Dienstag, 30. November 2021

Caro ermittelt: Der Cybercrime-Strudel 1 – True Crime meets Comedy

 





Es tut sich was bei den öffentlich-rechtlichen Medien: Rund um die Hauptfigur Caro soll im Spätherbst 21 eine Krimipodcast-Reihe unter dem Titel: „Caro ermittelt“ starten. Der Cyber-Strudel ist die erste veröffentlichte Episode. Produzent ist das Radio Berlin Brandenburg.

RBB stellt die Reihe als True Crime Comedy Hörspiel vor. Und die erste Folge enthält wirklich von allem etwas.

Der Inhalt

Caro, eine gescheiterte Kleinunternehmerin und jetzige Busfahrerin, liest eine Spam-Mail mit Google-Translator: Am liebsten bin ich sehr bedauern, dass sie plötzlich angesichts Lastkahnen, dass wir nicht wissen einander von ...! Genauer: Ange aus Afrika hat mehrere Millionen von ihrem Vater geerbt. Allerdings liegt das Geld derzeit auf einem Treuhänderkonto. Ange kommt nur daran, wenn sie eine Gebühr hinterlegt. Dies Geld hat Ange nicht und bittet Caro um eine entsprechende Zahlung. Caro hat zwar auch kein Geld, aber sie wird neugierig und lässt sich unter dem Fake-Namen Hanna Reusch auf den Deal ein. Vielleicht enttarnt sie den/die Betrüger?

Nun beginnt eine heiße Story voller Mails und Telefonaten mit Ange und einem Banker, zwischen Berlin und der Elfenbeinküste. Caro begibt sich in den Strudel der Ereignisse mit immer neuen Ideen und Forderungen der Betrüger. Allerdings verheddert sich auch Caro in immer neuen Ideen: Sie zaubert einen polnischen Freund hervor, überfällt angeblich eine Bank und muss ins Gefängnis, aber: Niemals Geist! Never mind.

Der Höhepunkt der Spannung wird bei einer Strudel-Bestellung in einem bayrischen Lokal in Abidjan erreicht. Am Ende muss sich Caro selber schützen, um nicht in kriminelle Aktivitäten verwickelt zu werden.


Das Besondere

Wie in einem klassischen True-Crime berichtet Caro, unterstützt von einer Freundin, über ihren ersten Fall. Man fühlt sich wie im realen Studio, wenn Caro gelegentlich die Regisseurin um Einspielungen bittet.

Caro zitiert Mails, gibt Telefonate und wenige andere wichtige Ereignisse wieder und kommentiert sie. Hauptsprecherin ist also Caro, die man sehr gut versteht. Die Autorin Caroline Labusch spricht diese Rolle selbst und sie macht das genial. Man glaubt sich mitten ins Leben versetzt, hört jede Stimmungsnuance als wäre man dabei. Selbst das Telefonat mit dem Restaurantchef in Abidjan klingt, als wäre es real. Man fühlt sehr schnell mit der sympathischen Caro, die zwischen Neugier und Angst hin- und hergerissen ist.

Neben der Handlung ist der Sprache eine Besonderheit dieses Hörspiels. Die Stimmen der vorgelesenen Mail oder Telefonat sind laut, leise, böse, lieb, kaum zu verstehen, mal Deutsch mal Englisch, auch Französisch, meist ein seltsames Google-Denglisch, das sich Caro aus dem Google-Übersetzer vorlesen lässt. Caro durchschaut den Google Übersetzungsalgorithmus und lernt die Worte so zu setzen, dass erst die Übersetzung einen Sinn ergibt: Ich Armbanduhr dich Englisch: I watch you!

Bei allem Mut zum Abenteuer ist Caro dennoch vorsichtig: Gelegentlich meldet sich die Stimme des Gesetzes. Diese Stimme aus dem Off erklärt ihr, dass es juristisch keine Fälschung ist, wenn man einen gefälschten Perso elektronisch verschickt. Man erfährt auch, dass über Moneygram nicht so einfach zwielichte Überweisungen möglich sind. (Der Verfasser dieser Zeilen hat dies allerdings nicht geprüft). Das lehrreiche Hörspiel ist also mehr als eine Warnung vor Cyber-Crime.

