Donnerstag, 27. Januar 2022

Ein Fall für Sherlock Holmes – Shoscombe Old Plasce

 


Die Episode “Ein Fall für Sherlock Holmes - Shoscombe Old Place” ist eine von insgesamt 8 Hörspielen um Sherlock Holmes, die der SWR im Nov. 2021 in der Audiothek zur Verfügung gestellt hat. Sie wurden zu Beginn der 80-Jahre produziert und basieren auf sog. Kanon-Erzählungen, also den Kurzgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle. Shoscombe Old Place wurde zuerst 1927 veröffentlicht.

 

Die Handlung

 

Der Trainer eines Pferdegestüts wendet sich an Sherlock Holmes: Sein Chef Sir Norberton plant abenteuerliche Tricks, um das nächste Rennen zu gewinnen, denn er ist finanziell am Ende. Er gefährdet damit aber den Ruf des Gestüts und die Arbeitsplätze.

Es klingt für Holmes abenteuerlich genug, um sich auf den Weg zu machen und den Fall zu übernehmen.

Kaum im schönen Angelrevier angekommen, stellt Holmes tatsächlich eine Reihe mysteriöser Umstände fest. Die eigentliche Besitzerin des Gestüts, seine Schwägerin Lady Falber, taucht nur aus der Ferne auf, ihr geliebter Hund wurde ihr vom Lord weggenommen. Der Lord selber treibt sich gelegentlich in der Familiengruft rum.

 

Das Hörspiel

 

Regie und Sprecher machen alles richtig. Holmes und Watson sind stimmig und müssen den Vergleich mit berühmten Vorgängern nicht scheuen. Es ist nicht einfach, sich in diesem Hörspielgedränge zu behaupten. Die einzelnen Szenen sind knapp und anhörlich. Die Spielorte wecheln, ohne dass man den Überblick verliert. Die Atmosphäre ist stimmig.Die beiden Sprecher haben weniger einprägsame Stimmen, aber sie finden die richtigen Zwischentöne für ihr Doppelspiel. Auch heute noch ist die Ragtime-Zwischenmusik ein Genuss.

Diese knappen 30 Minuten machen neugierig darauf, sich in die nostalgische Welt der Holmes-Hörspiel zu begeben. Die Story um Shoscombe Place liegt in 4 verschiedenen Versionen vor.

 

 

Die Holmes Hörspiele

 

Allein im Jahr 2021 sind mehr als 50 Hörspiele rund um Sherlock Holmes veröffentlicht worden.  Fast alle zu kommerziellen Zwecken. Seit 1947 sind mehrere hundert Hörspiele erschienen. Allein in der ARD-Hörspieldatenbank sind 80 Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender aufgeführt.

Die Mehrzahl sind sog. Pastiche, die lediglich die Figuren übernehmen. Doyle selber hat nur gute 60 Kurzgeschichten verfasst.

Die erste große Hörspielserie stammt vom Bayerischen Rundfunk, mit dem berühmten Peter Pasetti, gefolgt vom Saarländische Rundfunk und etwas später der heutige SWR. Seit 2013 gibt es im Rundfunk nichts Neues zu Holmes mehr.

Mit mehr als 60 Produktionen (2003-2011), die alle auf dem Kanon beruhen, hat der Maritim Verlage (Sherlock Holmes Originals) den Goldstandard definiert. Die Hörer sind den beiden inzwischen verstorbenen Sprechern Christian Rode und Peter Gröger bis heute treu.

Angesichts der Vielzahl der Angebote ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Manchmal werden Nebenfiguren zum Serienhelden. Oder die Story in die Gegenwart übertragen.

Da hilft ein Blick aufs Sherlock Holmes Wiki, in dem auch sorgfältig alle Hörspiele aufgelistet werden.

 

Das Phänomen Sherlock Holmes

 

Holmes war nie eine reale Person. Holmes ist eine Allegorie, die es so nie geben könnte. Genau daher eignet er sich als Vorlage für Romane, Filme und Hörspiele so gut: Er lässt innerhalb eines gewissen Rahmens viel Spielraum für die Phantasie. Und jedes Medium nutzt seine eigenen Möglichkeiten.

Holmes und Watson sind als Team originell, gelegentlich skurril, aber sympathisch. So wie sie sich arrangieren, könnte sich manch Ehepaar wiederfinden. Die Storys lesen sich wie die Vorlage zu einem Drehbuch: unterschiedlichste Personen, attraktive Orte und brillante Dialoge.

