Montag, 19. Juni 2023

Schmuggelgut vom Institut – Hommage an eine legendäre Fernsehserie

 


2017 erschienen drei Folgen der Serie: Der Lord und die Zwei. Sie war vor allem erfolgreich, weil sie an die in den 1980-er Jahren im Fernsehen gesendete Reihe Die Zwei anknüpfte. Die in Großbritannien wenig erfolgreiche Reihe konnte in Deutschland durch ihre Dialogfassung punkten. Der Autor Rainer Brandt eroberte sich aber mit seiner schnodderigen Sprache und einem feinen Humor eine Fan-Gemeinde. Sätze wie „Sleep well in your Bettgestell“ hatte man im deutschen Fernsehen noch nicht gehört. Trotz der Mitwirkung in einer Gastrolle konnte die Hörspielfassung nicht ganz an den Erfolg anknüpfen. Der Autor und Sprecher Harry Kühn hat sich nun bei Audiamo (ab April 2023) an eine neue Staffel gewagt.

 

Inhalt

 

London in den 1980-er Jahren. Der vornehme Lord und Anwalt Leyton Lawley nimmt nicht jeden Auftrag an. Doch als eine Klientin ihn um Hilfe bittet, eine bahnbrechende Erfindung eines Dresdner Forschungsinstituts zur Thermoelektrik aus der DDR zu schmuggeln, zögert er nicht lange. Eine solche Erfindung darf nicht in den Händen eines Staates bleiben, sondern muss allen Menschen zugutekommen. Zur Unterstützung holt er seinen alten Freund und Lebemann Tony Wilkins. Der ist als Radiomoderator und Journalist mit allen Wassern gewaschen, Lawley in Politik und Wirtschaft bestens vernetzt. Das sollte möglich sein. Eine gute Gelegenheit bietet sich als drei der Dresdner Forscher zu einem Kongress nach London reisen. Die systemkritische Erika lässt sich auf einen Deal ein und schmuggelt ein Musterexemplar nach London. Doch wie kann man eine Überprüfung durchführen, wenn die Aufpasser dabei sind. Oder ist eine kommerzielle Zusammenarbeit möglich? Vor dem Hintergrund des großen Ost-West-Konfliktes entwickelt sich eine spannende Handlung, in der Menschen wichtiger sind als politische Systeme.

 

Das Hörspiel

 

Der Soft-Krimi versetzt den Hörer in die noch ruhigen, aber politisch heiklen 1980-er Jahre. Ein wenig Retro für die Älteren, eine attraktive Zeitreise für die Jüngeren. Die Handlung spielt in London und Dresden, im Mittelpunkt stehen die oberen Zehntausend mit dem old-english Adel und Forscher aus Dresden in der damaligen DDR. Alles wird ohne Hektik erzählt, mitunter etwas langatmig. Lord Lawley und seine Sekretärin sind ein frozzelndes Team, der Journalist Tony ist für die reichlich vorhandenen, eher einfallslosen Sprachwitzeleien zuständig. Die gewählte Ausdrucksweise des Lords leidet auf Dauer unter dem eintönigen Tonfall. Die Dresdnerin Elke sächselt deutlich, auch wird insgesamt die Welt der Dresdner Forscher gut getroffen. Eingeklemmt unter dem Druck der Partei und der Moskauer Genossen, beseelt davon, die hervorragenden Forschungsergebnisse zu nutzen und auch ein wenig persönlich etwas davon zu haben. Musik und Geräusche sind sparsam eingesetzt. Ein schöne Höridee ist die Sprechprobe vor dem Vortrag. Gelegentlich verirrt sich das Hörspiel in unwichtigen Nebenthemen und wenig überzeugenden Wendungen. Da hätte man gut auf eine knappe Stunde kürzen können.Der finale Plot ist nicht übermäßig spannend, aber unerwartet für den mitdenkenden Hörer. Es geschieht nichts wirklich Böses und am Ende wird alles gut. Denn wenn es nicht gut wäre, wäre es ja nicht das Ende.

 

Fazit

 

Ein atmosphärisch dichtes Hörspiel das Freunden der alten englischen Soft-Krimis gefallen mag. Um als Serie erfolgreich zu sein, braucht es aber deutliche Steigerungen in allen Bereichen.