 

Was es noch zu sagen gibt

Das Hörspiel ist tatsächlich true, Crime und Comedy. Die Story ist wohl nicht echt in dem Sinne, dass sie einen wahren Fall berichtet, aber sie könnte so tatsächlich geschehen sein. Der Autorin gelingt es jedenfalls, die Geschichte spannend darzustellen.  Auch wenn man gelegentlich nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll, wenn man sich die Details anhört.

Offenbar macht die enge Zusammenarbeit der Autorin mit der Regisseurin Marion Pfaus die Stärke dieses Hörspiels aus. Es lohnt sich ihre anderen Arbeiten anzuschauen.

Und ja natürlich: Diese starke Frau Caro geht als Ermittlerin ihren eigenen klugen, witzigen Weg und spielt nicht einfach eine mit einer Frau besetzte Männerrolle.

Die Musik ist mit einer elektronischen Orgel und Trommel als Begleitung der Szenen, eher klassisch unterwegs. Passt aber gut zur Inszenierung. Und man hört schon an der Geräuschkulisse, wo sich Caro gerade befindet.

 

Dauer 55 Min.

 

Fazit

Nicht jedem gefällt das viele Denglisch. Aber wer sich, wie Caro, auf ein Abenteuer einlässt, wird diese knappe Stunde voll Spannung und Sprachwitz genießen. Das Hörspiel ist ein Stück akustischer Kunst, das einen großen Hörerkreis verdient hat. Ich freue mich schon auf weitere Folgen. 

Verfügbarkeit:

Der 12-teilige Podcast soll am 14.11.2021 starten. Auf RBB Kultur jeweils um 14.00 Uhr. Man kann dann den Podcast abonnieren. Weitere Info auf RBB Kultur.


Miss Terry - Eine spannende Geschichte von fast allem

 


 

Die sympathische Lehrerin Nita Teri kann nicht die Täterin sein, dazu ist sie zu sympathisch! Aber in der Nähe ihrer Wohnung wird in einem Bauschuttcontainer ein totes Baby gefunden und Nita, meist abschätzig Terry genannt, gerät bei Anwohnern und Polizei in Verdacht. Nun beginnt eine Geschichte von Verdächtigungen, Verzweiflung, Lügen und akuten Gefahren. Aber auch von HiIfen, Mutmachern und Unterstützung. In den Szenen des Hörspiels wechseln die Spielorte. Man lernt echte und falsche Freunde kennen. In zwei Hörstunden schreitet die Handlung voran und es gibt immer wieder überraschende Wendungen, so dass man sich immer weniger für den möglichen Täter interessiert. Im Grunde ist dieses Kriminalhörspiel eine Geschichte über Rassismus, Frauensolidarität, Familienclans und Polizeigewalt. Eben über fast alles.

 

Ein brilliantes Hörspiel

Das Hörspiel ist glänzend mit Sprechern besetzt, die jeder Rolle ihren eigenen, gut wiedererkennbaren Charakter geben. Einzelne Rollen empfinde ich als überbetont. Miss Terry ist spannend inszeniert ohne Längen oder große Abwege. Das Ohr freut sich über die ambitionierten Texte und eine passende Geräuschkulisse.

Eine Erzählerin führt einfühlsam durch die Handlung. Die Musik erinnert mich persönlich eher an Stimmungsbegleitung eines Fernsehtatorts. Da hätten ein paar Blues-Takte mehr in das Feeling gepasst.

Das Hörspiel folgt einem Roman von Liza Cody, der bereits 2012 veröffentlicht wurde, aber nichts an Aktualität eingebüßt hat. Es handelt sich um eine Originalproduktion des WDR aus dem Jahr 2021 und liegt in zwei (allerdings zusammenhängenden) einstündigen Teilen vor, die ab Ende Mai 2021 in den Sendern des ARD zu hören sind.

