Sonntag, 28. Mai 2023

Vampir Haarmann – Ein literarischer True-Crime von Jan Decker

 

Friedrich Haarmann

Nichts ist seit den späten 1970-er Jahren erfolgreicher als unzählige True-Crime Podcasts. Mehr oder weniger kundige Erzähler kommentieren reale Kriminalfälle. Dabei ist dieses Genre auch auf gehobenem Niveau nicht neu. Schon Schiller schilderte 1786 im „Verbrecher aus verlorener Ehre“ einen realen Fall. Der WDR hat diese Erzählung 1979 in einem Hörspiel umgesetzt. Es gibt zahlreiche hervorragende Hörspiele, die auf realen Fällen beruhen. Dabei steht selten das Kriminalistische im Vordergrund, sondern eher die Frage, warum und wie solche Fälle entstehen konnten. Der Autor Jan Decker hat eine Neugier, sich mit Serientätern zu befassen. Er hat aber auch eine Reihe von brillanten, klassischen Kriminalhörspielen verfasst. Im Mai 2023 befasst sich Decker nun in einer Produktion des SWR/BR mit dem wohl berühmtesten Serienmörder Deutschlands: Haarmann.

Die älteren Leser kennen womöglich den schwarzen Humor des Liedes: Warte, warte nur ein Weilchen.

 

 

Inhalt

 

Fritz Haarmann wird im Frühjahr 1924 in Hannover verhaftet. Ihm wird vorgeworfen, 27 junge Männer im Laufe der letzten Jahre brutal ermordet zu haben. Leichenteile in nahegelegenen Flüssen haben die Polizei auf die Spur dieses Serientäters gebracht. Das Hörspiel berichtet über den Gerichtsprozess gegen Haarmann. Der Philosoph und Sozialdemokrat Theodor Lessing war eine ganze Weile als Reporter Zeuge des Prozesses. Er hat als akribischer Beobachter Mängel bei der Polizeiarbeit und der Verhandlungsführung beobachtet. Er hat aber auch versucht zu verstehen, wie ein schlicht, aber durchaus sympathischer Mensch ein perfider Serienmörder wird. Wie war sein Elternhaus? Unter welchen sozialen Bedingungen hat Haarmann gelebt?

Lessing gerät bei der Beschäftigung mit diesen Themen aber auch in private Konflikte mit seiner Frau. Aber mehr noch. Er muss feststellen, dass seine Berichterstattung ihn selber gefährdet. Schon 1933 wird Lessing von Nazi-Schergen im Exil im tschechischen Marienbad ermordet.

 

Das Hörspiel

 

Das ist kein Krimi, auch kein True-Crime, wenngleich die Geschichte auf genauer Prozessbeobachtung beruht. Es ist aber ein WHY-Dune-It. Dem Autor geht es in erster Linie darum, zu erzählen, wie ein Mensch zum Serienmörder geworden ist. Und nutzt diese Erzählung zugleich, um über Politik, Psychologie, Rassismus, unfähige Polizei und Richter zu sprechen. Dies alles geschieht unaufdringlich, aber den Hörer bewegend.

Haupterzählerin ist Ada Lessing, die mit Skepsis wahrnimmt, wie ihr Mann, der Philosoph, sich in die Niederungen des Journalismus begibt und eigentlich auch den Herausforderungen nicht gewachsen ist. Aber in einer eher komplizierten Erzähl-und Zeitstruktur gibt es auch eine Sprecherin, die zeitliche Ordnung vermittelt und immer wieder Monologe der handelnden Personen. Haarmann erzählt ganz detailliert, wie er die Toten zerlegt und entsorgt hat. Nur einem so genialen Sprecher wie Jens Wawrczek kann es gelingen, dass dieses Grauen klingt wie eine alltägliche Szene. Und das haben ja die Nachbarn auch alle so empfunden und nichts gemerkt. Kann man sich an Grauen gewöhnen?

Lessing und Decker betreiben keine psychologischen Studien, aber sie erzählen, wie ein seelisch labiler Mensch im riesigen Rotlicht-und Armeleuteviertel Hannovers nach dem ersten Weltkrieg mit Polizeiunterstützung zum Serienmörder wurde. Haarmann war Polizeispitzel! Der Jude Lessing hoffte Unterstützung beim Hannoveraner Idol und späteren Reichspräsidenten Hindenburg zu erhalten. Statt Unterstützung gab es Bedrohung.

