Sonntag, 14. April 2024

Bomber – Ein Radio Tatort mit Fehlzündung

© ARD / Jürgen Frey

 

Nun (Feb. 2024) ist der zweite Fall des NDR mit dem Verdener Extremismus-Team erschienen. Da die erste Episode erst im Nov. 23 veröffentlicht wurde, hat der Hörer die Gelegenheit, sich schnell an das neue Team zu gewöhnen. Und zum Team gehören auch die Regisseurin Soloch, der Musiker Sicker Man und viele andere. Ein Leckerbissen ist die Mitwirkung von Hannelore Hoger, die nur noch selten zu hören und zu sehen ist.

 

 

Inhalt

 

In der Nähe des Dorfes Westerhude explodieren Windräder. In der Mitte von Nirgendwo. Niemand wird verletzt. Aber wie kann so etwas in dieser ländlichen Idylle passieren? Die Wache von Verden/Aller schaltet das Extremismus-Team mit Gina, Jules und Philipp ein. In der Nähe der Windräder liegt ein Hof, in dem so etwas wie eine Alten-WG lebt:“ Champagnerkommunisten mit etwas FDP“. Gehört haben sie was, aber nichts gesehen. Nicht weit entfernt befindet sich eine Art Southfork-Ranch, die von einem illustren Schützenverein betrieben wird. Nachgebaute Amerika-Idylle. Die Spusi kann nur mitteilen, dass schlichte Rohrbomben der Auslöser waren. Wer verwendet denn heute noch Rohrbomben? Die Ermittlungen bleiben in der Hand des Teams. Jules wird hergebeten, um sich bei den Senioren als Pflegerin zu melden. Dort liegt eine der Frauen im Sterben. Die Befragung der Vereinsmitglieder erübrigt sich: Die Ranch explodiert. Und es hört nicht auf. Sind hier Irre am Werk?

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel beginnt mit einem verstörenden Rückblick in Ginas Kindheit. Der Selbstmord ihrer Eltern in der Haft als Mitglieder der Terrororganisation Rote Brigaden. Dieser Anfang setzt ein Zeichen. Wieder geht es bei der Autorin auch darum, wie man wurde, wer man ist. Einblicke in die Lebensgeschichte von Gina und Philipp. Neben der actionreichen Handlung erlaubt die Story einen Seelenblick in die Senioren-WG und die geistige Verwirrtheit eines abstrusen Vereins. Treffsicher formulierte Dialoge und Action halten sich die Waage. Der Autorin gelingen auch immer wieder bemerkenswerte Bilder: Zum Schluß löst sich die brütende Hitze der vergangenen Tage durch einen Regenguss auf. Zwischen Jules und der pflegebedürftigen Heidelinde entwickelt sich eine wunderschöne, zarte Liebesgeschichte. Außerhalb des LKA-Teams verliert sich aber die Ernsthaftigkeit. Jules und Gina sind hervorragend besetzt. Philipp bleibt immer etwas blass. Bis auf Hannelore Hoger überziehen alle Alten hoffnungslos. So reden alte Menschen nicht und so klingen sie nicht. Das gleiche gilt für den Verein. Leider auch nur Klischee. Die Musik von Sicker Man reisst vieles raus. Mal melodiös, mal experimentell. Immer an der Grenze zwischen Musik und Geräusch. Gelegentlich versetzt uns Sicker Man, in die Filme unserer Jugend (für die Gesetzteren unter den Lesern). Der Sound betont die Handlung und lädt ein zum Gedankenschweifen. Aber letztlich verrennt sich das Hörspiel völlig. Ein Dorf wird dem Erdboden gleich gemacht, es gibt nur zwei Verdächtige: Die Senioren oder der Verein. Obgleich der Ort förmlich in die Luft geht, tauchen nur die drei Ermittler auf. Jules wird als Pflegerin ohne Zögern oder Nachfragen eingestellt. Alles extrem konstruiert. Vielleicht verträgt sich Verden an der Aller doch nicht so gut als Spielort eines Extremismus-Teams. Weniger Klischee, weniger Abseitigkeiten und mehr Sorgfalt beim Plot lassen noch Verbesserungen zu.

 

Fazit

 

 

Die Konstruktionsmängel nehmen trotz reichlich Action, passendem Sound und nachdenklichen Dialogen, die Freude am Hören. Der Hörer fragt sich: War das nun ein Krimi oder eine Groteske?