 

Fazit

Wer gute Hörspiele liebt, die neben dem Krimiplot noch andere, aktuelle Themen aufgreifen und 2 Geduld hat, wird hier belohnt werden. Kein Klassiker, aber spannende, hörenswerte Unterhaltung auf höchstem Niveau

Dauer: zweimal je 53 Minuten

Wertung 95 %

Weitere Informationen:


Autorin: Liza Cody
Übersetzung aus dem Englischen: Martin Grundmann und Else Laudan
Musik: Florian van Volxem und Sven Rossenbach
Technische Realisation: Gertrudt Glosemeyer und Mechthild Austermann
Bearbeitung und Regie: Petra Feldhoff
Dramaturgie: Jan Buck
Produktion: WDR 2021

 

Besetzung:



ErzählerinHelene Grass
NitaCynthia Micas
Diane, NachbarinDagmar Operskalski
Jen, NachbarinSandra Kouba
Harris Searle, NachbarJeff Zach
Cutler, SergeantAndreas Grothgar
Ryan, SchülerTheo Burkholder
DirektorRalf Drexler
Poppy, SchülerinNoëllie Zirpins
Ash, Nitas BruderAnton Feiste
Toby, MedizinstudentLennart Hillmann
Leo, MedizinstudentElias Reichert
Eavers, wbl. SergeantEva Mannschott
Rose, NachbarinTanja Haller


 Download:

 bis zum 28.11.2022

 https://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-hoerspiel/hetzkampagne-mord-verdacht-nachbarschaft-100.html

 

Montag, 29. November 2021

Der sonderbare Tag des Lord Grimsby – Ein Krimi mit Augenzwinker

 

 


 

Der sonderbare Tag des Lord Grimsby ist der Einstieg in die dritte Staffel des Podcast „Kein Mucks“ produziert von Radio Bremen, glanzvoll ausgewählt und präsentiert von Bastian Pastewka. In diesem Podcast werden alte Klassiker der Kriminalhörspieleszene ausgegraben und mit launigem Kennerton präsentiert. Lord Grimsby z.B. stammt aus dem Jahr 1959! Die ersten beiden Staffeln waren bei den Hörern so beliebt, daß Radio Bremen jetzt bis März 2022 eine dritte Staffel nachreicht. Es sagt einiges über das Hörerinteresse aus: Die ersten beiden Staffeln wurden mehr als 5 Millionen mal wiedergegeben (Audiothek, Apple und Spotify). Auch die neue Episode ist unmittelbar nach Erscheinen an der Spitze der Rubrik: Meist gehört.

 

Die Handlung

 

Lord Grimsby erlebt auf seinem noblen Landsitz einen Tag voller Überraschungen und Schreckensszenarien. Auf Grimsby Hall lebt der Lord mit seiner Dienerschaft und der engsten Verwandtschaft im Stile des reichen, wohlerzogenen Adligen.

Am späten Morgen wird Grimsby vom Gärtner geweckt, weil die Polizei ihn sprechen will. Grimsby erfährt, dass in der Nacht sein Familienschmuck gestohlen und der Diener ermordet wurde. Beim Adel kein Grund früh aufzustehen! Die beiden Inspektoren machen sich an die Arbeit: Wie im klassischen closed-room-Krimi muss der Täter unter den Anwesenden zu finden sein. Einige wenige Indizien helfen ihnen. Bei der Leiche findet sich ein Dolch, der Lord Grimsby gehört. Daneben liegt Werkzeug, dass sein Neffe Geoffrey verwendet, dessen Hobby das Bauen von Kinderwiegen ist. Im Garten findet sich ein einzelner Pantoffel, der der Haushälterin gehört.

Als Täter kommen aber auch die Verlobte vom Lord in Frage, die hinter seinem Vermögen her ist oder der schmierige Anwalt. Selbstverständlich auch der Gärtner, der nun die Stelle des Butlers einnehmen darf.

Tatsächlich kommt die Polizei nach am selben Abend zur überraschenden Lösung. Ein Hörspiel – Cluedo eben.

 

Die 50-er Jahre

 

Die Mehrzahl der Hörer wird diese Zeit nicht erlebt haben, daher hier ein paar Appetizer.

Bundeskanzler war zu der Zeit, der 83-Jährige Konservative Konrad Adenauer. Gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard war es ihm gelungen, die schwere Krise nach dem Krieg zu überwinden und eine Art Wirtschaftswunder zu erzeugen. Es gab genügend Arbeit, die Löhne und das Warenangebot stiegen. Die Frauen, die unmittelbar nach dem Krieg so wichtig waren. kehrten wieder an den Herd zurück.