Die Zeitspanne des Hörspiels geht dann bis zur Ermordung Lessings 1993.

Viele eher kurze Szenen, sparsame Musik-und Geräuschkulisse, immer fokussiert auf die Menschen. Sprachlich hohe Kunst des Autors. Jedes Wort sitzt. Genial folgende Szene: Neben Haarmann gab es auch den Massenmörder Denke. Der Autor lässt Hitler auf die Frage, wer der größte Massenmörder seien, antworten: Ich Denke Haarmann.

 

Fazit

 

Ein hochspannendes, hochpolitisches Kriminalstück, das auf allen Ebenen bestens gelungen ist. Eine gewisse Hörersehnsucht nach einem Thema wie Grauen wird scheinbar bedient. Aber differenziert, einfühlsam und nachdenklich hinterfragt. Das alles auch noch mit politischen und historischen Themen unterhaltsam zu verknüpfen gelingt nur wenigen Hörspielen.

 

 

Wertung 95%

 

Dauer ca. 55 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

Sonstiges

 

Das Buch von Theoder Lessing im Projekt Gutenberg zum Nachlesen 


Ausführliche Info zu Theodor Lessing


Ada Lessing mit weiteren Infos

Sonntag, 21. Mai 2023

Das Abenteuer mit dem Blutdiamanten - Hochspannung und Politik

 


Einmal im Monat erscheint eine neue Episode der beliebten Reihe „Sherlock & Watson“  von Der Audio Verlag. Die dritte Episode (März 2023) der neuen Staffel lehnt sich sehr frei an den Klassiker vom „Blauen Karfunkel“ an.

 

Der Inhalt

 

Holmes ist gelangweilt, keine Fälle. Doch beim Spaziergang wird Holmes Zeuge eines Überfalls. Das örtliche Casino soll offenbar ausgeraubt werden. Seine Lebensgeister erwachen unverzüglich und Holmes kann den Überfall verhindern. Die Täter müssen fliehen. Doch Inspektor Lestrade sind die Hände gebunden. In wenigen Tagen wird ein wertvoller Diamant verkauft und er braucht alle Leute für eine sichere Veranstaltung. Zudem treibt ein Feuerteufel sein Unwesen. Holmes und Watson übernehmen dankbar. Die einzige Spur ist der Überfalltransporter. Er gehört offenbar zu einer Biofarm in der Umgebung. Die Spur führt ins Leere. Dafür entpuppt sich die Biofarm als Hort rassistischer, rechter Ideen. Da es in der Umgebung ein großes Netzwerk kooperierender Biohöfe gibt, entscheidet Holmes, sich Undercover einzuschleusen. Er trifft dort auf überzeugte, ehrliche Umweltaktivisten, die ihn dankend aufnehmen. Watson, der weiterhin den Hof beobachtet, wird Zeuge wie nächtlichs Waffen angeliefert werden. Die von Lestrade eilends arrangierte Razzia eskaliert mit einem heftigen Schusswechsel, aber Waffen werden nicht gefunden.  Aber bei Holmes bleiben Zweifel und er ist bemüht, in den innersten Führungszirkel zu dringen. Kann er weitere Überfälle verhindern oder geht es gar um den Diebstahl des Diamanten? Dank Irene Adler und Mycroft gelingt es Holmes sogar geschehens Unrecht wieder gut zu machen.

 

 

 

Das Hörspiel

 

Wie gewohnt ist das Hörspiel eine Mixtur aus drei verschiedenen Spielebenen: die Handlung um den blauen Karfunkel, Holmes Suche nach Watson in Afghanistan, Hudson im Kontakt mit den Bloggern. Der Hörer kann dies immer sehr gut unterscheiden. Hudson anstelle von Watson zur Erzählerin zu machen, ist eine clevere Idee: Als Frau bringt sie einen gänzlich anderen Erzählstil mit, mehr nachfragend, gelegentlich unsicher, immer empathisch.

In der Hauptstory geht es nicht um einen extrem wertvollen, blauen Karfunkel, sondern mit dem Blutdiamanten um die ganz ganz großen Themen dieser Welt: Rohstoffdiebstahl in Afrika, Umweltzerstörung, Meeresverunreinigung, Klimawandel und manches mehr. Ausgehend von dem Mikrokosmos der in den Biohöfen arbeitenden ehrlichen Umweltaktivisten. Aber wie weit darf man gehen, damit die Menschen verstehen, dass sich die Welt ändern muss? Aktuell eine bewegende Fragestellung, die sehr gut zum Charakter von Holmes passt, der schon immer eine sehr eigene Vorstellung von Recht hatte.

