Sonntag, 13. Februar 2022

Professor van Dusen ermittelt (15. Folge: Zocker, Zossen und Zinnober)

 


Seit einiger Zeit veröffentlicht der Deutschlandfunk dankenswerter Weise die „alten Produktionen“ von Michael Koser rund um den Prof. van Dusen. Seit Dez. 2020 stellt der Sender pro Monat eine der 77 Episoden ins Netz. Die Hörspiele basieren auf der von Jacques Futrelle erfundenen Figur Prof. Dr. Dr. Dr. van Dusen und haben Kultstatus. Alle Fälle spielen im Zeitraum von 1898 – 1912, also der Epoche des Goldenen Zeitalters. Folge 15 wurde erstmals 1980 bei Rias veröffentlicht.

 

 

Der Inhalt der Episode

 

Für van Dusen handelt es sich bei Zocker, Zossen und Zinnober nach eigenen Aussagen um einen seiner schwierigsten, auf jeden Fall eigenwilligsten Fälle.

Van Dusen und sein Assistent und Chronist reisen nach Berlin. Kaum dort angekommen, bittet ihn ein angesehener Bankier um Hilfe: Sein künftiger Schwiegersohn ist der Spielsucht verfallen. Er ist nicht mehr bereit, für die Schulden aufzukommen, die vor allem in einem illegalen Spielclub entstehen. Van Dusen hat gerade mit den Ermittlungen begonnen, da wird der Spielclubbesitzer in der Wohnung des Bankiers tot aufgefunden. Hauptverdächtiger ist naheliegender Weise der Bankier, gegen den alle Indizien sprechen. Doch van Dusen bietet der Polizei seine Unterstützung an. Van Dusen arbeitet eng mit der Polizei zusammen und taucht tief in die Unterwelt ein. Dank seiner sorgfältigen Beobachtungen und messerscharfen Analysen gelingt es ihm, die Unschuld des Bankiers zu beweisen.

 

 

Die Episode

 

Van Dusen und sein Chronist sind wie ein altes eingespieltes Ehepaar der Jahrhundertwende: Das Superhirn van Dusen erteilt Aufträge, die sein Assistent brav befolgt. Schon sehr schnell schlägt sich der Hörer auf die Seite des ehrbaren und sympathischen Bankiers, der unmöglich der Täter sein kann. Das Gegenstück ist der Gardeoffizier, dessen gestelzte Sprache die Verkörperung eines herrischen, selbstverliebten preußischen Militärs ist. Auch wenn van Dusen sich in der Unterwelt rumtreibt, kommen doch kaum andere Täter in Frage. Die Spannung entsteht aus der Frage, ob der Offizier der Täter ist und wie er es hätte anstellen können. Aber die Denkmaschine findet mit Unterstützung der Polizei den Täter.

Die Episode wird gemächlich, wie es sich für die Zeitenwende um 1900 gehört, erzählt. Jede Figur hat eine eigene Sprache und Wortwahl. Hier wird keine Anbiederung an die Gegenwart versucht. Das liest man schon im Titel: Kaum einer der Jüngeren kann mit Worte wie Zossen oder Zinnober etwas anfangen. Zocker gibt es immer noch reichlich.

 

Die Koser-Krimis

 

Die Hörspiele um die Denkmaschine haben bis heute Kultstatus und eine treue Hörerschaft. Dazu hat sicher beigetragen, dass Autor und die beiden wichtigen Sprecher über viele Jahre konstant miteinander gearbeitet haben und damit die Figuren organisch entwickeln konnten. Alle Fälle haben immer die sympathische Atmosphäre der Jahrhundertwende und beeindrucken vor allem durch immer neue, überraschende Ideen. Kriminalistisch gesehen ist vieles nur Durchschnitt. Die Orte sind über die ganze Welt verteilt und immer neue Spielorte machen auf jede Folge wieder neugierig. Die Episoden bleiben bis zum Schluss dennoch spannend, häufig findet sich ein leicht ironischer Ton. Gerne verweist Koser auf tatsächliche Bezüge oder Personen der Zeit.

Man wird sich in diese Krimis entweder verlieben oder sagen: So einen Quatsch hör ich mir nicht an.

Die Fangemeinde hat in vielen Websites und Dokumenten umfangreiche Information für den interessierten Hörer zusammengetragen.