In Shoscombe Old Place finden sich alle Beispiele, die Holmes auch in der Gegenwart so reizvoll machen:

Wechselnde attraktive Orte wie Landsitz, Reitstall, Gruft, schlichtes Gasthaus machen neugierig. Die handelnden Personen sind über alle Schichten verteilt: Lord und Lady, Pferdetrainer, einfacher Gastwirt, Schauspieler. Selbst Tiere (Pferde, Fische, ein Hund) spielen aktiv mit.

Die Holmes-Geschichten verknüpfen die wichtigsten Hörspiel-Gattungen. Strenge kriminalistische Handlung, ein wenig Grauen und Mystery (Der Lord gräbt eine Leiche aus !!) und das alles mit viel Phantasie und ein wenig Ironie verknüpft.

Für einen Detektiv ist übrigens Holmes Auffassung von Recht und Gesetz zumindest eigenwillig: Er sieht sich nicht als Hüter von Recht und Ordnung und lässt schon mal alle fünf gerade sein.

 

Fazit

 

Diese kleine SWR-Reihe ist ein vorzüglicher Einstieg in die Welt des Sherlock Holmes. Es lohnt sich, in die viktorianische Welt des Vertrauten und Ruhigen einzutauchen und dennoch spannende Unterhaltung zu erleben.

 

Wertung 90 %

 

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Mediathek

Links

Die wichtigsten Infos aus Hörspieltipps

Umfassende Infos über Hörspiele und anderes mit Sherlock Holmes

 

 

Das blaue Herz, Teil 1 – Start mit Hürden



 

Die Streaming-Dienste demokratisieren unzweifelhaft die Hörspielszene. Für wenig Geld stehen nahezu alle kommerziellen Hörspiele zur Verfügung. Der Nachteil dieser Demokratisierung ist, dass es kaum Möglichkeiten gibt, die guten von den schlechten zu unterscheiden. Für die Produzenten geht gelegentlich Masse vor Klasse.

Auch Wolfy-Office begibt sich nun mit hohem Aufwand und hoher Produktionsqualität in den Markt der Kriminalhörspiele.

 

Der Inhalt

 

Der pensionierte Kommissar Hans Berg macht sich im tiefsten Winter auf, um seine Frau in der Kur zu besuchen. Er hat das Gefühl, sie habe eine Affäre begonnen und muss nach dem Rechten sehen.

Trotz aller Wetterwarnungen setzt er sich ins Auto, um die lange Strecke zu bewältigen. Unterwegs wird er am späten Abend von einem massiven Wintereinbruch überrascht. Das Autoradio empfängt nicht mehr und zu allem Unglück macht auch noch eine Schneelawine die Weiterfahrt unmöglich. Berg steigt aus, um Hilfe zu suchen. Zu seiner Erleichterung sieht er ein großes blaues Herrenhaus und begibt sich dorthin.

Berg wird freundlich vom Hausmeister eines Mädcheninternats begrüßt. Allerdings kommen ihm sehr schnell einige Dinge unheimlich vor: Wieso ist dieses riesige, unheimliche Haus so leer? Was macht ein Internat abgeschieden von guten Telefonverbindungen und in the middle of nowhere? Im Internat befinden sich nur noch drei „übriggebliebene“ Mädchen und die Leiterin mit ihrem Hund. Berg möchte am liebsten weiterfahren, kann aber nicht weg und darf über Nacht bleiben.

Er bekommt das unheimlich wirkende Panoramazimmer und schlägt sich die Nacht um die Ohren, indem er durchs Haus schleicht und lauscht, was die anderen so treiben. Die Mädchen führen offensichtliche Zickenkriege und der Hausmeister scheut offenbar vor Affären mit den Schülerinnen nicht zurück. Richtig unheimlich wird es aber, als am frühen Morgen der Hausmeister ermordet vorgefunden wird. Abgeschnitten von der Außenwelt startet der Ruheständler wieder seine kriminalistische Arbeit.

 

Das Hörspiel

 

Die Dramaturgie entspricht einem alten bewährten Hörspielkonzept: überschaubare Handlung, nicht zu viele Akteure, Sympathieträger und ein wenig Spannung, gerne auch mit etwas Mystery. Zumindest in dieser ersten Episode ist die Anzahl möglicher Täter ja überschaubar wie in den closed-room-Krimis. Das Alles wird umrundet und begleitet von einer aufwändig produzierten, spannungssteigender Musik.

 

Die Stimmung des blauen Hauses spiegelt sich in der seltsamen Leiterin und dem janusköpfigen Hausmeister. Die pubertären Mädchen schwanken zwischen inniger Liebe und ernsten Zank und braver Regeltreue oder über die Stränge schlagen.