Der Hörer muss sich dafür auf die überbordende Fantasie der Autorin einlassen. Die einzelnen Szenen sind nicht immer schlüssig oder tragen zur Handlung bei. Wieso kommt es zur Schießerei auf dem Biohof, wenn gar nichts zu finden ist? So blöd, sind selbst Nazis nicht.

Es gibt eine Reihe spannender, überraschender Momente, die allerdings eher im Afghanistan-Teil knackig inszeniert sind.

Irene Adler unterstützt Holmes bei den Undercoverermittlungen, ist dabei aber nur Randfigur. Da hätte man aus dieser Figur durchaus mehr machen können. Die fiepsige Stimme der Sprecherin passt überhaupt nicht zum sonstigen Niveau und hat schon in einem Fernseh-Tatort für Entsetzen gesorgt.

 

Fazit

 

Die verbindende Afghanistan-Story macht Lust auf mehr. Sprecher, Produktion und Sound sind erste Sahne. Es ist zu hoffen, dass die weiteren Folgen schlüssiger und weniger moralinlastig werden. Es gibt noch Luft nach oben.

 

 

Wertung 75 %

 

Dauer zwei Episoden zu ca. 60 Minuten

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.amazon.de/Sherlock-Watson-Abenteuer-Blutdiamanten-u-v/dp/3742428020/ref=sr_1_3?crid=1XA2J0P412427&keywords=sherlock+%26+watson+neues+aus+der+baker+street&qid=1683469943&sprefix=sherlock+%26%2Caps%2C152&sr=8-3

 

Sonstiges

 

Hörprobe

 

Infos zum Original

 

 

Dienstag, 16. Mai 2023

Die Heldin – Die frühe Patricia Highsmith

 

Cover der Sammlung

Die hochgeschätzte Autorin tat sich in den Anfangsjahren schwer. Als 20-jährige schrieb sie eine Kurzgeschichte „The heroin“, die dann 1945 in Harpers Bazar erstmals veröffentlicht wurde. Sie wurde erst in den 1970-er ins Deutsche übersetzt und in einer Sammlung veröffentlicht. Im Jahr 1991 hat der Österreichische Rundfunkt eine Hörspielbearbeitung vorgestellt. Was veranlasst den SWR, diese gut 20 Seiten lange Short Story 80 Jahre nach ihrer Veröffentlichung erneut dem lauschenden Publikum zu präsentieren?

 

Inhalt

 

Die zwanzig-jährige Lucille möchte unbedingt in dieser Familie als Kindermädchen arbeiten. Sie sehnt sich nach Wechsel, möchte nicht mehr in der Stadt leben und in einer heilen Familie arbeiten. Ohne Referenzen stellt sie sich kurzfristig vor und wird eingestellt, weil sie den Eltern sympathisch ist. In dieser reichen Familie mit einigem Personal kümmert sie sich um Heloise und Nikki, 6 und 9 Jahre alt. In wenigen Tagen kommt sie den Kindern immer näher fühlt sich wohl. Wegen des Glücks in der Familie zu arbeiten, möchte sie auf Entlohnung verzichten und spricht die Mutter darauf an. Doch diese lehnt ab. Sie will keine Ausbeutung, sondern gerechten Lohn für gute Arbeit. Lucille fühlt sich nicht verstanden. Braucht es irgendwas Ernstes, was Dramatisches, damit sie verstanden wird?

Tatsächlich kommt es kurz darauf zu einer Katastrophe.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel beginnt mit einem Clou: Die Stimme von Highsmith erzählt, wie sie es erlebt hat, als die Story 1945 endlich veröffentlicht wurde. Der Hörer ahnt schon. Hat die Geschichte etwa mit Highsmith selbst zu tun? Die Bearbeitung weicht noch einmal von der Vorlage ab: Neben der Erzählerin gibt es die Ich-Stimme von Lucille. Darin wird eine gespaltene Persönlichkeit deutlich. Nicht alles was sie sagt, denkt sie auch. Das Hörspiel lebt von einer inneren Spannung. Die Kunst der Highsmith besteht darin, dem Hörer so nebenbei Information „unterzujubeln“. Die so unkomplizierte Lucille war beim Psychiater, damit sie die Angst vor der Veranlagung ihrer Mutter verliert. Solche Szenen kommen immer wieder und der Hörer lauert schon auf die nächste Desillusionierung. Highsmith gebt es ja nie darum, was getan wurden, sondern warum etwas getan wurde (Whydunits).