 

van Dusen lebt

 

Legendär sind die Musik und die Cover zu den Hörspielen. Inzwischen gibt es auch van Dusen Comics.

Die Person van Dusen ist längst nicht mehr urheberrechtlich geschützt und so war zu erwarten, dass neue Produkte um den Professor nicht lange auf sich warten lassen.

Highscore Musik bietet ab 2010 digital remasterte Versionen der klassischen Fälle an und produziert mit den Titeln „Neue Fälle“, „Sherlock Holmes und Co.“ sowie „Die Denkmaschine“  Nahrung für den begeisterten Hörer. Holysoft startet seit Anfang 2022 mit einer neuen Reihe um den Prof.

 

 

Fazit

 

Dank toller Sprecher, Musik und Szenerien können die leicht verstaubten Klassiker immer noch gut mithalten im Wettbewerb um die Hörer. Solch sprachliche Sorgfalt ist eher selten zu finden.  Eine schöne Milieustudie für die Zeit um 1900. Als Krimi eher eine etwas schwache Story.

Eine Kostprobe gefällig?

 

Wertung 80%

 

Dauer 46 min

 

Verfügbarkeit

 

Jeden Monat eine neue Folge in der ARD-Audiothek oder sämtliche Folge bei Amazon und den gängigen Streamingdiensten:

 

https://www.amazon.de/Zocker-Zossen-Zinnober-Folge-15/dp/3960660766/ref=sr_1_1?__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=38GEMQCZ8A1ZF&keywords=van+dusen+zocker&qid=1643625606&s=music&sprefix=van+dusen+zocker%2Cpopular%2C64&sr=1-1

 

Links       


Wikipedia van Dusen


Die van Dusen Enzyklopädie im Netz


Die wichtigsten Infos aus den Hörspieltipps

 

Das allscore-Angebot



 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fette Beute – Die Hammer Looser auf der Erfolgsspur

 

 

© ARD / Jürgen Frey

Dem WDR ist es gelungen, mit dem schrägen Team aus Hamm einen Publikumsliebling in der Radio Tatort-Reihe zu etablieren. In der Task Force Hamm haben sich die Versager der Polizeiarbeit versammelt, um anderswo keinen Schaden anzurichten. Schräge Typen mit Spitzensprechern sind ja schon spannend anzuhören, aber dem Team gelingt es immer wieder, Fälle unkonventionell zu lösen. Der WDR legt im Jan. 22 den 17. Radio Tatort mit dem Hammer Kommissar Lenz (163 Radio Tatort) vor.

 

Der Inhalt

 

Hamm kommt nicht zur Ruhe. Lenz wird beim Fritten- und Frikandellenkauf für die Task Force durch die Sprengung eines Bankautomaten schwerst verletzt. Trunken wie immer gelingt es ihm aber, im Telefonat mit den Kollegen noch einen Namen zu nennen, bevor er ins Koma fällt und auf die Intensivstation muss. Tagelang ringt er mit dem Leben.

Die Task Force ist erschüttert, aber entschlossen, die letzten Worte von ihm ernst zu nehmen. Dieses junge Mädchen ist vor 20 Jahren ermordet worden, ohne je einen Täter zu überführen. Was hat Lenz gesehen? Die Task Force begibt sich in ihrer unnachahmlichen Art auf Spurensuche. Unterbrochen durch obskure Telefonate mit dem ehemaligen Kollegen Scholz. Abgelenkt durch komatöse Träume von Lenz, der zwischen Wirklichkeit und Vision immer wieder über den Fall spricht?!

Wieder gelingt es dem Team den eigentlich vergessenen Fall noch zu lösen und wie durch ein Wunder wird auch Lenz wieder gesund.

 

Ein verändertes Setting

 

Jahrelanger Erfolg hält nur bei stetiger Veränderung an.  So auch beim Hammer Tatort. Vorderbäumen ist tot, Scholz abgetaucht und nun verfällt Lenz auch noch ins Koma. So geraten Ditters und Latotzke zu den Hauptfiguren, was dem Hörspiel sehr gut bekommt.

Ditters ist der ruhende Pol in dem Team, bleibt auch beim größten Unsinn sachlich und zielstrebig. Die tolle Sprecherin Christine Prayon hat diese Aufwertung verdient. Latotzke ist nicht mehr nur ein sprücheklopfender Sidekick, sondern ein ortskundiges, erfahrenes Teammitglied.

