Freitag, 19. November 2021

Sörensen am Ende der Welt – Kopfkino als medialer Hit

 


 

„Sörensen am Ende der Welt“ ist das 3. Hörspiel mit dem in die Einöde ins nordfriesische Katenbüll gegangenen Kommissar Sörensen. Diese kleine Hörspielstaffel des Autors und Regisseurs Sven Stricker hat sich in den letzten Jahren als medialer Hit mit Bjarne Mädel in der Hauptrolle entwickelt. Das erste Buch „Sörensen hat Angst“ erschien 2015 und wurde 2018 als Hörspiel adaptiert, 2020 für das Fernsehen verfilmt. Der zweite Krimi „Sörensen fängt Feuer“ folgte 2018 als Buch, Hörspiel und Hörbuch und soll gerade verfilmt werden. Das neue Hörspiel erscheint nun zeitgleich mit dem Hörbuch und den verschiedenen Buchausgaben. Alle Hörspiele wurden vom Deutschlandfunk Kultur produziert.

Die Downloadzahlen auf Youtube zeigen, dass auch Kopfkino einen richtigen Hype auslösen kann und der Sender goldrichtig liegt.

 

Die Story

Der Beginn des Hörspiels trifft ins Mark: Sörensens Vater ruft ihn an und amüsiert sich über seine Empfindlichkeit und Angststörung!

Sörensen ist Kommissar im nordfriesischen Katenbüll und bekommt es erneut mit einem Mordfall zu tun. Der beliebte Gymnasiallehrer Hansen wird mit einem Schraubendreher im Herz vom Tankwart des Ortes draußen am Koog tot aufgefunden.

 

Hier folgt ein genialer skurriler Dialog (Hörbeispiel 1):

Mit dem Besuch bei der Witwe beginnt die Spurensuche. Verwundert stößt Sörensen auf eine Familie von Preppern, die sich auf das Ende der Welt vorbereiten. Die Uhr tickt unerbittlich. Trotz seiner Alltagsprobleme arbeitet Sörensen als Polizist ohne Zögern, mit Entschlossenheit, sorgfältiger Beobachtung und konsequentem Befragen: der seltsame Bruder, die verprügelte Ehefrau, die innerlich gespaltene Prostituierte, ein plötzlich aufgetauchter Journalist. Alle haben irgendwie Dreck am Stecken, aber kommen sie, die auch verletzlich und menschlich sind, als Täter in Frage? Die Story legt viele Fährten, denen man aufmerksam folgt. Dennoch ist der zugespitzte Shut-Down am Ende unerwartet.

 

Die Themen

Natürlich handelt ein Krimi mit einem angstgestörten Kommissar zuerst mal von der Angst. Bei Sörensen ist es eine Krankheit, die ihn belastet, aber eine Zusammenarbeit mit den Kollegen und seine Arbeit nicht wirklich einschränkt. Angst haben auch die Prepper, nämlich vor dem Ende der Welt. Davon ist Sörensen weit entfernt. Es geht auch um die Angst der verprügelten Ehefrau vor der Flucht aus der Ehe, toxische Beziehungen, kaputte Familien oder der Angst der Prostituierten vor ihrer Zukunft. Das Hörspiel zeigt, dass uns diese „kleinen“ Ängste schon genug beschäftigen. Es hilft ein wenig, sich kleine Ziele zu setzen und den Alltag zu bewältigen, so wie Sörensen als Kommissar oder die Prostituierte, die Erzieherin werden möchte. Spannender als in diesem Krimi kann man solche Themen nicht verpacken.

 

Die Dramaturgie

Im Grunde genommen ist das Hörspiel ein Locked Room Mystery. So wie im zitierten „Mord im Orientexpress“ ist in dem beschaulichen Katenbüll, die Zahl der möglichen Täter begrenzt. Allerdings ist dies nun wirklich kein Regionalkrimi. Stricker verzichtet auf anbiederndes Plattdeutsch, sondern lässt vorsichtig nördliche Akzente durchklingen.

Ähnlich wie Poirot nähert sich Sörensen durch Befragung, Beobachtung und klassischer Polizeiarbeit der Lösung. So spannend die Schlussszene ist: Inhaltlich ist mir die Lösung zu unrealistisch und überzogen, bei diesem sonst so realen Krimi. Für mehr als 5% Abzüge beim Fazit reicht dieser Mangel aber nicht.

 

Der Hörer begleitet Sörensen in seinen Monologen und Telefonaten zu den verschiedenen Szenen. Dort treffen wir auf starke Typen und neue Wendungen, die die Spannung erhöhen.

Dennoch gibt es immer wieder Momente, die durch ihren feinen, etwas schwarzen Humor ein Schmunzeln hervorrufen. Ins Grübeln kommt man dagegen durch kurze, fast philosophischen Dialoge.

Das Team

Sven Stricker als Autor und Regisseur ist ein „alter Hase“. Hörspielliebhaber kennen ihn aus vielen guten und erfolgreichen Produktionen. Die Rolle des Sörensen ist dem Schauspieler Bjarne Mädel wie auf den Leib geschrieben. Hier passt wirklich Alles. Er wird unterstützt von weiteren renommierten Sprechern wie Felix von Manteuffel, Karoline Schuch und vielen mehr. Ihnen gelingt es brilliant die „Typen“, die Stricker entwickelt hat, zum Leben zu wecken. Sie geben dem Text genau den richtigen Ton. Der Text ist keine Literatursprache, sondern wirkt über weite Strecken wie im wirklichen Leben gesprochen.

Musik und Geräusche halten sich eher im Hintergrund, sodass man jederzeit den Text versteht, erhöhen aber die Lust am Lauschen. Dem Team gelingt es, wirklich tolles Kopfkino zu produzieren, das sich deutlich von einem Hörbuch oder dem klassischen Buch unterscheidet und anders als im Film, dem Hörer gestattet den Figuren in seinem Kopf eine eigene Gestalt zu geben.

 

Fazit

Für Bjarne Mädel Fans ein Muß, ebenso für alle, die das Werk von Stricker kennen und lieben. Für mich ein Hörspiel, dass auf der nicht existenten Hörspielbestenliste aktuell auf Platz 1 wäre. Es sollte Lust machen, die anderen Folgen zu hören, die Bücher zu lesen oder dem Hörbuch zu lauschen.

 

Das Hörspiel steht als Download beim DLF Kultur oder in der ARD Audiothek zur Verfügung.

Die Sörensen-Buchtrilogie:

https://www.amazon.de/S%C3%B6rensen-Ende-Welt-ermittelt-Band/dp/3499001217/ref=pd_lpo_2?pd_rd_i=3499001217&psc=1

Der Film „Sörensen hat Angst“ steht noch bis Ende September in der ARD Mediathek  zum Anschauen bereit.

Weitere Daten

Sörensen am Ende der Welt
Nach dem Roman von Sven Stricker
Bearbeitung und Regie: der Autor
Mit: Bjarne Mädel, Birte Kretschmer, Felix von Manteuffel, Karoline Schuch, Walter Kreye
Komposition: Jan-Peter Pflug
Ton und Technik: Thomas Monnerjahn und Gunda Herke
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2021
 

Länge: ca. 54'30

Links

https://www.radioeins.de/programm/sendungen/mofr1921/_/-soerensen-am-ende-der-welt--.html (Interview mit Sven Stricker)

ein weiteres Interview: https://youtu.be/1_tl9l_xqfo

https://youtu.be/Sxh63yjktO4 (Hörspiel auf Youtube)

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