Sonntag, 7. Mai 2023

Hunkelers in der Wildnis – Zumutung oder Anmutung ?

 

Buchcover

Der SRF hat im Frühjahr 2023 das zehnte Hunkeler-Hörspiel veröffentlicht. Es basiert auf dem 2021 erschienen gleichnamigen Buch und wurde wieder vom Regisseur Reto Ott betreut. Der Autor Hansjörg Schneider ist mittlerweile 85 Jahre alt und entsprechend weise, hat aber ein wenig die Lust am Krimi-Schreiben verloren, wie er im Interview mitteilte.

 

Inhalt

 

Der pensionierte Hunkeler möchte eigentlich seinen Morgenkaffee am Kiosk im Baseler Kannenfeldpark genießen, als er gerufen wird. “Einmal Polizist immer Polizist“. Im Park liegt die Leiche des bekannten Literaturkritikers Heinrich Schmidingers. Offenbar von einer Boule-Kugel erschlagen. Schmidinger war kein angenehmer Zeitgenosse, aber muss man ihn deswegen ermorden? Hunkeler ist unschlüssig, was er tun soll. Jedenfalls klaut er dem Toten das Eiserne Kreuz aus dem Weltkriet, geht als ein unwissender Zeuge zum Kiosk zurück.

Doch als seine ehemaligen Kollegen Madörin und Lüdi gute, verlässliche Freunde verdächtigen, begibt sich Hunkeler doch wieder auf Spurensuche in der ihm eigenen Art. Er lauscht schrägen, schrillen Menschen, vertieft sich in ihre Lebens-und Leidensgeschichten und schnappt doch immer wieder auch einen Zusammenhang zu Schmidinger auf. Haben die Frauengeschichten des Toten zum Unglück geführt? War es ein tödlicher Unfall beim Streit der verschwiegenen Boule-Gruppe? Und dann wird noch eine einsame, wundersame Wanderin ermordet.

 

Hunkeler und die Wildnis

 

Hunkelers Wildnis ist in uns und um uns. Der Autor erweist sich als profunder Naturkenner, unzählige Tiere und Baumarten malen ein Bild der heimischen Wildnis rund um Basel. Hunkeler schläft eine Nacht im Wald, um der Natur nahe zu sein. Und wacht erst auf als ihn der räudige Straßenköter, den er bei sich aufgenommen hat, beschnuppert. In einem Zornesausbruch spät in der Nacht hatte er dem Hund einen Tritt gegeben und war erschrocken über die Wildheit in sich. Und der immer noch wilde Hund begibt sich zu den Sauen, die ihre Frischlinge hüten und verendet elendiglich. Hunkeler besucht eine einsame Frau, die nur mit ihren Ziegen lebt und merkt an: Sie solle nicht allein leben, mit Tieren kann man nicht sprechen. Kurz darauf spricht er mit dem Strassenköter, der ihm über den Weg läuft. Vielleicht ist dies eine Erfolgsfaktor dieser Figur: Hunkeler ist zutiefst Mensch. 

 

Der Kommissar Hunkeler

 

In diesem zehnten Fall wird deutlich, dass Hunkeler seinen eigenen Weg geht, der ihn, bei mancher Ähnlichkeit, doch von den großen Figuren der Krimiwelt unterscheidet. Hunkeler ermittelt nicht, er stellt keine Fragen. Er mäandert durch sein Milieu und redet und redet und isst und trinkt. Und dann beginnen seine Begleiter zu erzählen. Hunkelers Hirn verknüpft Exotisches, Banales und Privates und nähert sich immer mehr dem, was tatsächlich passiert ist. Aber der pensionierte Kommissär der Baseler Kripo muss Recht nicht mehr durchsetzen. Für ihn gibt es nicht keine sicheren Grenzen mehr. Wo beginnt die Wildnis, was ist richtig und was ist falsch. Obgleich Hunkeler Ordnung liebt und lebt. Er trinkt jeden Morgen im Kannenfeldpark seinen Kaffee und freut sich über den Storch, der seine Salamischeibe abholt.

 

Die Macher

 

Reto Ott spielt in der höchsten Liga der Hörspielregisseure. Er hat den langen, gelegentlich langatmigen Text bestens adaptiert und versetzt den Hörer jeweils in die gespielte Welt, ohne zu sehr festzulegen. Ein Sufi-Gedicht oder ein französisches Chancon laden zum Denken und Träumen ein. Die Sprecher sind allesamt lokal geerdet und sprechen, wie die meisten Baseler eben sprechen. Den Elsässern rutscht da schon manches Französische rein.

Der ruhige Erzähler Knerr begleitet den Hörer durch die vier Episoden, die eigentlich ein Ganzes bilden. Stimmige, vielseitige Musik und vor allem viele Geräusche von Tieren oder auch Teekesselchen setzen zusätzliche Akzente.

Auch wenn gegen Ende klar wird, was im Park geschehen ist, ist es kein klassischer Krimi. Beim Autor Schneider vermischen sich die Grenzen der Genres. Leider verliert sich mancher Erzählstrang im Nirvana.

 

Fazit

 

Autor und Regie haben erneut ein Meisterwerk vorgelegt. Es ist zu hoffen, dass sich neben der großen Fangemeinde auch Neulinge an dieses akustische Kunstwerk wagen.

 

 

Wertung 95 %

 

Dauer ca. 200 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

Aktuell beim SFR Krimi zum Downloaden und Anhören

 

 

 

 

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