März 2023

Hunkelers Geheimnis – Warming-up für ein neues Hunkeler Hörspiel

 

 

Der SFR wiederholt aktuell die vierteilige Version eines Hörspiels des Schweizer Autors Hansjörg Schneiders um den inzwischen pensionierten Kommissär Hunkeler.  Die 9 bisher erschienenen Bücher waren allesamt außerordentlich erfolgreich und sind fast alle für das Hörspiel bearbeitet worden. Ende März 2023 wird der SRF das bisher letzte Buch: Hunkeler in der Wildnis von 2021 zu Gehör bringen.

 

Inhalt

 

Der pensionierte Hunkeler liegt nach einem Eingriff im Spital. Neben ihm liegt der ehemalige Studienfreund und zwischenzeitlich reich gewordene Bankier Fankhauser. Anders als Hunkeler ist Fankhauser sterbenskrank und möchte mit sich ins Reine kommen, während Hunkeler froh über eine gute Prognose ist und in Ruhe schlafen will. In einer Art Traum sieht Hunkeler mitten in der Nacht eine Schwester, die Fankhauser eine Spritze verpasst. Der ist am nächsten Morgen tot. Herzversagen. Hunkeler zweifelt, hat er halluziniert oder einen Mord gesehen? Zurück in seinem Refugium im Elsass verdrängt diese Gedanken. Doch als im Nachbarort ein Banker tot aufgefunden wird und seine ehemaligen Kollegen ermitteln, wird Hunkeler aktiv und mischt mit, wie immer auf eigene Faust und auf eigenen Wegen.  Seine Ermittlungen führen ihn tief in die Schweizer Vergangenheit: Was hat der Fall Fankhauser mit der Schweizer Flüchtlingspolitik im Zweiten Weltkrieg zu tun?


Das Hörspiel

 

Ein Erzähler führt durch das Hörspiel und begleitet Hunkeler auf seinen Wegen und Abwegen. Das braucht seine Zeit. Aber neugierig lauscht der Hörer den immer wieder überraschenden Szenen und den eigenwilligen Menschen. Die Texte sind immer literarisch und die Sprecher auch in den Nebenrollen bestens besetzt. Viel Sprachspaß, aber das vorsichtige Schwyzer-Dütsch ist immer gut zu verstehen. Aber diesen entspannenden Szenen folgen immer wieder Spannungsmomente. Unüberhörbar gibt es eine Sympathie für Outcasts und Sozialkritik.

Die saxophon-betonte Musik von Martin Bezzola ist ein integraler Bestandteil des Hörspiels. Sie begleitet, schweift ab und nervt gelegentlich mit zu viel Blue-Notes. Die professionelle Regie von Reto Ott spielt wie gewohnt alle Register. Da kann man sich nur auf die nächste Bearbeitung freuen.

 

Hunkeler

 

Ein Erfolgsgarant ist der Ueli Jäggi als Sprecher von Hunkeler, dem es gelingt, dem alternden Mann eine entsprechende Stimme und Stimmung zu verleihen. Jäggi dürfte vielen Hörer als Franz Musil oder Finkbeiner aus dem SWR-Radiotatort bekannt sein. Sein Sidekick ist die Freundin Hedwig, die ihn immer wieder erdet. Die Ermittlungsseite wird ebenso beständig vom Staatsanwalt Suter und dem ehemaligen Kollegen Madörin vertreten. Also ein hoher Wert von Vertrautheit und Wiedererkennung. Aber Hunkeler ist ein Wanderer zwischen den Welten. Er pendelt zwischen Basel, dem Elsass und Deutschland hin und her. Er kennt die Schönen und Reichen und die ganz schön Reichen. Aber er kennt auch die Penner, die sich Winters ins Gefängnis begeben. Die Geschichten um Hunkeler sind voller schräger, wundersamer Typen. Hunkeler ist kein Schnelldenker oder Schnellmerker. Wie sein Körperbau ist alles etwas behäbig und langsam. Daher brauchen die Krimis auch mehrere Stunden. Gelegentlich hat der Hörer den Eindruck, der Autor hat den Plot des Krimis vergessen. Aber dann gibt es diese wunderschönen Szenen, in denen Hunkeler im Rhein badet oder in einer urigen Beiz isst und der Hörer googelt mal, wie lange die Anreise eigentlich dauert.