Mit 15 Mio. Hörern gegenüber 2 Mio. Fernsehzuschauern war der Rundfunkt das wichtigste Massenmedium. 10 Rundfunkanstalten produzierten jährlich mehr als 350 Hörspielneuheiten!.

Die rauschfreie UKW war erst seit Mitte der 50-er Jahre im Kommen und ein Radio kostete mit 1.000 Mark etwa das Monatseinkommens eines Facharbeiters.

 

Das Hörspiel

 

1959 gab es noch keine Straßenfeger von Durbridge, aber die Geschichten von Doyle und Agathe Christie waren beliebt. Good old England und adlige Noblesse spielen auch in diesem Hörspiel eine große Rolle. Die bis heute beliebten Simenon-Hörspiele sollten im gleichen Jahr erscheinen.

Das Hörspiel erzählt in ruhigen überschaubaren Szenen, eine Geschichte, die nicht voller Mord und Totschlag ist, aber dennoch voller Spannung, weil immer neue Wendungen auftauchen, mit denen der Hörer nicht rechnet. Die Figuren sind alle mit leicht ironischer Sympathie gezeichnet und durchaus klischeehaft. Grimsby steht über allem und würde seinem Neffen sogar einen Mord durchgehen lassen, er wird von allen immer zuerst informiert.

Man hört wie der ehelose Neffe sägt, um eine seiner 27 Wiegen zu basteln. Es wird also Zeit, dass er unter die Haube kommt.

In klassischer Durbridge-Manie schließt voll tönende Orchestermusik die jeweilige Szene als Clfiffhanger ab.

 

 

Die Sprecher

 

Die große Zeit des Fernsehens stand erst noch bevor und tatsächlich machten nahezu alle Sprecher später beim Fernsehen Karriere und die älteren Hörer werden ihre Rollen und Stimmen kennen. Heute steht die Vielseitigkeit einer Stimme im Vordergrund, um bei einem Aufenthalt im Studio möglichst viele Rollen spielen zu können.

Damals waren die Stimme und ihr Charakter wichtig. Man drückte sich gewählt aus, durchaus auch mal in England mit ostpreußischem Einklang. Diener und Gärtner nuscheln, daß man sie kaum versteht. Es ist also durchaus hörenswert.

 

Versuch einer Erklärung

 

Was macht diese verstaubten Hörspiele so beliebt: Mir scheint der Erklärungsversuch des Autors Thomas Müller überzeugend: „Das Hörspiel der 50-er: Tendenz zur Verinnerlichung und zur Reduzierung der Wirklichkeit auf den menschlich-privaten Bereich, die ihre Aussagen nicht mehr direkt, sondern zunehmend in poetisch reizvollen, phantastischen Bildern einer entsprechend geschulten Hörergemeinschaft vermittelten“.

In Zeiten von Fake-News, vorschnellen Urteilen, aber auch extremen Gefährdungen sind solche nostalgischen Hörspiele ein romantischer Rückzug ins Ruhige, Besinnliche, Bekannte. Da gibt es Spannung ohne Gefährdung.

Da hört man schon mal über Rollenklischees und Überzogenes hinweg.

 

Dauer 55 Min.

 

Fazit

 

Man kann Bastian Pastewka nur dankbar sein für das Ausgraben dieser Schätze. Jenseits von Nostalgie finden sich in seinem Podcast noch etliche einfach tolle Hörspiel, die der Hörer im Lehnstuhl  mit einer Flasche Wein

Freitag, 19. November 2021

Sörensen am Ende der Welt – Kopfkino als medialer Hit

 


 

„Sörensen am Ende der Welt“ ist das 3. Hörspiel mit dem in die Einöde ins nordfriesische Katenbüll gegangenen Kommissar Sörensen. Diese kleine Hörspielstaffel des Autors und Regisseurs Sven Stricker hat sich in den letzten Jahren als medialer Hit mit Bjarne Mädel in der Hauptrolle entwickelt. Das erste Buch „Sörensen hat Angst“ erschien 2015 und wurde 2018 als Hörspiel adaptiert, 2020 für das Fernsehen verfilmt. Der zweite Krimi „Sörensen fängt Feuer“ folgte 2018 als Buch, Hörspiel und Hörbuch und soll gerade verfilmt werden. Das neue Hörspiel erscheint nun zeitgleich mit dem Hörbuch und den verschiedenen Buchausgaben. Alle Hörspiele wurden vom Deutschlandfunk Kultur produziert.