 

Wertung 65 %

 

Dauer ca. 52 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

Samstag, 6. April 2024

24 - 7 – Reinfall statt Einfall


 

Was hat ein twenty-four-hour-shop mit einem Hörspiel zu tun? Viel, wenn ein Internetfreak auf der Suche nach Scoops, Privates in die Öffentlichkeit zieht. Ein Thema also das Neugier und Besorgnis weckt. Der Mitautor Martin Ganteföhr hat schon durch seine Mitwirkung beim Hörspiel 39 bewiesen, dass er etwas von mobile devices versteht.

 

 

Inhalte

 

Benjamin Rohde betreibt außerordentlich erfolgreich die Audio-Live-App Scoops. Immer live bei geilen Events dabei. Keine Bilder, nur O-Töne und Benjamins Kommentare. Der finanzielle Einstieg ist ihm leichtgefallen. Seine Mutter ist Hanna Rohde, eine echte Größe in der Medienwelt. Die feiert heute Abend einen runden Geburtstag mit Tausenden von Gästen in einem mondänen Luxushotel. Darüber live zu berichten, will sich Benjamin nicht entgehen lassen. Er erhofft sich aber noch einen weiteren Effekt. Zieht sich seine Mutter aus dem Business zurück und übergibt ihm die Leitung?

 

Es kommt anders. Benjamin sitzt in U-Haft. Er wird verdächtigt, einen Mordanschlag auf seine Mutter verübt zu haben. Nach einem Zusammenbruch ringt diese im Krankenhaus mit dem Tode. Benjamin streitet alles ab. Überraschend tauchen Mitschnitte aller Gespräche von diesem Wochenende auf. Bringt diese Datenmenge eine Entlastung? Einige Ausschnitte spielt die Journalistin Rike im Netz vor. Rike arbeitet für den Konkurrenzkonzern und ist Crime Reporterin. Verdächtige gibt es nun reichlich.

 

Das Hörspiel

 

Der Zweiteiler kommt langsam in Gang. Nach den ersten zwanzig Minuten zeichnet sich vorsichtig eine Handlung ab, die aber erst zum Schluss von Teil 1 Spannung andeutet.   Das Hörspiel umfasst zeitlich gesehen einen Nachmittag und Abend, sowie den nächsten Vormittag. Spielort am Tag ist das Hotel, am nächsten Morgen das Auto von Rike. Es gibt es viele O-Töne zu hören, aber ansonsten dauernd die Kommentare von Benjamin oder Rike. Der Hörer zieht den Hut ab, vor dem Sprechtalent Gerald Diehls als Benjamin, aber Spannung wird dadurch nicht erzeugt. Immerhin ist unüberhörbar das Benjamin ne fiese Möpp ist. Aber auch alle anderen Mitspieler sind eher Marionetten als Menschen mit Leib und Seele: die Stiefgeschwister, ein intriganter Künstler, ein karrieregeiler Politiker und und. Ja richtig, das hört sich sehr nach billiger Vorabendserie im Fernsehen an. So viele Klischeefiguren erlebt man selten. Teil 2 übernimmt die Konkurrentin Rike die Kommentarfunktion und berichtet aus ihrer Perspektive. Der Hörer bekommt einen Eindruck von den Möglichkeiten und Gefahren neuer Medien. Das wird technisch überzeugend inszeniert. Aber auf der Jagd nach Followern werden schon mal Grenzen überschritten.

Eine Schlussredaktion hätte dem Text gutgetan. Ein Krankenwagen hat nun wirklich keinen Kofferraum. Und wer spricht schon heute noch die Bedienung mit „Fräulein“ an? Die von den Toten auferstandene Hanna Rohde macht Rike nach einem Telefongespräch zur neuen CEO von Scoop. Wer denkt sich denn so einen Blödsinn aus? Unglaubwürdige Szenen gibt es reichlich. Aber die entscheidende Schwachstelle des Hörspiels ist, dass es dem Hörer jede Neugier und Freude nimmt. Benjamin und Rike tragen alle Gedanken vor, die eigentlich dem Hörer überlassen sein sollten. Und dauernd wird irgendein Mitschnitt hervorgezaubert, der wieder einen anderen Aspekt einläutet. Trotz vieler gelungener technischer Spielereien ist das Hörspiel todlangweilig. Das Stück will Familendrama, sicher auch Medienkritik sein. Schade, dass dies alles untergeht. Ein Krimi ist es auf keinen Fall

 

 

Fazit

 

Vielleicht ist es eine Generationenfrage. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Todlangweilig trotz vieler technischer Raffnissen. Ein Tiefpunkt der ARD Hörspielkunst.

 

Wertung besser nicht

 

Dauer 2 Episoden ca. 52 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

Bomber – Ein Radio Tatort mit Fehlzündung

© ARD / Jürgen Frey   Nun (Feb. 2024) ist der zweite Fall des NDR mit dem Verdener Extremismus-Team erschienen. Da die ers...