 

Wertung 60 %

 

Dauer ca. 74 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.amazon.de/music/player/albums/B0C3J9SBG7

 

oder direkt bei Audiamo

Sonntag, 11. Juni 2023

Bloody Summer – Folge 14 der Reihe Neues von der Baker Street

 


London im Sommer, brütende Hitze, zunehmend ausartende Demos und Proteste, eine Serie von Brandanschlägen. Lestrade ist beschäftigt und genervt. Holmes gelangweilt. Und dann werden auch noch seine kleinen Helferlein in der Obdachlosenszene durch unverschämte Konkurrenz bedroht und verdrängt. Holmes verkleidet sich und begibt sich auf Tätersuche: Er findet die Übeltäter in den höchsten Kreisen! Doch dann zieht zwei grausame Mordfälle seine Aufmerksamkeit auf sich. In beiden Fällen hat der Vater, seine Frau und die beiden Kinder brutal erdolcht. Lestrade schiebt es auf die brutale Hitze und die langen Ferien. Typisches Sommerschicksal. Doch Holmes hat seine Zweifel. Er entdeckt, dass seit einigen Jahren immer wieder ähnliche Familienmorde geschehen. Für ihn wird es zur Gewissheit, dass hier ein Serientäter am Werke ist. Nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit, um weitere Morde zu verhindern,

 

Das Hörspiel

 

Wie immer begleiten den Hörer die drei Erzählstränge: die düstere Vorgeschichte von Watson, die Blog-Kommentare und die eigentliche Geschichte, wiederum erzählt von Hudson.

Nach den brutalen Geschehnissen in Afghanistan sucht Holmes nun wieder in England nach den Gründen des Verschwindens und des Traumas von Watson. Was er von der Traumaklinik erfährt oder seinem Cafe-Kumpel, der ihn mit Watson bekannt gemacht hat, beunruhigt ihn zutiefst. War Watson schon sehr früh in den Fängen von Moriarty?

Wiederum nutzt die Autorin den Stoff, um politisch relevante Themen einzuweben. Der Klimawandel wird dramatisch verdeutlicht und macht dem Hörer Angst. Überhaupt ist diese Folge ungewöhnlich drastisch und blutrünstig, im wahrsten Sinne des Wortes „bloody“.  Gewalt in der Familie, Hilfsmöglichkeiten durch Beratungsorganisation, psychisch kranke Väter, die in sog. Familiziden ihre eigene Familie ausrotten. Themen, die auch ohne Klimabedrohung Sorge machen. Leider wird an einigen Stellen zu viel doziert und belehrt. Das mindert das Hörvergnügen deutlich. Weniger wäre hier eindeutig mehr gewesen. Wie jede Folge ist auch diese Episode wieder hochprofessionell gemacht und eine Hörfreude. Jede Rolle ist immer bestens besetzt. Es zeigen sich aber erneut wenige Schwächen: Was soll die Story um die Obdachlosenkonkurrenz? Das ist schon sehr weit hergeholt. Der geübte Sherlock-Fan wird auch schneller als Holmes dem Täter auf die Spur kommen.

 

 

Fazit

 

Hochpolitisch und aktuell, wiederum ein Hörgenuss. Die Fangemeinde wird sich auf die nächste Episode freuen und bedauern, dass die vierte Staffel dann zu Ende ist.

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca. 74 Min.

 


 

 

 

 

 

Montag, 5. Juni 2023

Return to sender – Teil 2 der SRF Miniserie

 

© ARD / Jürgen Frey

Es gibt in der ARD Audiothek nicht nur ausgegrabene Konserven. Im Mai 2023 veröffentlicht der Schweizer Rundfunk den zweiten Teil seiner Mini-Serie (Teil1: Mord im Outlog, Dez.2022) um die Ex-Kommissarin Laura Martini und das Schweizer Health Institut (SWI). Auch dieser Near-Future-Krimi spielt im Jahr 2056.

 

Inhalt

 

Die Schweiz 2056 kennt keine Morde, dafür sorgt das Swiss Health Institut SHI (gesprochen Schi). Wer sich einloggt, ist im Kosmos des SHI wohlbehütet. Bei unerwarteten Zwischenfällen können die implantierten „Engel“ für Hilfe sorgen. Das SHI schützt und überwacht die Menschen KI-gestützt, also gewissenhaft und gewissenlos. Nur in dem kleinen Bergdorf Freinau leben einige wenige Outlogger, die sich diesem System entziehe. Dort, auf den kühlen Berghöhen, betreibt die Ex-Kommissarin Laura eine Lodge.