Die Downloadzahlen auf Youtube zeigen, dass auch Kopfkino einen richtigen Hype auslösen kann und der Sender goldrichtig liegt.

 

Die Story

Der Beginn des Hörspiels trifft ins Mark: Sörensens Vater ruft ihn an und amüsiert sich über seine Empfindlichkeit und Angststörung!

Sörensen ist Kommissar im nordfriesischen Katenbüll und bekommt es erneut mit einem Mordfall zu tun. Der beliebte Gymnasiallehrer Hansen wird mit einem Schraubendreher im Herz vom Tankwart des Ortes draußen am Koog tot aufgefunden.

 

Hier folgt ein genialer skurriler Dialog (Hörbeispiel 1):

Mit dem Besuch bei der Witwe beginnt die Spurensuche. Verwundert stößt Sörensen auf eine Familie von Preppern, die sich auf das Ende der Welt vorbereiten. Die Uhr tickt unerbittlich. Trotz seiner Alltagsprobleme arbeitet Sörensen als Polizist ohne Zögern, mit Entschlossenheit, sorgfältiger Beobachtung und konsequentem Befragen: der seltsame Bruder, die verprügelte Ehefrau, die innerlich gespaltene Prostituierte, ein plötzlich aufgetauchter Journalist. Alle haben irgendwie Dreck am Stecken, aber kommen sie, die auch verletzlich und menschlich sind, als Täter in Frage? Die Story legt viele Fährten, denen man aufmerksam folgt. Dennoch ist der zugespitzte Shut-Down am Ende unerwartet.

 

Die Themen

Natürlich handelt ein Krimi mit einem angstgestörten Kommissar zuerst mal von der Angst. Bei Sörensen ist es eine Krankheit, die ihn belastet, aber eine Zusammenarbeit mit den Kollegen und seine Arbeit nicht wirklich einschränkt. Angst haben auch die Prepper, nämlich vor dem Ende der Welt. Davon ist Sörensen weit entfernt. Es geht auch um die Angst der verprügelten Ehefrau vor der Flucht aus der Ehe, toxische Beziehungen, kaputte Familien oder der Angst der Prostituierten vor ihrer Zukunft. Das Hörspiel zeigt, dass uns diese „kleinen“ Ängste schon genug beschäftigen. Es hilft ein wenig, sich kleine Ziele zu setzen und den Alltag zu bewältigen, so wie Sörensen als Kommissar oder die Prostituierte, die Erzieherin werden möchte. Spannender als in diesem Krimi kann man solche Themen nicht verpacken.

 

Die Dramaturgie

Im Grunde genommen ist das Hörspiel ein Locked Room Mystery. So wie im zitierten „Mord im Orientexpress“ ist in dem beschaulichen Katenbüll, die Zahl der möglichen Täter begrenzt. Allerdings ist dies nun wirklich kein Regionalkrimi. Stricker verzichtet auf anbiederndes Plattdeutsch, sondern lässt vorsichtig nördliche Akzente durchklingen.

Ähnlich wie Poirot nähert sich Sörensen durch Befragung, Beobachtung und klassischer Polizeiarbeit der Lösung. So spannend die Schlussszene ist: Inhaltlich ist mir die Lösung zu unrealistisch und überzogen, bei diesem sonst so realen Krimi. Für mehr als 5% Abzüge beim Fazit reicht dieser Mangel aber nicht.

 

Der Hörer begleitet Sörensen in seinen Monologen und Telefonaten zu den verschiedenen Szenen. Dort treffen wir auf starke Typen und neue Wendungen, die die Spannung erhöhen.

Dennoch gibt es immer wieder Momente, die durch ihren feinen, etwas schwarzen Humor ein Schmunzeln hervorrufen. Ins Grübeln kommt man dagegen durch kurze, fast philosophischen Dialoge.