Die Sprecher machen einen soliden, guten Job, die Mädchen haben leider die typischen , schrillen Reklamejungmädchenstimmen. Da haben die Produzenten offenbar die Jugend als Zielgruppe im Visier, was sich auch an der teils ordinären Sprache („Was für eine Kacke“) erkennen lässt.

Wirklich spannend wird das Hörspiel erst in den letzten Minuten. Bis dahin gibt es einige schöne Hörszenen: Wie der Kommissar versucht, im Autoradio einen neuen Sender zu finden, die Internatsleiterin auf der Suche nach ihrem kläffenden Hund.  Oder die Dialoge der Mädchen, die sich um Lust auf oder Angst vor Sex drehen.

Hier hätte man aber deutlich kürzen können und inhaltlich das Spiel mehr vorantreiben müssen.

Der Autor sollte unterstützt werden, um inhaltliche Ungereimtheiten und Fehler bei dieser aufwändigen Produktion zu vermeiden. Jedenfalls macht das Hörspiel neugierig auf den zweiten Teil, der hoffentlich weniger dialoglastig ist und mehr Tempo hat. Wenn der Kommissar durch das Gebäude läuft und langatmig schildert, was er sieht, ist die Hilflosigkeit des Autors mit dem Medium Hörspiel greifbar

 

Marketing

 

Wolfy betreibt ein informatives Marketing. Auch wem das Hörspiel nicht gefällt, kann auf Youtube das Making-off mit Interviews der Mitwirkenden verfolgen und viel über Hörspielarbeit (auch unter Corona-Bedingungen) lernen. Warum das Hörspiel den Titel „Blaues Herz“ heisst, erschließt sich aus dem 1. Teil allerdings noch nicht.

 

Fazit

 

Das Hörspiel lässt sich schwer einordnen. Man hört, dass es mit viel Aufwand und Herzblut produziert wurde. Aber es ist nicht spannend genug für einen Krimi, nicht grauenhaft genug für Mystery. Etwas plump für erwachsene Hörer, zu langatmig für die junge Generation.

 

Wertung 65%

 

Links

 

Die wichtigsten Infos aus Hörspieltipps

 

Informativer Trailer mit den Stimmen und Infos

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.amazon.de/s?k=das+blaues+herz&i=digital-music&__mk_de_DE=%C3%85M%C3%85%C5%BD%C3%95%C3%91&crid=1J116P7LWD4OP&sprefix=das+blaues+herz%2Cdigital-music%2C75&ref=nb_sb_noss

 

als Stream auch bei Amazon unlimited

 

 


Mittwoch, 5. Januar 2022

Killer und Kollegen – Ein Radio Tatort als Überzeugungskrimi

 

Illustration »Killer und Kollegen« | © ARD / Jürgen Frey


 

Das im Dez 2021 veröffentlichte Originalhörspiel ist die dritte Episode um die Kommissare Hosnicz und Rosenberg des Bayerischen Rundfunks.Sie knüpft lose an die zweite Episode vom Dez. 2020 an. Autor ist der renommierte Krimiautor Franz Dobler. Diese Episoden stehen im Wettbewerb zu den älteren, bei den Hörern sehr beliebten Folgen um die Polizei  in Bruck am Inn.

 

 

Der Inhalt

 

Hosnicz und Rosenberg müssen eine verdächtige Person überwachen und langweilen sich zu Tode. Zum Glück erhält Hosnicz einen hoffnungsvollen Anruf: Die inhaftierte Mittäterin eines Banküberfalls möchte eine Aussage machen! Die Kommissare hatten vor kurzem erfolgreich einen Banküberfall aufklären können und drei der vier Tätern überführen können. Zur vierten Person führte keine Spur und alle anderen Täter verweigerten die Aussage. Vielleicht besteht nun Hoffnung. Die Forderung der Täterin Franziska ist allerdings hoch: Sie möchte nach einer Aussage freigelassen werden. Trotz Problemen mit ihrer Chefin gelingt es den Kommissaren ein Gespräch mit der Täterin an einem geheimen Ort zu führen. Sie kennt den Täter, aber nicht seinen Namen und erinnert sich schlecht. Hosnicz und Rosenberg helfen ihr durch eine Hypnose ihre Aussage präziser zu formulieren. Offenbar ist die vierte Person ein Polizist. Aber kann man der Aussage trauen?

Nun sind Eile und höchste Geheimhaltung geboten. Die beiden müssen intern ermitteln, mit ihrer Vorsetzten streiten und stoßen immer wieder auf das Schweigen des polizeilichen Corpsgeists. Gleichzeitig müssen sie ihre Informantin schützen.

Es beginnt ein spannender Wettlauf mit der Zeit, der mit einem Desaster für die Polizei endet.