Um ihre Verletzung durch die Kindsmutter zu überwinden, möchte Lucille Heldin werden. Deswegen hat der SWR dieses Hörspiel veröffentlicht. Heldin spielen in Games und im Internet eine riesige Rolle. Ist alles heldisch was Helden tun? Sind sie sich nicht selber lieber, als die anderen? Wie weit darf ein Held gehen? Darüber nachzudenken, lädt das Hörspiel ein.

Die Szenerie ist überschaubar: Lucille, zwei Kinder, zwei sparsam auftauchende Eltern. Die Musik und die Geräusche unterstreichen die jeweilige Szene. Wenn die Kinder in der Sandkiste eine Burg bauen, erklingt Fanfarenmusik. Diese Intensität braucht nicht jeder Hörer.

Kinderstimmen sind immer schwierig, aber die beiden jungen Sprecher machen einen guten Job. Ihre Aufgabe ist es ja auch, Fantasien Realität werden zu lassen: Die Eroberung der Burg durch Soldaten oder Pinocchios Nase beim Vorlesen durch Lucille. Die leicht fiepsige Stimme von Lucille hätte gegen Ende mehr Kraft und Ernsthaftigkeit gebraucht.

 

 

Fazit

 

Ein perfekt inszeniertes psychologisches Kammerspiel mit vielen anregenden Momenten. Keine Gewohnheitskost, eher für Genießer.

 

 

Wertung 90%

 

Dauer ca. 46 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

Sonntag, 7. Mai 2023

Hunkelers in der Wildnis – Zumutung oder Anmutung ?

 

Buchcover

Der SRF hat im Frühjahr 2023 das zehnte Hunkeler-Hörspiel veröffentlicht. Es basiert auf dem 2021 erschienen gleichnamigen Buch und wurde wieder vom Regisseur Reto Ott betreut. Der Autor Hansjörg Schneider ist mittlerweile 85 Jahre alt und entsprechend weise, hat aber ein wenig die Lust am Krimi-Schreiben verloren, wie er im Interview mitteilte.

 

Inhalt

 

Der pensionierte Hunkeler möchte eigentlich seinen Morgenkaffee am Kiosk im Baseler Kannenfeldpark genießen, als er gerufen wird. “Einmal Polizist immer Polizist“. Im Park liegt die Leiche des bekannten Literaturkritikers Heinrich Schmidingers. Offenbar von einer Boule-Kugel erschlagen. Schmidinger war kein angenehmer Zeitgenosse, aber muss man ihn deswegen ermorden? Hunkeler ist unschlüssig, was er tun soll. Jedenfalls klaut er dem Toten das Eiserne Kreuz aus dem Weltkriet, geht als ein unwissender Zeuge zum Kiosk zurück.

Doch als seine ehemaligen Kollegen Madörin und Lüdi gute, verlässliche Freunde verdächtigen, begibt sich Hunkeler doch wieder auf Spurensuche in der ihm eigenen Art. Er lauscht schrägen, schrillen Menschen, vertieft sich in ihre Lebens-und Leidensgeschichten und schnappt doch immer wieder auch einen Zusammenhang zu Schmidinger auf. Haben die Frauengeschichten des Toten zum Unglück geführt? War es ein tödlicher Unfall beim Streit der verschwiegenen Boule-Gruppe? Und dann wird noch eine einsame, wundersame Wanderin ermordet.

 

Hunkeler und die Wildnis

 

Hunkelers Wildnis ist in uns und um uns. Der Autor erweist sich als profunder Naturkenner, unzählige Tiere und Baumarten malen ein Bild der heimischen Wildnis rund um Basel. Hunkeler schläft eine Nacht im Wald, um der Natur nahe zu sein. Und wacht erst auf als ihn der räudige Straßenköter, den er bei sich aufgenommen hat, beschnuppert. In einem Zornesausbruch spät in der Nacht hatte er dem Hund einen Tritt gegeben und war erschrocken über die Wildheit in sich. Und der immer noch wilde Hund begibt sich zu den Sauen, die ihre Frischlinge hüten und verendet elendiglich. Hunkeler besucht eine einsame Frau, die nur mit ihren Ziegen lebt und merkt an: Sie solle nicht allein leben, mit Tieren kann man nicht sprechen. Kurz darauf spricht er mit dem Strassenköter, der ihm über den Weg läuft. Vielleicht ist dies eine Erfolgsfaktor dieser Figur: Hunkeler ist zutiefst Mensch. 

