Dienstag, 16. Mai 2023

Die Heldin – Die frühe Patricia Highsmith

 

Cover der Sammlung

Die hochgeschätzte Autorin tat sich in den Anfangsjahren schwer. Als 20-jährige schrieb sie eine Kurzgeschichte „The heroin“, die dann 1945 in Harpers Bazar erstmals veröffentlicht wurde. Sie wurde erst in den 1970-er ins Deutsche übersetzt und in einer Sammlung veröffentlicht. Im Jahr 1991 hat der Österreichische Rundfunkt eine Hörspielbearbeitung vorgestellt. Was veranlasst den SWR, diese gut 20 Seiten lange Short Story 80 Jahre nach ihrer Veröffentlichung erneut dem lauschenden Publikum zu präsentieren?

 

Inhalt

 

Die zwanzig-jährige Lucille möchte unbedingt in dieser Familie als Kindermädchen arbeiten. Sie sehnt sich nach Wechsel, möchte nicht mehr in der Stadt leben und in einer heilen Familie arbeiten. Ohne Referenzen stellt sie sich kurzfristig vor und wird eingestellt, weil sie den Eltern sympathisch ist. In dieser reichen Familie mit einigem Personal kümmert sie sich um Heloise und Nikki, 6 und 9 Jahre alt. In wenigen Tagen kommt sie den Kindern immer näher fühlt sich wohl. Wegen des Glücks in der Familie zu arbeiten, möchte sie auf Entlohnung verzichten und spricht die Mutter darauf an. Doch diese lehnt ab. Sie will keine Ausbeutung, sondern gerechten Lohn für gute Arbeit. Lucille fühlt sich nicht verstanden. Braucht es irgendwas Ernstes, was Dramatisches, damit sie verstanden wird?

Tatsächlich kommt es kurz darauf zu einer Katastrophe.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel beginnt mit einem Clou: Die Stimme von Highsmith erzählt, wie sie es erlebt hat, als die Story 1945 endlich veröffentlicht wurde. Der Hörer ahnt schon. Hat die Geschichte etwa mit Highsmith selbst zu tun? Die Bearbeitung weicht noch einmal von der Vorlage ab: Neben der Erzählerin gibt es die Ich-Stimme von Lucille. Darin wird eine gespaltene Persönlichkeit deutlich. Nicht alles was sie sagt, denkt sie auch. Das Hörspiel lebt von einer inneren Spannung. Die Kunst der Highsmith besteht darin, dem Hörer so nebenbei Information „unterzujubeln“. Die so unkomplizierte Lucille war beim Psychiater, damit sie die Angst vor der Veranlagung ihrer Mutter verliert. Solche Szenen kommen immer wieder und der Hörer lauert schon auf die nächste Desillusionierung. Highsmith gebt es ja nie darum, was getan wurden, sondern warum etwas getan wurde (Whydunits).

Um ihre Verletzung durch die Kindsmutter zu überwinden, möchte Lucille Heldin werden. Deswegen hat der SWR dieses Hörspiel veröffentlicht. Heldin spielen in Games und im Internet eine riesige Rolle. Ist alles heldisch was Helden tun? Sind sie sich nicht selber lieber, als die anderen? Wie weit darf ein Held gehen? Darüber nachzudenken, lädt das Hörspiel ein.

Die Szenerie ist überschaubar: Lucille, zwei Kinder, zwei sparsam auftauchende Eltern. Die Musik und die Geräusche unterstreichen die jeweilige Szene. Wenn die Kinder in der Sandkiste eine Burg bauen, erklingt Fanfarenmusik. Diese Intensität braucht nicht jeder Hörer.

Kinderstimmen sind immer schwierig, aber die beiden jungen Sprecher machen einen guten Job. Ihre Aufgabe ist es ja auch, Fantasien Realität werden zu lassen: Die Eroberung der Burg durch Soldaten oder Pinocchios Nase beim Vorlesen durch Lucille. Die leicht fiepsige Stimme von Lucille hätte gegen Ende mehr Kraft und Ernsthaftigkeit gebraucht.

 

 

Fazit

 

Ein perfekt inszeniertes psychologisches Kammerspiel mit vielen anregenden Momenten. Keine Gewohnheitskost, eher für Genießer.

 

 

Wertung 90%

 

Dauer ca. 46 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

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