 

Tadel und Lob

 

Sehr schnell wird klar, dass es sich hier um einen Krimi handelt, der die Korruption in der Polizei zum Thema hat. Für den Autor Dobler ist die Polizei durchsetzt von korrupten Polizisten und damit nicht mehr in der Lage, für Sicherheit zu sorgen. Damit leidet naturgemäß die Spannung, weil man ja schon ahnt, dass die Ermittlungen wegen der korrupten Kollegen scheitern werden.

 

Richtige Spannung kommt erst, etwas unvermittelt, in den letzten Minuten auf. Es scheint inzwischen Standard zu sein, dass Radio Tatort- Kommissare gute Kontakte zu Kriminellen haben. Hypnose kommt ja auch nicht das erste Mal in einem Radio Tatort vor. Hosnicz ist mit der Inhaftierten per Du und bringt sie bei sich zu Hause unter, um sie zu schützen. Mir persönlich würden da bessere Alternativen einfallen, wenn ich Angst vor den eigenen Kollegen hätte.

 

Die Stärke des Hörspiels liegt in den Dialogen. Rosenberg monologisiert während der Observation schier endlos über den Musiker und legendären Postzugräuber Ronny Biggs, während Hosnicz nur mmh oder ja sagt. Wie im echten Leben. Den beiden leicht intellektuellen Kommissaren hört man sowieso gerne zu. Oder die Gespräche der beiden mit Ihrer Chefin, in denen die beiden zwischen Ermittlerehrgeiz und Hilflosigkeit schwanken. Die Befragung der Täterin, die offensichtlich auch lügt, aber womöglich nicht nur. Tolle hörenswerte Szene. Auch die Minuten der Hypnose-Szene wirken extrem glaubwürdig.

Die Kommissare sind ein sympathisches Team. Dies ist sicher den tollen Sprechern zu verdanken, die Texte zu Charakteren formen.

Schön, dass die Musik von Das Hobos hier noch ein hörenswerter Teil des Krimis ist und nicht nur Geräuschebeiwerk. Ronny Biggs hat ja bei den Sex Pistols musiziert, deren Titel „No one is innocent“ gleichsam eine Überschrift für dieses Hörspiel sein könnte.

Der Krimi spielt eindeutig im städtischen Milieu mit leichtem bayrischen Einschlag und damit eine berechtigte Fortsetzung zu der Idylle von Bruck am Inn.

 

Fazit

 

Ein Radio Tatort, der sich eher für text-und sprachverliebte Hörer eignet. Trotz einiger gelungener Szenen hält sich die Spannung in Grenzen. Aber auch andere Tatort-Teams haben eine Weile gebraucht, um richtig stimmig zu werden.

 

Wertung 75%

 

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Mediathek und beim Bayerischen Rundfunk

 

Links

https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=4992607&vi=1&SID

 

https://hoerspiele.dra.de/kurzinfo.php?AUT=Franz%20Dobler&SID

 

https://www.franzdobler.de/

 

https://www.franzdobler.de/2021/12/11/killer-und-kollegen-2/

 

https://www.br.de/mediathek/podcast/artmix-galerie/no-one-is-innocent-franz-dobler-ueber-seinen-ard-radio-tatort-killer-und-kollegen/1844751

Der blonde Affe – Ein van de Wetering Krimi



Dem aktuellen Erfolg von Kriminalhörspielen in Radio und Podcast ist es zu verdanken, dass die Sender alte Produktionen wieder ausgraben und erneut vorstellen.

Der SWR stellt etwas lustlos seine zahlreichen Hörspiele aus den 80-Jahren um den Commissaris ins Netz. Autor ist der niederländisch-amerikanische Autor Jan Willem van de Wetering. Regie und Bearbeitung in allen Fällen: Peter Michel Ladiges.

Sie spielen zumeist in dem seinerzeit verruchten, aber bestaunten Amsterdam, in dem bereits Mitte der 70-Jahre Cannabis für den Eigenbedarf freigeben wurde.

 

Diese Krimireihe ist eher in sich gekehrt, auf die Innenwelt der Personen bezogen. Sie ist in gewisser Weise eine Reaktion auf die politischen und sozialen Krimis des Ehepaars Sjöwall/Wahlöö der vorhergehenden Dekade.