 

Fazit

 

Hunkeler hat eine Hörergemeinde. Jenseits aller Platteinheiten bietet der Autor dem Hörer ein Panoptikum von hoher sprachlicher Qualität, zeitgemäßen Themen und Typen, Lebensweisheiten und etwas Spannung. Er erwartet dabei Geduld.

 

 

Wertung 85 %

 

Dauer ca. 200 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

SRF Krimi

 

Sonstiges

 

Ein Interview mit Hansjörg Schneider

 

Mehr über Schneider

 

 

 

 

 

 

Samstag, 11. März 2023

Die Spur des Jägers – Auf der Spur eines ganz großen Schriftstellers

 


Raymond Chandler

 

Der amerikanische Kriminalautor Raymond Chandler (1888-1959) ist einer der ganz Großen.  Er hat nicht nur unsterbliche Figuren wie Philipp Marlowe erschaffen, sondern wurde als einer der wenigen Kriminalautoren vor allem für seinen unverwechselbaren Stil und seine literarische Qualität bewundert, obwohl er als Autor von Groschenromanen begonnen hatte. Die erfolgreichsten Romane und Short Stories sind in den 1930-,40-er Jahren erschienen. Es folgten einige berühmte Verfilmungen (z.B.The Big Sleep).

Er gilt bis heute als einer der Wegbereiter der sog. hard-boiled Stories. Stories, die durch harte Figuren und viele Morde gekennzeichnet sind. Optimal geeignet für Hörspiel!  In den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind 30 Hörspiele von verschiedenen Sendern produziert worden, darunter allein 21 von dem erfolgreichen Regisseur Hermann Naber. Dankenswerter Weise veröffentlicht der Audio-Verlag (DAV) nun einige der älteren, nicht zugänglichen Hörspiele in einer CD-Box neu.

 

Die Box

 

Die Box enthält 5 Hörspiele, die in den Jahren 1970 – 1986 erschienen sind. Sie wurden überwiegend vom heutigen SWR, teilweise vom DLF und dem WDR produziert und vom DAV (Der Audio Verlag) kommerziell verwertet. Einige der Hörspiele sind seit Jahren nicht verfügbar. In allen Hörspielen führte der legendäre Hörspielredakteur des SWF Hermann Naber Regie. Sie sind somit auch ein wenig Hörspielgeschichte. Der Verlag bietet die Box mit dem Untertitel John Dalmas und Co. an. Tatsächlich nahm Chandler es mit dem Namen nicht so genau. So wurde aus Ted Malvern schon mal Ted Carmady, wenn ein neuer Verlag dies wünschte.

 

Heisser Wind (SWR 1970) ist ein harter Krimi mit vielen Leichen, der 24 Stunden im Leben des Privatdetektivs John Dalmas schildert. Ausreichend Pistolen sorgen für immer neue Entwicklungen. Musik gibt es noch nicht, aber eine angemessene Geräuschkulisse.

 

Schüsse bei Cyrano (SWR/WDR 1977) mit dem Privatdetektiv Ted Malvern spielt ebenso in der Unter-,Halb-,Zwischenwelt. Der Regisseur weist zu Recht auf ein Charakteristikum hin: Chandler „interessiert an der Geschichte, am 'Fall', nicht die Auflösung, sondern das Scheitern der Leute, die in den Fall verwickelt sind."

 

Gefahr ist mein Geschäft (SWR 1978) wiederum mit John Dalmas ist inhaltlich kaum nachvollziehbar, so viele Personen spielen mit und immer neu auftauchende Personen machen das Nachvollziehen nicht einfacher. Aber es zeigt zugleich die hohe sprachliche Kunst: „Ich brauche einen Mann, der gut genug aussieht, um eine Dame, die Sinn für Klasse hat, nicht gleichgültig zu lassen, aber er muss auch zäh genug sein, um einen Schlagabtausch mit einem Schaufelbagger auszuhalten.” Inzwischen hat Musik Einzug gehalten, die allerdings kaum aufhört.