Das Team

Sven Stricker als Autor und Regisseur ist ein „alter Hase“. Hörspielliebhaber kennen ihn aus vielen guten und erfolgreichen Produktionen. Die Rolle des Sörensen ist dem Schauspieler Bjarne Mädel wie auf den Leib geschrieben. Hier passt wirklich Alles. Er wird unterstützt von weiteren renommierten Sprechern wie Felix von Manteuffel, Karoline Schuch und vielen mehr. Ihnen gelingt es brilliant die „Typen“, die Stricker entwickelt hat, zum Leben zu wecken. Sie geben dem Text genau den richtigen Ton. Der Text ist keine Literatursprache, sondern wirkt über weite Strecken wie im wirklichen Leben gesprochen.

Musik und Geräusche halten sich eher im Hintergrund, sodass man jederzeit den Text versteht, erhöhen aber die Lust am Lauschen. Dem Team gelingt es, wirklich tolles Kopfkino zu produzieren, das sich deutlich von einem Hörbuch oder dem klassischen Buch unterscheidet und anders als im Film, dem Hörer gestattet den Figuren in seinem Kopf eine eigene Gestalt zu geben.

 

Fazit

Für Bjarne Mädel Fans ein Muß, ebenso für alle, die das Werk von Stricker kennen und lieben. Für mich ein Hörspiel, dass auf der nicht existenten Hörspielbestenliste aktuell auf Platz 1 wäre. Es sollte Lust machen, die anderen Folgen zu hören, die Bücher zu lesen oder dem Hörbuch zu lauschen.

 

Das Hörspiel steht als Download beim DLF Kultur oder in der ARD Audiothek zur Verfügung.

Die Sörensen-Buchtrilogie:

https://www.amazon.de/S%C3%B6rensen-Ende-Welt-ermittelt-Band/dp/3499001217/ref=pd_lpo_2?pd_rd_i=3499001217&psc=1

Der Film „Sörensen hat Angst“ steht noch bis Ende September in der ARD Mediathek  zum Anschauen bereit.

Weitere Daten

Sörensen am Ende der Welt
Nach dem Roman von Sven Stricker
Bearbeitung und Regie: der Autor
Mit: Bjarne Mädel, Birte Kretschmer, Felix von Manteuffel, Karoline Schuch, Walter Kreye
Komposition: Jan-Peter Pflug
Ton und Technik: Thomas Monnerjahn und Gunda Herke
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2021
 

Länge: ca. 54'30

Links

https://www.radioeins.de/programm/sendungen/mofr1921/_/-soerensen-am-ende-der-welt--.html (Interview mit Sven Stricker)

ein weiteres Interview: https://youtu.be/1_tl9l_xqfo

https://youtu.be/Sxh63yjktO4 (Hörspiel auf Youtube)

Mittwoch, 17. November 2021

Waine Mc Lair: Aldermoor Asylum (08) – Steampunk für Anfänger


   Dankenswerter Weise veröffentlicht der Maritim Verlag seit kurzem wieder ältere Folgen der Wayne McLair - Reihe. Beim Steampunk handelt es sich um Geschichten, die im England um 1900 spielen, aber in denen zugleich hypermoderne Technikideen auftauchen. Dies lässt der Fantasie der Autoren und der Hörer einen breiten Raum. Dies Krimis sind ein wenig nostalgisch und Retro.

Wayne McLair, der Meisterdieb, basiert auf den Ideen des Autor Paul Burghardt, der bis heute alle Geschichten schreibt und ihn selbst spricht. McLair kann eine gewisse Nähe zu Arsene Lupin, der mit der Polizei, Katz und Maus spielte, aber auch zu Dickie Dick Dickens, nicht verbergen.

Diese Episode 8 wurde zuerst 2018 veröffentlicht und ist nun wieder erhältlich.