 

 

Der Inhalt

 

Die Assistenten Grijpsta und de Gier haben einen entspannten Nachmittag im Dienst vor sich. Draußen stürmt es und sie jammen mit Schlagzeug und Flöte, weil selbst die Diebe und Mörder nicht aus dem Haus gehen. Doch ein Anruf reisst sie aus den Träumen. Eine Frau ist beim Sturz von der Veranda tödlich verletzt worden. Lustlos machen sie sich auf den Weg, um den Unfall zu dokumentieren. Erst im Auto wird Ihnen bewusst, was diese Adresse bedeutet. Genau dort wurde vor einer Woche ein Hund vergiftet. Ihre Neugier erwacht und erste Zweifel über den Tathergang tauchen auf. Doch am Tatort stellen sie fest, dass die Tote Alkoholikerin war, allerdings am Abend des Todes nicht allein war. So beginnen systematische Ermittlung. Erster Verdächtiger ist „Der blonde Affe“, ihr blondgeschopfter, ehemaliger Geliebter, der als Lebemann vor allem sein eigenes Wohl im Auge hat. Der Hörer geht jetzt mit den Ermittlern durch eine Art Madame Tussaud Panoptikum der Verdächtigen. Alles Menschen mit besonderen Eigenschaften. Die alleinstehende Tochter, der verzweifelte und verschuldete Teilhaber ihres Möbelgeschäfts, der italienische Lieferant mit seinem zwielichten Sohn, die Mörder des Hundes. Auch zwei ältere Damen, die alles gesehen haben, dürfen nicht fehlen.

 

Unique Selling Points

 

Wie auch die anderen Episoden der Serie ist auch dieses Hörspiel durch einige hervorstechende Merkmale geprägt.

 

1.Die ruhige Erzählweise

Ein Erzähler führt durch die Handlung, immer in ruhigem, beiläufigen Ton, der sich auch bei den anderen Figuren wiederfindet. Der blonde Affe flieht kurz vor der Polizei, begrüsst sie aber ganz freundlich und nett in einem Café. Immer ganz easy und locker.

 

2. Die Musik

Diese Stimmung wird durch die begleitende jazzige Musik von Schlagzeug und Flöte   intensiviert. Sie durchzieht das ganze Hörspiel, mal lauter im Vordergrund, mal leise im Hintergrund.

 

3. Die Sprecher

Dem SWR ist es gelungen, das Beste an Sprechern aufzubieten, was es seinerzeit gab. Und das Team wurde für die ganze Reihe zusammengehalten. Christian Brückner ist hier nicht Teil des Teams, spricht aber die Hauptrolle.

4. Personen vor Handlung

Obwohl spannend und abwechslungsreich geht es mehr um die Figuren, ihre Seele, ihre Motive als um die Handlung. Gegen Ende des Hörspiels nimmt man eher gelassen zur Kenntnis, ob und wer die Möbelhändlerin getötet hat.

 

Misc.

 

Diese Episode verirrt sich allerdings etwas zu häufig. Eine wilde Schießerei auf dem Friedhof (!!) ergibt keinerlei Sinn. Die titelgebende Figur des „Blonden Affens“ wirkt nicht stimmig. Einzelgänger, aber erfolgreicher Verkäufer. Dicker Rolls-Royce aber immer klamm. Di

 

 

Fazit

 

Dieses Hörspiel ist, wie die ganze Serie, ein Muß  für den Liebhaber von Krimis im Radios.

Dramaturgie und Sprecher at it´s best. Die musikalische Begleitung ist legendär. Hoffentlich gräbt der SWR noch mehr alte Schätzchen.

 

 

Wertung 90 %

 

 

Verfügbarkeit

 

ab sofort in der ARD Mediathek

 

als Buch

 

https://www.amazon.de/dp/B09JCPD4Z7?binding=paperback&ref=dbs_dp_rwt_sb_pc_tukn

 

 

Links

 


https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=1371551&vi=1&SID

 



Furcht vor der Wahrheit– Die grössten Fälle von Scotland Yard 50

 



 

Wie die Ziffer 50 andeutet, handelt es sich hier um eine langlebig erfolgreiche Serie des Maritim Verlages. Jede Episode kann unabhängig gehört werden, auch wenn es immer wieder die gleichen Teams gibt. Autor ist der Vielschreiber Paul Burghardt, der hier auf Fantasy verzichtet.

 

Der Inhalt

 

Die Glocken von Big Ben begleiten uns in ein stilvolles Gutshaus mit Butler und allem Drum und Dran. Doch man hört es förmlich in der Eingangsszene. Zwischen Lady und Lord Maguire knistert es. Aber das hört sich nicht nach Liebe an, sondern eher nach Spannung.