 

Der Kommissar Hunkeler

 

In diesem zehnten Fall wird deutlich, dass Hunkeler seinen eigenen Weg geht, der ihn, bei mancher Ähnlichkeit, doch von den großen Figuren der Krimiwelt unterscheidet. Hunkeler ermittelt nicht, er stellt keine Fragen. Er mäandert durch sein Milieu und redet und redet und isst und trinkt. Und dann beginnen seine Begleiter zu erzählen. Hunkelers Hirn verknüpft Exotisches, Banales und Privates und nähert sich immer mehr dem, was tatsächlich passiert ist. Aber der pensionierte Kommissär der Baseler Kripo muss Recht nicht mehr durchsetzen. Für ihn gibt es nicht keine sicheren Grenzen mehr. Wo beginnt die Wildnis, was ist richtig und was ist falsch. Obgleich Hunkeler Ordnung liebt und lebt. Er trinkt jeden Morgen im Kannenfeldpark seinen Kaffee und freut sich über den Storch, der seine Salamischeibe abholt.

 

Die Macher

 

Reto Ott spielt in der höchsten Liga der Hörspielregisseure. Er hat den langen, gelegentlich langatmigen Text bestens adaptiert und versetzt den Hörer jeweils in die gespielte Welt, ohne zu sehr festzulegen. Ein Sufi-Gedicht oder ein französisches Chancon laden zum Denken und Träumen ein. Die Sprecher sind allesamt lokal geerdet und sprechen, wie die meisten Baseler eben sprechen. Den Elsässern rutscht da schon manches Französische rein.

Der ruhige Erzähler Knerr begleitet den Hörer durch die vier Episoden, die eigentlich ein Ganzes bilden. Stimmige, vielseitige Musik und vor allem viele Geräusche von Tieren oder auch Teekesselchen setzen zusätzliche Akzente.

Auch wenn gegen Ende klar wird, was im Park geschehen ist, ist es kein klassischer Krimi. Beim Autor Schneider vermischen sich die Grenzen der Genres. Leider verliert sich mancher Erzählstrang im Nirvana.

 

Fazit

 

Autor und Regie haben erneut ein Meisterwerk vorgelegt. Es ist zu hoffen, dass sich neben der großen Fangemeinde auch Neulinge an dieses akustische Kunstwerk wagen.

 

 

Wertung 95 %

 

Dauer ca. 200 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

Aktuell beim SFR Krimi zum Downloaden und Anhören

 

 

 

 

Montag, 1. Mai 2023

Der grüne Bogenschütze – Eine Wallace-Renaissance?

 


Der Vielschreiber Edgar Wallace zählte lange Zeit zu den Klassikern der populären Krimiautoren. Er schrieb bis zu seinem frühen Tod 1932 mehr als 175 Romane, mehrheitlich Thriller. Seine Vorlagen wurden in den 1960-er Jahren erfolgreich für das deutsche Fernsehen verfilmt und es entstanden reichlich Hörspielversionen. Seine etwas mystischen, eher schlichten Plots sind dann außer Mode geraten, scheinen aber wieder auf Interesse zu stoßen. Das ZDF zeigt im Frühjahr 2023 8 alte Verfilmungen in der Mediathek und Wallace wird auch gerne für Live-Krimi-Events genutzt. Ein Vorteil, wenn die Rechte an Titel und Figuren frei sind.

Es existieren gute 60 Hörspiele nach Stoffen von Edgar Wallace, alle von kommerziellen Anbietern. Manche davon eher für Jugendliche gedacht. Der grüne Bogenschütze ist im Original eines der umfangreichsten Werke von Wallace, gilt aber auch als eines seiner besten Bücher. Die von Saphir Tonart (ehemals Nocturna Audio) veröffentlichte Fassung ist die dritte Bearbeitung des Stoffes als Hörspiel und die 4. Episode in Saphir-Reihe.