Autor und Regie nutzen den Baukasten für Hörspiele intensiv. Wir sind an der Pommesbude, in einer Eisdiele, im Altenheim und und und. Die Stimmen kommen aus dem Mund, dem Telefon und dem halben Jenseits (!). Das Alles wird zügig gespielt und spannend inszeniert. Es gibt auch anrührende Szenen wie zum Beispiel im Pflegeheim.

Und immer wieder Koma-Szenen mit Lenz, dessen Visionen und Träume real zu sein scheinen. Überhaupt ist die Frage nach Gewissheit ein Motiv, das sich durch diesen Krimi zieht. Scholz hat die Details des alten Falls im ersten Telefonat alle blitzschnell und genau parat, gleitet aber mehr und mehr in einen quer denkenden Phantasten ab.

Es geht interessanterweise kaum um den Banküberfall, der Lenz fast das Leben kostet, sondern um einen Cold Case, den Ditters und Latotzke nach mehr als 20 Jahren lösen können. Konfrontiert mit nachlassenden Erinnerungen beginnt der Krimi ein Spiel mit dem schrägen Scholz Scholz, dem Traumpatienten  Lenz und der nüchternen Alltagsarbeit von Ditters und Latotzke. Da muss der Hörer schon aufpassen, den Faden und die Geduld nicht zu verlieren.

 

Fette Beute

 

Ditters und Latotzke gelingt tatsächlich eine fette Beute. Lenz findet den Weg ins Leben zurück, der Mörder wird entlarvt und kann endlich besser mit seinen Schuldgefühlen umgehen, die Schulfreundin hat nun eine Gewissheit, die es vielleicht gar nicht gibt

 

Fazit

 

Der Hammer Tatort findet totz mancher Länge zu alter Stärke zurück, Gratulation. Es tut einer Langzeitserie wie dem Radio Tatort  gut, wenn Form und Inhalt gelegentlich die Grenzen überschreiten.

 

Wertung 90%

 

Dauer 53 min

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Mediathek und beim WDR; dort sogar mit einem hörenswerten Trailer zur Einführung

 

 

Links

 

Nähere Information 

 

Ein netter Trailer zur Einführung

 


 

 

 

 


Dienstag, 1. Februar 2022

Wo du hingehst – Frankenkrimi mit Niveau

 

© Bayerischer Rundfunk

Der Bayerische Rundfunk startet mit diesem Hörspiel einen neuen Krimipodcast mit Melitta und Stern, die im Fränkischen zu Hause sind und sich auf weniger spektakuläre Fälle stürzen. Der BR ist nicht unerfahren mit Regionalkrimis. Die Tatort-Folgen mit der Polizeiinspektion Bruck am Inn waren bei den Hörern außerordentlich beliebt. Die Autorin Katja Röder hat für den Radio-Tatort eine Reihe von Krimis geschrieben, die hörbar im Schwäbischen beheimatet waren, allerdings eher etwas behäbig daherkamen. Also lassen wir uns überraschen.

 

Der Inhalt

 

Melitta ist eine junge Frau mit Asperger-Syndrom, die ihr Kloster verlässt, um ihren Vater, dem Baron in Franken auf seinem Landgut zu helfen. Sie war im Kloster, um innere Ruhe zu finden und geht verlässt ihre Ruhebasis mit gemischten Gefühlen. Ihr engster Freund im Kloster war der Gärtner Anton Stern. Sie verbindet die Liebe zur Natur und zur Heimat. Auch Anton ist nicht „normal“. Er hat im Kloster Obhut gefunden, weil er gerne mal vergisst, beim Tanken zu zahlen.

Kaum auf dem Gutshof angekommen, wird Melitta mit der wirklichen Welt konfrontiert. Die Gegend wird von einer Diebesbande unsicher gemacht, das landwirtschaftliche Großgeräte wie Mähdrescher oder Traktoren stiehlt. Auch ihr Vater ist betroffen: Ihm wurde ein Baum-Harvester gestohlen, der nicht versichert ist.

Der Weg zur Polizei ist ernüchternd. Melitta wird unlustig mitgeteilt, dass man sich bemühe und sie Geduld haben müsse. Diese Geduld hat Melitta nicht. Sie begibt sich auf die Suche nach den Dieben und bittet Anton, den Kleinkriminellen um Unterstützung.