Am nächsten Morgen ist die Lady verschwunden. Kurze Zeit später melden sich Entführer. Trotz Warnungen schaltet der Lord Scotland Yard ein. Das erfahrene Team um Chief Inspector Anthony Stafford geht konsequent, aber behutsam und zügig vor. Wie konnte die Lady unbemerkt entführt werden, obwohl Handwerker im Hause waren? Ist der Lord vielleicht ganz froh, sie loszuwerden? Wieso kann die Polizei minutenlang ein Telefonat der Entführer abhören ? Die Episode nimmt gegen Ende richtig Fahrt auf und es kommt zu dramatischen, spannenden Szenen bevor die Lady gerettet wird.

 

 

Die Dramaturgie

 

Drei unterschiedliche Gruppen begleiten den Hörer durch die Episode. Die Gruppe um den Lord mit Frau und Butler. Sie leben in der Welt der Schönen und Reichen, wie man der gestelzten Sprache entnimmt. Die Entführer sind der Gegenpol. Einfache Herkunft, ordinäre Sprache und ein ruppiger Umgang miteinander. Der ruhende Pol ist das Team um den Inspektor. Der Ältere Besonnene als Kopf, der Sohn als leichtsinniger Spund und der ausgleichende dritte Assistent.  

Unabhängig vom Fortgang der Handlung entsteht dadurch eine gewisse Neugier, wer nun was sagt und macht. Das alles wird eher ruhig und beiläufig erzählt, aber immer mit einem leichten Augenzwickern. So erfahren wir, dass der Sohn des Inspektors seine Beziehung riskiert, weil er gerade mit ihrer besten Freundin geschlafen hat. Aber auch die Lady war nicht die Unschuld vom Lande: Ihr erster Mann machte sich nichts aus Sex.

Die Anzahl der Orte und Szenen ist überschaubar, gut nachvollziehbar, aber dennoch abwechslungsreich: Gutshaus, Scotland Yard, Scheune, Autojagd.

Immer wieder gönnt uns tolle und vergleichsweise lange, opulöse Musik eine Lauschpause, um die Gedanken zu ordnen.

Die Sprecher machen einen soliden Job, gelegentlich zu sehr ihre Rolle interpretierend.

Furcht vor der Wahrheit haben tatsächlich fast alle Mitspieler. Das sind kleinere oder größere Heimlichkeiten, die niemand erfahren soll.

 

 

Fazit

 

Das Hörspiel ist grundsolide Handwerkskunst. Eine überzeugende, spannende Story mit schöner Musik, Spannung und viel Wiedererkennungswert. Atmosphärisch dicht. Tonfall und Tempo überzeugen. Wie bei einem x-ten Asterix Comic muss man akzeptieren, dass nicht alles logisch ist und gefällt.

 

Wertung 70 %

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.amazon.de/Folge-50-Furcht-vor-Wahrheit/dp/B098NVT9Q5/ref=sr_1_1?keywords=Die+gr%C3%B6%C3%9Ften+F%C3%A4lle+von+Scotland+Yard&qid=1639389921&s=dmusic&search-type=ss&sr=1-1

Mimi Rutherford 52 – Saat des Unheils

 

 


Mit Mimi Rutherford bietet der Maritim Verlag seit vielen Jahren eine Hörspielserie mit Krimis im klassischen Landhaustil an. Der Titel der Serie schielt schon auf den Kunden. Mimi erinnert an den berühmten Song von Bill Ramsey: Ohne Krimi geht die Mimi nie ist Bett. Und Rutherford erinnert jeden an die berühmten Verfilmungen und der eingängigen Titelmusik mit Margarete Rutherford als Miss Marple.

 

 

 

 

Der Inhalt

 

Mimi Rutherfort reist für ein paar Tage zur berühmten jährlichen Orchideenschau irgendwo im guten, alten England. Sie möchte diesmal Zeugin der gut dotierten und hochgeschätzten Preisverleihung für die schönste Züchtung dabei sein.

Schnell kommt sie mit dem ersten Züchter, Mr. Fielding, in ein intensives Gespräch über die Mühen der Orchideenzucht und die aufwändige Pflege der Saat. Als der Leiter der Schau zusammen mit den beiden Juroren an den Stand kommt, erfährt Mimi, dass ihr Gesprächspartner zwar ein berühmter Züchter ist, aber leider immer nur den zweiten Platz erobern konnte. Wenig später lernt sie auch die dreimalige Siegerin Susan Crawford kennen.

Sie stellt sich als eine neidische, zynische und gehässige Wettbewerberin dar!

Am nächsten Morgen wird Susan Crawford mit einer Harke im Kopf ermordet aufgefunden. Die Polizei nimmt die Ermittlungen auf. Als allerdings dann noch die junge Schwester von Susan ermordet wird, mischt sich Mimi ein!

