Montag, 29. November 2021

Der sonderbare Tag des Lord Grimsby – Ein Krimi mit Augenzwinker

 

 


 

Der sonderbare Tag des Lord Grimsby ist der Einstieg in die dritte Staffel des Podcast „Kein Mucks“ produziert von Radio Bremen, glanzvoll ausgewählt und präsentiert von Bastian Pastewka. In diesem Podcast werden alte Klassiker der Kriminalhörspieleszene ausgegraben und mit launigem Kennerton präsentiert. Lord Grimsby z.B. stammt aus dem Jahr 1959! Die ersten beiden Staffeln waren bei den Hörern so beliebt, daß Radio Bremen jetzt bis März 2022 eine dritte Staffel nachreicht. Es sagt einiges über das Hörerinteresse aus: Die ersten beiden Staffeln wurden mehr als 5 Millionen mal wiedergegeben (Audiothek, Apple und Spotify). Auch die neue Episode ist unmittelbar nach Erscheinen an der Spitze der Rubrik: Meist gehört.

 

Die Handlung

 

Lord Grimsby erlebt auf seinem noblen Landsitz einen Tag voller Überraschungen und Schreckensszenarien. Auf Grimsby Hall lebt der Lord mit seiner Dienerschaft und der engsten Verwandtschaft im Stile des reichen, wohlerzogenen Adligen.

Am späten Morgen wird Grimsby vom Gärtner geweckt, weil die Polizei ihn sprechen will. Grimsby erfährt, dass in der Nacht sein Familienschmuck gestohlen und der Diener ermordet wurde. Beim Adel kein Grund früh aufzustehen! Die beiden Inspektoren machen sich an die Arbeit: Wie im klassischen closed-room-Krimi muss der Täter unter den Anwesenden zu finden sein. Einige wenige Indizien helfen ihnen. Bei der Leiche findet sich ein Dolch, der Lord Grimsby gehört. Daneben liegt Werkzeug, dass sein Neffe Geoffrey verwendet, dessen Hobby das Bauen von Kinderwiegen ist. Im Garten findet sich ein einzelner Pantoffel, der der Haushälterin gehört.

Als Täter kommen aber auch die Verlobte vom Lord in Frage, die hinter seinem Vermögen her ist oder der schmierige Anwalt. Selbstverständlich auch der Gärtner, der nun die Stelle des Butlers einnehmen darf.

Tatsächlich kommt die Polizei nach am selben Abend zur überraschenden Lösung. Ein Hörspiel – Cluedo eben.

 

Die 50-er Jahre

 

Die Mehrzahl der Hörer wird diese Zeit nicht erlebt haben, daher hier ein paar Appetizer.

Bundeskanzler war zu der Zeit, der 83-Jährige Konservative Konrad Adenauer. Gemeinsam mit seinem Wirtschaftsminister Ludwig Erhard war es ihm gelungen, die schwere Krise nach dem Krieg zu überwinden und eine Art Wirtschaftswunder zu erzeugen. Es gab genügend Arbeit, die Löhne und das Warenangebot stiegen. Die Frauen, die unmittelbar nach dem Krieg so wichtig waren. kehrten wieder an den Herd zurück.

Mit 15 Mio. Hörern gegenüber 2 Mio. Fernsehzuschauern war der Rundfunkt das wichtigste Massenmedium. 10 Rundfunkanstalten produzierten jährlich mehr als 350 Hörspielneuheiten!.

Die rauschfreie UKW war erst seit Mitte der 50-er Jahre im Kommen und ein Radio kostete mit 1.000 Mark etwa das Monatseinkommens eines Facharbeiters.

 

Das Hörspiel

 

1959 gab es noch keine Straßenfeger von Durbridge, aber die Geschichten von Doyle und Agathe Christie waren beliebt. Good old England und adlige Noblesse spielen auch in diesem Hörspiel eine große Rolle. Die bis heute beliebten Simenon-Hörspiele sollten im gleichen Jahr erscheinen.

Das Hörspiel erzählt in ruhigen überschaubaren Szenen, eine Geschichte, die nicht voller Mord und Totschlag ist, aber dennoch voller Spannung, weil immer neue Wendungen auftauchen, mit denen der Hörer nicht rechnet. Die Figuren sind alle mit leicht ironischer Sympathie gezeichnet und durchaus klischeehaft. Grimsby steht über allem und würde seinem Neffen sogar einen Mord durchgehen lassen, er wird von allen immer zuerst informiert.

Man hört wie der ehelose Neffe sägt, um eine seiner 27 Wiegen zu basteln. Es wird also Zeit, dass er unter die Haube kommt.

In klassischer Durbridge-Manie schließt voll tönende Orchestermusik die jeweilige Szene als Clfiffhanger ab.

 

 

Die Sprecher

 

Die große Zeit des Fernsehens stand erst noch bevor und tatsächlich machten nahezu alle Sprecher später beim Fernsehen Karriere und die älteren Hörer werden ihre Rollen und Stimmen kennen. Heute steht die Vielseitigkeit einer Stimme im Vordergrund, um bei einem Aufenthalt im Studio möglichst viele Rollen spielen zu können.

Damals waren die Stimme und ihr Charakter wichtig. Man drückte sich gewählt aus, durchaus auch mal in England mit ostpreußischem Einklang. Diener und Gärtner nuscheln, daß man sie kaum versteht. Es ist also durchaus hörenswert.

 

Versuch einer Erklärung

 

Was macht diese verstaubten Hörspiele so beliebt: Mir scheint der Erklärungsversuch des Autors Thomas Müller überzeugend: „Das Hörspiel der 50-er: Tendenz zur Verinnerlichung und zur Reduzierung der Wirklichkeit auf den menschlich-privaten Bereich, die ihre Aussagen nicht mehr direkt, sondern zunehmend in poetisch reizvollen, phantastischen Bildern einer entsprechend geschulten Hörergemeinschaft vermittelten“.

In Zeiten von Fake-News, vorschnellen Urteilen, aber auch extremen Gefährdungen sind solche nostalgischen Hörspiele ein romantischer Rückzug ins Ruhige, Besinnliche, Bekannte. Da gibt es Spannung ohne Gefährdung.

Da hört man schon mal über Rollenklischees und Überzogenes hinweg.

 

Dauer 55 Min.

 

Fazit

 

Man kann Bastian Pastewka nur dankbar sein für das Ausgraben dieser Schätze. Jenseits von Nostalgie finden sich in seinem Podcast noch etliche einfach tolle Hörspiel, die der Hörer im Lehnstuhl  mit einer Flasche Wein

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