Die Episode

Wayne McLair ist frisch aus dem Gefängnis entkommen und wird unmittelbar zum Patienten in Prof. Belchleighs Nervenheilanstalt Aldermoor Asylum, indem er ihn für verrückt erklärt. McLair wird Opfer einer modernen Elektrokrampftherapie und überlebt nur, weil er einen alten Freund und nun Leidenskameraden trifft. Das unbehelligte Team McLair mit Quinn, Isabelle und Cait bereiten einen gemeinsamen Coup vor und infiltrieren die Maschinenfeste Smokestack, der Quelle aller Gefahren mit Vater Solomon als Kopf. Aber Prof. Belchleigh, der selbst unter Druck von Vater Solomon steht, hat eigene Pläne mit seinem prominenten Patienten. McLair wird urplötzlich in die geheimnisvolle Abteilung K verlegt wird.

Die Serie Wayne McLair

Eine Episode allein zu hören ist schwierig für den Einsteiger, weil viele Namen vorkommen, die man sich kaum merken okann. McLair ist eher etwas für eine Community von Gleichgesinnten, die sich Folge für Folge anhören, bestens geeignet zum Binge Hearing, wie wir es beim Fernsehen von Netflix kennen.

Aber insgesamt bietet diese Serie wirklich gute Unterhaltung. Ein wenig Nostalgie, ein wenig Futuristisches, tolle und teils sympathische Charaktere in einer guten Story. Tatsächlich hat man den Eindruck, die Story wird von den einzelnen Charakteren geprägt. Sie entscheiden, wie sich die Szenen entwickeln. Diese Szenen sind immer sehr einprägsam inszeniert: Im Behandlungsraum mit der Elektrokrampftherapie oder in einem klassischen englischen Pub mit seinem lauten Geflüster im Hintergrund. Jede Szene hat einen eigenen Stellenwert.

Man spürt auch,  dass sich der Autor um das kleinste Detail kümmert. Jeder Ton, jedes Geräusch wirkt stimmig.

Neben dem Meisterdieb gibt es noch als wichtige Rollen den grimmige Revolvermann Aidan Quinn, die Femme fatale Isabelle Chevalier und die freche Taschendiebin Cait Brown. Die Bösen sind die Mechanisten unter der Führung von Solomon Crompton.

Mit dieser Mischung aus nostalgischen Krimielementen, futuristischen Technikvisionen und Mystery trifft die Serie durchaus den Zeitgeist.

Das Ganze ist dann auch noch sehr professionell gemacht: Passende Langzeitsprecher, wunderschöne Musik, ausgewählte Hintergrundgeräusche und immer geschickt inszeniert.

Neue Softwareangebote ermöglichen, dass Hörspiele erscheinen können, die keinen riesigen Hörerkreis benötigen, um den hohen Aufwand zu refinanzieren. Der Autor Paul Burghardt zeigt mit seiner „Liga der Meisterdetektive“ bei Patreon, dass schon wenige tausend Patrone weitere Hörspiele mit add-ons je nach Abo ermöglichen.

Dauer  um die 60 Min.

Fazit

Die Serie Wayne McLair ist genau das richtige für alle die gut unterhalten werden wollen und bereit sind über den Tellerrand des reinen Krimis in andere Gefilde zu schauen möchten. Für manche kann es zur Sucht werden, anderen wird der Zugang immer fehlen. Neugier schadet aber n

Wertung

85 % 

Verfügbarkeit:

Bei Amazon und in den entsprechenden Streaming-Diensten. Für Tieftaucher gibt es auch ausführliche Fassungen mit Audio-Kommentar.

https://www.amazon.de/Aldermoor-Asylum-Wayne-McLair-8/dp/B077RY46N2/ref=rvi_2/257-1762863-0225443?pd_rd_w=tF8n9&pf_rd_p=36a8a7d2-ec16-43ea-8af4-5f5bb96e3289&pf_rd_r=V817SH4Y1AHCK2WV4DCK&pd_rd_r=8dc70ef1-0b85-4c6b-baf4-27d7eeb17ccc&pd_rd_wg=IjTnh&pd_rd_i=B077RY46N2&psc=1

Links und Infos:

https://diebelletristen.wordpress.com/2013/01/08/wayne-mclair-1-tom-jerry-im-viktorianischen-zeitalter/

https://www.youtube.com/watch?v=_9sVIqRzdNM

OhrCast 75-2 Rückblick Hörspiele im Februar Teil 2 ab Min. 55

https://de.wikipedia.org/wiki/Wayne_McLair_(H%C3%B6rspiel)

 

 

 

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