 

Das Hörspiel

 

Die „Saat des Unheils“ ist kein Grusel-Krimi, wie der Titel andeutet, sondern ein geruhsamer netter Krimi, den man auch mit Bluthochdruck hören kann. Er ist in England in einer unbestimmten Zeit angesiedelt. Das Susan Crawford mit einer Harke ermordet wird, ist für deutsche Hörer eher ungewöhnlich, ist aber der etwas skurillen Art, die Engländer lieben, geschuldet. Wer Inspektor Barnaby schaut, ist bei diesem Hörspiel bestens aufgehoben.

Den Produzenten und Autoren ist es gelungen auch in der 52. Folge einer Reihe ein solides, handwerklich gutes und interessantes Hörspiel vorzulegen. Dies ist das Rezept mit dem die Drei ??? oder Asterix auch funktionieren.

Mimi ist keine Miss Marple wie in den Christie-Originalen, aber auch keine dynamische alte Landlady wie in den berühmten Filmen. Sondern eine nachdenkliche, bisweilen philosophische ältere Dame, die den Sachen auf den Grund geht und Earl Grey mit Milch trinkt.  Der Züchter Mr. Fielding erinnert ein wenig an Mr. Stringer aus den Filmen. Der obligatorische Inspektor ist eher jung und nicht schusselig. Er lässt sich auf Mimis Ideen nach einigem Zögern gerne ein.

Die Verwendung von Klischees gehört bei diesem Genre dazu, wird aber wunderschön durch aktuelle Themen wie möglichen Missbrauch von Sponsorengelder ergänzt.

Die Handlung wird in vielen kleinen Szenen entwickelt und spitzt sich gegen Ende zu. Ein Erzähler begleitet den Hörer durch Monologe und Dialoge. Manche Passagen sind etwas ausufernd. Nicht jeder will schließlich ein Orchideenspezialist werden.

Auch wenn die Anzahl möglicher Täter überschaubar ist, bleibt das Hörspiel bis zum Schluß spannend. Die schöne Musik gönnt dem Hörer immer wieder Ruhepause, die es ermöglichen, seine eigenen Überlegungen anzustellen.

Katharina Thalbach als Mimi ist natürlich eine Sprecherin der Extraklasse. Aber bis auf wenige Ausnahmen ist das Niveau hoch. Die Textvorlage ist eher literarisch, als umgangssprachlich. Da lohnt es sich schon, einzelne Sätze genau zu hören

 

 

Fazit

 

Solides gut zu hörendes Krimihandwerk, das eine Montag-Abend Fernsehserie bestens ersetzen kann. Wohlfühlatmosphäre mit etwas Spannung, viel Vertrautem und tollen Sprechern.

 

 

Wertung 85 %

 

 

Verfügbarkeit

 

Die Folge 52 ist am 26.11.2021 erschienen und bei Amazon nicht ganz leicht zu finden:

 

https://www.amazon.de/dp/B09JP7J6D7?tag=hoerspieltipp-21

 

Auch bei Spotify und Deezer. Ältere Folgen stellt Maritim auch auf Youtube zur Verfügung.

 

Dienstag, 4. Januar 2022

Klare Sache – Ein Road-Audio mit Anspruch

 



Mit dem Hörspiel „Klare Sache“ von Denise Mina nimmt sich der NDR einiges vor. Es handelt sich um die zweistündige Hörspieladaption eines Romans von Denise Mina aus dem Jahr 2019 mit immerhin über 300 Seiten Lesestoff. Es ist auch das erste Hörspiel nach Denise Mina überhaupt und selbst im Englischen scheint es nur zwei Hörspielfassungen zu geben.

 

 

Mina ist eine erfolgreiche englische Krimiautorin, der gerne das Attribut tartan noir zugeschrieben wird, die sich selbst allerdings eher als krimischreibende Feministin bezeichnet.

 

Der Inhalt

 

Anna liebt es Podcasts zu hören, am liebsten True Crime. In der neuesten Episode hört sie den Namen Leon Parker, den sie aus ihrer Vergangenheit kennt und mit schönen Erinnerungen verbindet. Parker ist bei der Explosion seiner Yacht gemeinsam mit seinen beiden Kindern ums Leben gekommen.

Doch es wird kein guter Tag für die biedere Hausfrau Anna: An der Tür steht ihre beste Freundin mit einem Reise-Köfferchen. Sie will Annas Mann und ihre beiden kleinen Mädchen für eine Reise abholen! Annas Mann Hamish hatte leider vergessen, ihr zu sagen, dass er eine neue Freundin hat und sich trennen will. Anna rastet aus und rennt nach draußen, wo sie den verlassenen Ehemann Finn, ein abgewrackter Popstar, trifft. Die schräge Nachbarin macht ein Foto von den beiden Gehörnten und verbreitet es via Twitter. Nun beginnt die eigentliche Katastrophe.