 

Inhalt

 

Der Reporter Spike Holland ist immer auf der Suche nach attraktiven Themen, kein Wunder das er sich auf den Weg nach Garre Castle macht. Der amerikanische Millionär Abel Bellamy hat jüngst das Schloß gekauft, obwohl allen Einheimischen bekannt ist, dass ein grüner Bogenschütze dort sein gespenstisches Unwesen treibt. Um für ein Gespräch mit Bellamy gut vorbereitet zu sein, trifft sich Holland in einem Hotel mit möglichen Informanten: Dem Geschäftsmann und Wohltäter John Wood, dem Neuankömmling Howett mit seiner Tochter Valelrie sowie dem ehemaligen, inzwischen offensichtlich wohlhaben, Gefängniswärter Creager. Creager ist nicht gut auf Bellamy zu sprechen. Als Holland Creager am Abend noch einmal aufsucht, wird dieser mit einem grünen Pfeil erschossen! Der grüne Bogenschütze treibt also noch sein Unwesen. Bellamy schafft sich zwei Kampfhunde an, um sich zu schützen. Die junge Valerie Howett sucht Gare Castle heimlich auf. Sie verdächtigt Bellamy, ihre Mutter gefangen zu halten. Doch die Hunde fallen sie an, wird aber in letzter Minute vom grünen Bogenschützen gerettet. Wer ist Abel Bellamy wirklich, wieso umgibt er sich mit kriminellen Gestalten als Diener und Sekretär? Warum taucht der wohltätige John Wood immer wieder auf? Als der Bogenschütze immer gefährlicher wird, nimmt auch Scotland Yard Ermittlungen auf.

 

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel ist sprachlich nahe an der deutschen Übersetzung von K.S. Döhring (Pseudonym: Ravi Ravendro), erstmals 1928 veröffentlicht und im Projekt Gutenberg rechtefrei zu lesen. Leicht modernisiert („Sie Vollpfosten“), clever gekürzt und zum Nutzen der Hörer von vielem Ballast befreit.

Die Story spielt in einer unbestimmten Zeit, jedenfalls fehlen erkennbar moderne Elemente wie Handys oder Computer, aber der Hörer wird sie nicht vermissen, weil dadurch diese leichte anheimelnde britischen Atmosphäre entsteht. Dies wird durch Vogelgeräusche und Hundegebell sowie einschmeichelnde Musik verstärkt. Ohne Erzähler folgt der Hörer den vielen Dialog-und Handlungshäppchen. Der Spotify-Lauscher ist dankbar für die Überschriften der einzelnen Tracks, um den Überblick zu erhalten. Das ist bei den vielen Figuren nicht immer ganz einfach.

Die Sprecher sind das eigentliche Plus dieses Hörspiels. Jede Stimme ist gut wiederzuerkennen, ausgesprochen vielseitig, aber immer typisch für die Rolle. Der schwierige Schloßherr knurrt und knautzt, der Journalist stets höflich und neugierig. Da hört man schon mal amerikanische Akzente oder Ganoven-Slang durch. Schon wegen der Sprecher lohnt es, in das Hörspiel hineinzulauschen.

Das Hörspiel ist nicht direkt spannend, aber es tauchen immer wieder neue Pfade auf, die verwirren und neugierig machen. Ein klein wenig gruselig und mystisch, aber alles gut erzählt. Ansonsten sollte man über die Handlung den Mantel des Schweigens decken.

 

 

 

Fazit

 

Tolle Sprecher und eine gute Produktion retten eine schwache Handlung. Wallace hat nicht das Zeug zu einem Klassiker. Aber allein wegen der Sprecher lohnt sich das Hören.  Sprecher können ja auch etwas Kultiges haben.

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca. 63 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

Bei Amazon/Audible

 

oder Spotify

 

Sonstiges

 

Die Personen und ihre Sprecher

 

Sir John Walford:                               Wolf Frass

Inspector James Featherstone:         Erik Schäffler

Spike Holland:                                    Matthias Wiebalck

Abel Bellamy:                                     Jörg von Liebenfelß

Valerie Howett:                                  Katharina Wackernagel

Mr. Howett:                                       Reiner Schöne

Mr. Creager:                                       Jan Reinartz

Coldharbour Smith:                            Dirk Hardegen

Julius Savini:                                       Marcus Off

Fay Savini:                                          Agnes Hilpert

John Wood:                                        Nicolas König

Elaine Held:                                        Sabine Wackernagel

Sergeant Jackson:                              Klaus Krückemeyer

Sergeant Myers:                                 Karsten Deutschmann

Kellner:                                               Patrick L. Schmitz

 

 

Interviewmit dem Produzenten Sven Schreivogel


 

Die Filme im ZDF 

 

Rezension des Romans auf der Krimi-Couch 

 

Rezensionder Hörplanet-Version

 

 

 

 

 

 

 

 

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