 

Bay City Blues (SWR 1986) mit dem unlängst verstorbenen Peter Hallwachs als Dalmas ist ein typisches Beispiel für das Ansinnen Chandlers. „Für ihn war Bay City ein Symbol der Heuchelei. Er haßte die Vorspiegelung von Rechtschaffenheit an einem Ort, der praktisch einigen Reichen gehörte“.

 

Ein Schriftstellerpaar (DLF/WDR 1984) ist kein Krimi, sondern ein psychologisches Kammerspiel um ein erfolgloses Autorenpaar. Allerdings überwiegend aus der Sicht des saufenden Autors erzählt.

 

Einige der Hörspiele bieten die Gelegenheit den im Dez. 2022 verstorbenen Hans Peter Hallwachs als harten Hund zu hören . Als unvergesslicher Vorderbäumen des Hammer Tatort-Teams hat er sich schon 2019 verabschiedet.

 

Einige Charakteristika

 

Chandler Krimis sind nicht jedermanns Sache. Man muss schon hard-boiled mögen. Die Handlungen sind schwer nachvollziehbar, die knappe Sprache ist aber voller präziser Formulierungen, Humor und Ironie sowie einprägsamen Bildern. Im Grunde sind es immer Ritter-Geschichten. Der Held rettet uneigennützig, meist umsonst, Frauen und stürzt sich in jedes Getümmel, um ihnen zu helfen. Die Frauen sind im übrigen immer ausgesprochen starke Charaktere und unterscheiden sich wohltuend von den Frauen bei Durbridge oder den Beckers. Die Sicht auf das Amerika der 1930-Jahre ist skeptisch. Sieger bleibt bei aller Gewalt aber immer der Klügere.

 

Fazit

 

Ein gelungener Einstieg in die Welt des Raymond Chandler, in der Qualität der Sprache und der Härte kaum wieder erreicht. Auch eine kleine Geschichte des Kriminalhörspiels. In einer Gegenwart in der die Wirklichkeit der Welt härter und die Gefühle der Menschen softer werden, sollte sich der Skeptiker einen Ruck und Chandler eine Chance geben.

 

 

Wertung 80%

 

Dauer  5 Episoden je ca. 50 Minutern

 

 

Sonntag, 5. März 2023

Frau mit gelbem Barett – Der hessische Radio-Tatort auf Erfolgskurs

 

© ARD / Jürgen Frey

Der hessische Rundfunk erweist sich nicht gerade als ein großer Krimifan. In jedem Jahr gibt es nur eine Folge des Tatorts. Immerhin hat die Redaktion ein bereits 1986 produziertes Hörspiel von Patricia Highsmith ausgegraben. Schade, weil der HR mit den Koppelmanns über ausgezeichnete Regietalente verfügt. Leonard Koppelmann veröffentlicht wenigstens attraktive Archivschätze im HR.

Der neue Tatort von Jan. 23 zeigt: Gut Ding will Weile haben. Er ist die 5. Episode mit dem Doppel von Kommissaren und den Bürodamen.

 

 

Inhalt

 

In der Offenbacher Villa einer reichen Industriellen wird eingebrochen. Ein Original-Picasso aus dem Jahre 1939 wurde gestohlen und die Industrielle schwer verletzt. Sie liegt auf der Intensivstation und kämpft um ihr Leben. Die Kommissare Hass und Teschenmacher merken schnell, dass die Ermittlung nicht einfach wird. Es gibt keine Zeugen. Die Alarmanlage war seit einigen Tagen defekt. Ihr Lebenspartner Volker Kiebich lag zum Zeitpunkt des Überfalls noch angetrunken im Bett und hat nichts mitbekommen. Er ist ein erfolgloser Maler und Lebemann, der sich mit der finanziellen Abhängigkeit von seiner Partnerin bestens arrangiert hat. Auch ein befreundetes Künstler-Ehepaar, mit denen die beiden abends zusammen waren, kann nicht weiterhelfen. Er ist ein Säufer vor dem Herrn, sie eine ebenfalls erfolglose Künstlerin. Die vier hatten wohl eine ménage à quatre.