Anna ist nicht wirklich Anna, sondern musste vor Jahren eine neue Identität annehmen, um ihr Leben zu retten. Als junge Frau wurde sie von 4 Fussballern in einem Hotel vergewaltigt. Im Prozeß wurden die Fußballer freigesprochen, weil die stinkreiche Besitzerin des Vereins die Polizei bestochen hatte und auch vor einem Mord an der einzigen Zeugin nicht zurückschreckte.

Der auf der Yacht ums Leben gekommene Leon Parker war mit der Fussballoligarchin verheiratet! Anna, die erneut um ihr Leben fürchtet, begibt sich mit Finn auf Spurensuche durch Europa. Wir erleben ein Roadaudio quer durch Europa, unterwegs mit Flugzeug, Auto, Vaporetto oder Zug. Wir begegnen einem Panoptikum  skuriller Menschen: Der magersüchtige Popstar Finn, der drogenabhängigen Ex-Frau von Leon, der  zwielichte Hotelmanager, der weltreisende Skipper, die alerte Sekretärin der Fussballoligarchin, ein messerschwingender Bösewicht

Die Geschichte von Annas Leben und der Story aus dem Podcast kommen immer näher und sind irgendwann nicht mehr zu unterscheiden.

Spannender und vielfältiger kann ein Krimi kaum sein.

 

Was mich bewegt

 

Klare Sache ist mehr als ein Krimi. Hier geht es um Leiden und Leidenschaften. Anna leidet für den Rest ihres Lebens an der Vergewaltigung. Der Popstar Finn wird mit wachsendem Erfolg magersüchtig. Die meisten der Figuren haben ihren Rucksack zu tragen. In der Wirklichkeit sind die klaren Sachen eben nicht so klar, wie es aussieht. Dies wird durch die neuen, sozialen Medien anders, aber nicht besser.

 

Das Hörspiel wird aus der Perspektive von Anna erzählt. Dieser persönliche Charakter kann den Hörer nicht unbewegt lassen. Wenn man nicht den Kopfhörer auf den Ohren hätte, würde man bei jedem Wort die Ohren spitzen. Der renommierten Krimiautorin Zoe Beck ist eine briliante Übersetzung gelungen: Mein Gott, war ich mies darin, meine Freunde auszusuchen.

Alle diese vielen kleinen Szenen werden von ausdrucksstarken Stimmen gesprochen. Man hört hier die Sprecherprofis raus, die jede Nuance an Stimmung ausdrücken können. Musik und Geräusche drängen sich nicht in den Vordergrund, sondern verstärken, wenn nötig, die Stimmung und Atmosphäre. Die zwei Hörstunden vergehen wie im Fluge, zumal am Ende von Teil 1 ein echter Cliffhanger nochmal Lust auf Teil 2 macht.

 

Was noch zu sagen ist

 

Das Hörspiel ist nicht unbedingt tartan-noir, aber doch britisch Schwarz. Da kommt schon mal eine verwesende Unterwaserleiche oder eine blutverspritzte Drogentote vor.

Es ist nicht ganz einfach der Handlung zu folgen. Der Namen, Orte und Szenen sind es einfach zu viele. Es scheint, dass der zugrunde liegende Roman auf eine massentaugliche Verfilmung schielt. Da bleibt dann auch die Logik und Sinnhaftigkeit mancher Szene auf der Strecke.

 

Dauer 2 mal ca. 54 Min.

 

Fazit

 

Definitiv ein spannender hörenswerter Krimi. Aber keine Schonkost, sondern eher ein Sternemenü. Da gibt es auch schon mal Häppchen, die schöner aussehen als schmecken. Aber attraktiver kann man brandaktuelle Themen kaum verpacken, denn der Hörer kommt trotz der vielen verwirrenden Szenen immer wieder ins Grübeln: Klare Sache ?

 

Wertung

 

90 %

 

 

Verfügbarkeit

 

Beim NDR und in der ARD Audiothek als Download.

 

Links


http://culturmag.de/crimemag/denise-mina-im-gesprach-mit-beck/10792

http://www.denisemina.com/

https://www.deutschlandfunkkultur.de/denise-mina-klare-sache-wahrheit-im-ohr-100.html

https://argument.de/produkt/klare-sache/

https://www.fr.de/kultur/literatur/denise-mina-klare-sache-follower-auftragskiller-12972703.html

Bomber – Ein Radio Tatort mit Fehlzündung

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