Die Beiden starten nun grundsolide Detektivarbeit: Entwickeln Hypothesen, verfolgen Verdächtige, befragen Opfer. Melitta treibt die Suche immer wieder mit blitzgescheiten Ideen, Anton mit Mut und viel Fleiß voran. Je näher sie den Tätern kommen, umso gefährlicher wird die Situation für die Amateurdetektive.

 

 

Ein paar Grundmotive

 

Der Anspruch ist hoch. Die Autorin deutet am Ende selber auf eine gewisse Nähe zu Sherlock und Watson hin. Melitta arbeitet stark deduktiv und systematisch. Dennoch blitzen immer wieder neue, mutige Ideen auf. Anton ist der solide Partner, ohne den es nicht geht. Die Polizei gibt sich Mühe, kommt aber nicht voran. Die beiden Amateurdetektive sind ein sympathisches Paar, dass kongenial zusammenarbeitet. Wenngleich Anton ein wenig in Melitta verliebt erscheint, spielt dieses Thema, wie überhaupt Befindlichkeiten, keine Rolle.

 

Wo du hingehst ist ein Regionalkrimi. Im Mittelpunkt dieses Hörspiels stehen das Leben und die Nöte der Landwirte in der Region. Dies alles wirkt nicht platt, sondern ehrlich und mitfühlend. Die Befragung der betroffenen Landwirte ist ein tolles Panoptikum fränkischen Lebens.

 

In diesem Hörspiel geht es nicht um Mord und Todschlag, sondern um schwerkriminelle Alltagsdelikte. Dies soll wohl auch in den folgenden Episoden so sein. Dennoch gelingt es der Autorin eine spannende Geschichte zu erzählen, in der man als Hörer immer mal wieder überlegt: Wie kommen die beiden da wieder raus ?

 

Der Hörgenuss

 

Die Regie nutzt wirklich alle Register, um das Lauschen zu einem Hörfest zu machen. Die Vielfalt der tollen Stimmen ist beeindruckend. Den Sprechern von Melitta und Stern gelingt es, Charaktere erscheinen zu lassen, so vielfältig ist ihre Bandbreite an Ausdruck. Und natürlich die vielen fränkischen Bauern, die man bei der Befragung hört und man sich im Kopf ein Bild macht.

Die Regie nutzt die Geräuschkulisse, die die Autorin angelegt hat, weidlich. Man hört Mähdrescher, Hundegekläff, flüsterleise Handygespräche, Glocken und und und. Das liegt auch an den vielen, eher ungewöhnlichen Hörplätzen: Kloster, Schloss, Bauerhöfe, Autobahnrastplatz usw.

 

Die Szenen und Spielorte sind überschaubar. Der Hörer kann immer gut folgen, selbst wenn er/sie mal eine Hörpause einlegt. Mal geht es beschaulich zu, dann wieder wird es hektisch. Es bleibt spannend bis zum Schluss.

 

Wo Licht ist, ist auch Schatten

 

Die Handlung wirkt manchmal doch sehr konstruiert, da wünscht man sich für weitere Folgen, etwas mehr Logik und Wirklichkeitsnähe. Die Polizei schneidet schlecht ab. Wie in vielen Filmen wirkt sie etwas naiv, überfordert, überheblich und dumm. Das ist nicht stimmig, in dem sonst differenziert vorgehenden Stück.

Warum im öffentlich – rechtlichen Rundfunk neuerdings immer mehr oder weniger Kriminelle zur Lösung des Falles beitragen, erschließt sich mir nicht wirklich.

 

 

Dauer 45 Min.

 

Fazit

 

Trotz kleiner Schwächen kann man dieses Hörspiel uneingeschränkt empfehlen. Weit entfernt von hard-boiled Stories wird hier eine spannend inszenierte, im wahrsten Sinne des Wortes hörensweite Episode geboten. Ich freue mich auf weitere Folgen.

 

Wertung

90 %

 

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Audiothek oder im BR Hörspielpool

 

Links

 

Alle wichtigen Infos wie immer bei den Hörspieltipps

 

Interview mit der Autorin Katja Röder

Zusatzinfo von der Regisseurin Stefanie Ramb

Mord in fünf Tagen - Ein Hörspielwerkstatt - Podcast

    Der Bayerische Rundfunk erfreut seine Hörer nicht nur mit Holmes-Klassikern aus den 1960-er Jahren, sondern wagt auch...