Sonntag, 2. April 2023

Mia Insomnia – Eine nostalgisch-moderne Hörspielserie

 

© ARD

Der Bayerische Rundfunk bietet seit Feb. 2023 einen 10-teiligen Podcast für junge und alte Hörer an. Die ARD hat ihre eigene Vorstellung von Verbreitung. Der Podcast steht nur in der ARD Audiothek zur Verfügung, nicht auf Streaming-Diensten. Download ist nicht möglich. Also nichts für Reisende in Auto, Bahn oder Flugzeug.

 

Ein wenig Hintergrund

 

Die Hörspielwelt hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Internet und Streaming-Dienste haben die CD längst verdrängt. Die vielfältige Welt der Podcasts hat gezeigt, dass die Menschen immer noch lange lauschen können und „Serien“ mit Wiedererkennungswert lieben.

Das ist den Hörspielopas und -omas vertraut. Sie kennen stundenlange Durbridges oder viele Dickie Dick Dickens Episoden aus den 1960-Jahren. In der Schweiz laufen seit 1975 ironische Kurzkrimis mit dem Titel: Schreckmümpfeli. Die Generation Kassettenkinder hält bis heute den Helden der 1970-er Jahre die Treue.

Ein ungewisser Blick in die Zukunft macht es nachvollziehbar, dass Grauen und Mystery wieder häufiger zu finden sind. Neu sind sie nicht: E.A. Poe und Arthur Conan Doyle haben sich dieser Ängste schon bedient.

 

Der Anspruch

 

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk tut sich schwer in dieser veränderten Welt. Mit seinem Podcast „Mia Insomnia“ wagt sich der BR weit nach vorn. Er legt mit dem 10-teiligen Podcast eine Serie vor, die ein durchgehendes Thema und wiederkehrende Figuren enthält. Durch das thematische Motiv sind die ehemaligen Kassettenkinder eine Zielgruppe. Modern sind hingegen die Aufnahmetechnik und Mystery-Elemente. Mit Bastian Pastewka hat der BR auch ein Zugpferd als Sprecher gewonnen, der Hörer anlocken wird.

 

Der Inhalt

 

Mia (32 J.) ist eine aktive, quasselnde Podcasterin. Sie ist als Kassettenkind mit den Detektivgeschichten um TKKG oder den ??? Fragezeichen groß geworden. Nun hat sie die Gelegenheit, einen Helden ihrer Jugend in ihrem Podcast zu interviewen: Gerold Bode, die Stimme ihrer Lieblingsserie: Geisterjagd. Sie kennt jedes Detail und erkennt jede Stimme. Doch als sie ihn nach der Folge Insomnia (soviel wie: Schlaflosigkeit) fragt, zögert Bode. Die Folge gab es doch nie. Mia stutzt und befragt ihre Erinnerung. Doch, sie sieht die Kassette vor sich. Aber auch die Produzentin der Serie kennt diese Folge nicht.  Sie berät sich mit ihrer Freundin Maren, gemeinsam blättern sie in alten Alben. Mia springt hoch: Sie sieht ein Bild von sich als Kind mit der Insomnia-Kassette in der Hand. Zu der Zeit waren sie in einer Ferienwohnung in einem Bergdorf. Jetzt wird sie zur Detektivin und begibt sich auf eine Reise ins Feriendorf und in zunehmend mysteriöse Gegebenheiten. Gibt es wie in den Detektivgeschichten am Ende eine überzeugende, einfache Erklärung oder ist sie in eine andere Welt geraten. Gibt es mehr als eine Welt? Eine Gute und eine Böse? Um dies zu erfahren, macht sie sich auf die Reise in eine unbekannte Welt.

 

Die Wirklichkeit

 

Mia Insomnia ist ein 10-teiliges Hörspiel in Form eines Podcast. Die einzelnen Episoden bauen aufeinander auf. Es gibt jeweils einen kurzen Einstieg und nach ca. 15 Min eine ruhige Zwischensequenz. Es spielen nur wenige Personen mit. Hauptsprecherin ist Mia. In jeder Episode kommen dann wenige Andere dazu.

Sehr geschickt verbindet der Autor im Grunde drei verschiedene Geschichten: Die Detektivgeschichte der Mia, eine Geschichte über die langanhaltende Liebe zu Detektivgeschichte und eine leicht ironische Geschichte über plaudernde Podcaster. Erzählt werden diese Geschichten in der Ich-Form von Mia, die immer ihr Mikrofon dabeihat und aufnimmt, was sie gerade erwischt. Der Hörer erkennt dabei nicht, ob diese Aufnahmen gestellt oder echt sind.

Und das ist schon eines der zentralen Themen: Was ist echt, wirklich? Welche Welt ist die Richtige? Kann man einer Welt entfliehen? Zweifel durchziehen den Podcast. Ist die Gegenwart schlechter als die Vergangenheit? Ist Kindheit besser als Altsein? Die Antwort ist eindeutig: Es gibt nicht die eine Wahrheit. Wie Mia muss sich jeder auf seine Suche nach dem richtigen Weg und Wie machen.

Jede Episode endet mit der Neugier auf die nächsten Geschehnisse. Der Inhalt ist selten spannend, nie gruselig, aber immer mystisch. Gelegentlich etwas langatmig.

Beeindruckend wie der Autor die Sprachwelten der unterschiedlichen Menschen trifft. Viele klug formulierte Sätze, aber auch Geniestreiche. Wo hört man heute noch einen Satz wie: Ach du lieber Herr Gesangsverein. Man muss nicht alles im Podcast mögen, aber es entstehen unheimlich viele Bilder im Kopf, die mit passender Musik unterlegt werden.

Julia Gruber trifft den Ton einer jugendlich-naiven Podcasterin mit überschwänglichen Betonungen auf jeder dritten Silbe sehr gut. Da sie sehr viel zu hören ist, ist es zu viel des Guten. Sie kann oder darf offenbar auch nicht anders sprechen. In manchen Szenen wäre ein ängstlicher oder energischer Ton passender. Alle anderen Sprecher machen einen hervorragenden Job, allen voran der unverwüstliche Bastian Pastewka.

Hörtechnisch gesehen ist der Podcast ein Kabinettstückchen. Alte Kasetten, neue wackelige Podcastaufnahmen, Knacken, Knistern, tosender Wind, selbst wabernden Nebel glaubt man zu hören.

 

 

Fazit

 

Ein eindrücklicher Podcast, der Spaß bringt, zu hören, Bilder im Kopf erzeugt und wirklich für alte und junge Hörspielfans ein Hörgenuss ist. Die Bearbeitung hätte der Fabulier-und Sprachkunst des Autors allerdings ein paar Kürzungen zumuten können.

 

 

Wertung 80%

 

Dauer 10 Episoden je ca. 30 Minuten

 

 

Verfügbarkeit

 

Nur in der ARD Audiothek

 

 

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