Der investigative Journalist Albedo war ermordet aufgefunden worden. Damit bricht das Gebilde zusammen, dass es in der Schweiz keine Morde mehr gibt. Emil, die Stütze von Laura Martini findet in den unerwartet aufgetauchten „Albedo files“ Hinweise auf die Machenschaften des SHI und einen Toten. Der Sonderling Stöffi starb an Genickbruch, so Kevin vom SHI. Stöffi arbeitete im Tal bei den Loggern, betreute und verteilte die Unmengen von Klimamigranten. Stöffis Hobby war die Elvis-Imitation. Das ist kein Grund zum Töten. Laura und Emil geben sich mit der offiziellen Todesversion nicht zufrieden und ermitteln undercover unter den Loggern. Da gibt es das halbseidene Leben des Stöffi, seine eifersüchtige Ehefrau, einen gefährlichen Araber und dann auch noch die Machenschaften des SHI.

 

Das Hörspiel

 

Es ist nicht einfach, dem Hörspiel zu folgen, wenn der Hörer Mord im Outlog nicht kennt, auch wenn es eine eigenständige Handlung hat. Das einführende Intro ist sehr knapp geraten. Der Krimi-Plot ist gut und spannend, der Hörer kann den Überlegungen folgen und der Shut-Down in dieser Form unerwartet. Die Protagonisten Laura und Emil werden vertrauter, entwickeln sich aber nicht zu Charakteren, denen man in einer Serie folgen möchte.  Laura ist eigentlich immer außer Rage und tönt schon mal: Den bring ich um. Ihr Gegenspieler Luzi Kalberer ist der menschlich sympathische Ex-Chef von Laura, der oberste SHI-Chef. Das Ermittlungsumfeld ist eine Freude für den lauschenden Hörer: Die Lodge mit ihren vielen Tieren, die Sprachenvielfalt der Migranten, Büros, jede Menge High-Tech aber auch ein Bordell. Das Hörspiel bietet wieder ein Feuerwerk an Sound und Geräuschen. Hall, Echo, jede Menge Tiere. Der Klimawandel hat das Ausbreiten der lästigen Mücken gefördert. Dabei mindert die Geräusch-und Musikkulisse gelegentlich die Verständlichkeit.

Leider gibt es viele Ärgernisse, die den Hörgenuss schmälern. Der Hörer bleibt oft im Unklaren. Eine Verdächtige hat drei verschieden Namen. Da verliert man schon mal den Überblick. Der Begriff SHIPs taucht regelmäßig auf, wird aber erst in Minute 34 erklärt. Viele Sprachspiele verlieren sich in platten Banalitäten. BBB für Bennis Bunga Bunga hat Groschenromanniveau. “Nicht verzagen, Emil fragen“ oder „Wir sind prepared“ ebenso oder S(c)HI-tstorm.

Viel zu oft wird zu laut und zu betont gesprochen. Damit wird es für den Hörer schwierig zu erkennen, was ist wichtig, wo er genau hinhören muss. Das Bild des Jahres 2056 wird durchaus differenziert gemalt. Es gibt Überwachung, aber eben auch Schutz. Neben High-Tech gibt es auch noch Plattenspieler und Walkmen oder Wörter wie Nebenbuhler! Und es gibt Freiräume wie in Freinau. Zentrales Thema dieses Hörspiels ist der extreme Klimawandel und die damit einhergehende gewaltige Migration. Spätestens 2056 kann man diese Menschen nicht an den Absender zurücksenden, wie es Elvis mit seinem Liebesbrief erlebt. Dieses Thema geht aber unter, weil die Regie die überbordende Fantasie und Sprachlust des Autors nicht gebändigt hat, sondern immer noch einen draufsetzt. Auch was Logik angeht, sollte der Hörer nicht kleinlich sein.  Aber für Technik-und Soundfans ein Hörgenuss. Da mag sich eine kleine Fan-Gemeinde beim eher konventionellen Angebot des SRF entwickeln.

 

Fazit

 

Ansonsten: Hochgepokert und verloren. Die guten Ansätze und das inhaltliche Anliegen gehen in der Inszenierung unter. Es ist einfach anstrengend, dem Krimi zu folgen. Wie hat schon Robert Blanco gesungen: Ein bißchen Spass muss sein.

 

 

Wertung  60 %

 

Dauer ca.  Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek und SRF

 

 

 

 

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