Doch dann meldet sich ein Unbekannter per Telefon: Er bietet das Bild an. Doch die Übergabe scheitert. Dann brennt der Bauernhof des Künstlerehepaars fast ab und mit ihm ein Picasso? Überraschend taucht ein Schweizer Kunsthändler auf und behauptet, seit Kurzem im Besitz des Picasso zu sein.

Die Industrielle überlebt nicht. Kiebich muss die Villa verlassen. Seine Lebensperspektive bricht zusammen. Für die Polizei und alle Beteiligten entsteht eine ausweglose Situation.

 

Das Hörspiel

 

Um es vorwegzunehmen: Das Hörspiel hat einen faszinierenden, völlig unerwarteten Plot! Allein deswegen lohnt das Anhören. Auch wenn das Künstlermilieu in der Tatortepisode von 2020 schon aufgegriffen wurde.

Eigentlich ist die Konstruktion des Hörspiels sehr kompliziert. Die Handlung wird von den beiden heftig hessisch babbelnden Bürodamen Rettich und Felsenstein erzählt. Die Eine erzählt der Anderen, was sie alles mitbekommen hat. Wie Büros so sind. Sprung in die gerade erwähnte Handlung wie z.B. eine Befragung mit den tatsächlichen Figuren. Der Befragte berichtet nun von einem Gespräch. Erneuter Sprung in das Gespräch, welches natürlich zeitlich zurück liegt. Kompliment an die Regie, die sicherstellt, dass der Hörer dennoch immer gut folgen kann.

Im Team der Kommissare Haas und Teschenmacher ist in dieser Episode ist der ältere Haas der auffallende Ermittler. Weil er nicht aufgibt und immer wieder neu nachdenkt, erhält der Fall viele unerwartete Wendungen. Die Beiden ermitteln im Milieu der Reichen und der Künstler und fühlen sich sichtlich unwohl darin. In dieser Gemeinsamkeit hat aber jede Figur ihren völlig eigenen Charakter, der auch in der Ausdrucksweise jeden Moment deutlich zu hören ist. Es gibt Säufer, Traumtänzer und Betrüger, die der Autor Mosebach aber immer auch mit Sympathie behandelt. Dies hört der Lauscher deutlich, weil alle Rollen bestens besetzt sind. Da tragen dann ein Versicherungsagent (Martin Brambach) oder ein befragter Taxifahrer (Walter Renneisen) zur Spannung bei, indem sie die Lust am Zuhören steigern. Überragend Hedi Kriegeskotte, mit dem leicht überheblichen, souveränen Ton einer reichen Industriellen und ihr Partner, der Maler und Lebenskünstler, gesprochen von Leopold von Verschuer. Man kann ihn hassen oder lieben. Emotion pur. Überhaupt gibt es wechselnde Hörangebote: Zwischenmusik, begleitende Musik, eine kaum auszuhaltende, lärmende Alarmanlage, aber auch gackernde Hühner.

Die Story wird immer mit leicht ironischem Ton erzählt, was sicher nicht jedem Hörer gefällt. Sie erzählt eine klassische Ermittlungsarbeit. Geprägt von Wahrheiten, Erinnerungslücken und Lügen. Gelegentlich ist es der Fantasie zu viel. Es muss nicht, wie in vielen Fernsehtatorts, auch noch das SEK auftauchen.

 

Misc.

 

Der Autor hat seine Hausaufgaben gemacht. Tatsächlich ist 2018 ein Picasso mit dem Titel „Frau mit Barett“ für 56 Mio. Euro bei Sotheby versteigert worden. Es ist zwei Jahre früher als das Bild im Hörspiel gemalt worden: 1939

 

Fazit

 

Das HR-Team hat sich mit dieser Episode in die höchste Liga der Tatort-Krimis gespielt. Die Figuren haben sich weiterentwickelt und machen Lust auf mehr. Nicht versäumen.

 

 

Wertung 90%

 

Dauer ca. 54 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek und direkt beim HR

 

 

 

 

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