Samstag, 24. August 2024

Weltentrunk – Ein bayerisches Bier-Panoptikum

 

© ARD / Jürgen Frey

 

Der BR veröffentlicht im Sommer 24 mit den 191. Radiotatort nun doch noch ein Hörspiel des Autors Su Turhan. Wichtiger als der Autor ist der Redaktion das Team: Die darbende Privatdetektivin Yanina Adler und ihr Papagei Levy sowie der Polizeikommissar Ünal Teki. Ort der Handlung ist die Großstadt München, Stadtteil Giesing. Wie der Titel andeutet, spielt Bier eine große Rolle. Die Redaktion der Audiothek hört offenbar die nicht einmal die publizierten Hörspiele. Es handelt sich mitnichten um ein Craftbeer (Untertitel). Sondern um ein bayerisches Bier nach dem Reinheitsgebot

 

Inhalt

 

So etwas kommt nicht alle Tage vor. Im geruhsamen Stadtteil Gieseking wird in den frühen Morgenstunden ein Leichnam in der Nähe der Heiligkreuz-Kirche gefunden. Nass von Bier und ein gebrochenes Genick. Und das auch noch 200 Meter von der Wohnung Yanina Adlers entfernt. Kein Wunder, dass sie beim Lärm der Einsatzfahrzeug neugierig wird und in aller Herrgottsfrühe mit Levy zum Tatort marschiert. Sie ist voller Neugier, aber ohne Auftrag. Der Tote erweist sich als der Marketing-Chef der Giesinger Brauerei. Diese ist in den Händen eines kanadischen Konzerns, der mit dem „Weltentrunk“ der heimischen Wirtschaft Konkurrenz machen will. Das Bier folgt dem deutschen Reinheitsgebot und soll biologisch, modern und schmackhaft sein.  Bernadette Baumeister, die verantwortliche Brauerin und Hubert Denkrath, der Bier-Sommelier sind entsetzt.  Die Marktpräsentation droht zu platzen. Kommissar Ünal kommt nicht weiter. Niemand hat etwas gesehen oder mitbekommen. Doch es gibt Yanina. Sie hat inzwischen von Hubert einen Ermittlungsauftrag bekommen, weil er selber mal schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht hat. Yanina, die nichts an die Polizei weitergibt, erhält Hinweise: Von der Kneipenwirtin, die zur Tatzeit, ein Lastenfahrrad gesehen hat, vom Urgestein Edmund, der von eben dem Fahrrad verletzt wurde und es dann geklaut hat. Zwischen Weltkonzern und bayerischen Penner entwickelt sich ein spannendes, unerwartetes Ende.

 

Das Hörspiel

 

Hauptperson ist die sympathische, überzeugende Yanina, die auch in der Subkultur zu Hause ist. Ihren Handlungen folgt das Hörspiel, gelegentlich von ihr im inneren Monolog kommentiert. Kommissar Ünal ist eher der Sidekick. Der Autor bietet ein buntes Spektrum von Spielorten, schrägen Figuren und immer wieder unerwarteten Ideen. Das alles tief verwurzelt im Touristen-Bayrisch. Da wird leider eine Marketing-Aktion zu einer plumpen Szene. Eisi Gulp spricht charakterstark den Penner Edmund. Die Interpretation der Rolle erinnert stark an den kiffenden Vater aus den Eberhofer-Filmen. Schade. Der Autor erweist sich insgesamt als Kenner der Werke seiner Kollegen. Seine Sprache ist modern und stimmig, manchmal mit ironischem Unterton. Was Logik und Schlüssigkeit angeht, sollte der Hörer nicht allzu kleinlich sein. Regie und Autor führen ihn in ein hörenswertes bayerisches Panoptikum mit reichlich Nebenthemen und einer Vielfalt von menschlichen Charakteren. Es gibt immer wieder neue Pfade und neue Spuren und es bleibt bis zum Schluß spannend. Das Ende ist unerwartet, und gruseliger als erwartet. Das Hörspiel ist kein Seidensticken und der Autor entscheidet sich nicht, ob es ein ernsthafter Krimi ist oder eine Kriminalgroteske.

 

 

 

Fazit

 

Inhaltlich kein Highlight, aber ein unterhaltsames Hörspiel mit starkem regionalem Bezug. Zu genießen, wenn man es nicht bierernst nimmt.

 

 

Wertung 75 %

 

Dauer 52 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Audiothek


Sonntag, 18. August 2024

Gestrandet – Mamma Carlotta macht weiter (2.Episode)

 


 

Wie zu erwarten, setzt Lübbe Audio die Hörspielreihe um Mamma Carlotta im Sommer 24 fort. Die italienisch-stämmige Seniorin pfuscht mal wieder ihrem Schwiegersohn bei seinen Ermittlungen auf Sylt ins Handwerk. Gisa Pauly ist seit Jahren eine der erfolgreichsten Krimiautorinnen. Die Geschichten leben von den sympathischen Figuren, einer spannenden Handlung und dem speziellen Reiz der Insel Sylt.

 

Inhalt

 

Mamma Carlotta macht sich erneut auf den weiten Weg nach Sylt. Zu ihren Enkeln und ihrem Schwiegersohn Erik, der dort als Kommissar arbeitet. Kaum angekommen muss Erik zu einem Einsatz. Die vermögende, alleinlebende Frau Feddersen wurde offensichtlich getötet. Sie klagte schon eine Weile, dass jemand nächtens in ihr Haus eindringt und Kleinigkeiten stiehlt. Doch die Nachbarn mochten der alten Dame nicht glauben. Wer könnte Interesse an ihrem Tod haben? Am ehesten ihr Neffe Mathis, der in der Nähe ein Hotel betreibt, das sich nur mühsam über Wasser hält. Aber er und seine Frau Valerie haben ein Alibi. Entsetzt über den Tod ist auch Frau Zöllner, die ihre Reise nur angetreten ist, um Frau Feddersen zu besuchen.  Nun kommt Mamma Carlotta ins Spiel, denn sie hat die Zöllner auf der Anreise kennengelernt. Zöllner bittet sie um Hilfe. Sie muss in der Wohnung der Feddersen ein wichtiges Dokument suchen. Die beiden beschließen, mitten in der Nacht, in die polizeilich versiegelte Wohnung einzusteigen. Doch sie werden gestört. Zöllner ist schon in der Wohnung und Carlotta kann sich gerade noch verstecken. Am nächsten Morgen wird Frau Zöllner tot in der Wohnung aufgefunden. Die Ermittlungen der Polizei decken falsche Alibis, falsche Identitäten und dramatische Familienschicksale auf. Mamma Carlotta immer mittendrin. Nie weiß man, ob sie hilft oder stört.

 

Das Hörspiel

 

Der komplexen Geschichte kann man mit einer kurzen Inhaltsangabe kaum gerecht werden. Der Hörer folgt der Polizeigruppe mit einer nervigen Staatsanwältin, dem einfältigen Assistenten und dem ehrlichen Erik Wolf. Mamma Carlotta findet Hilfe bei ihren Enkeln und den Sylter Originalen Tovje und Fiete. Alle anderen sind irgendwie verdächtig. Die Autorin legt jede Menge Spuren und falsche Fährten. Gelegentlich muss der Hörer aufpassen, den Überblick nicht zu verlieren. Die Story wird Regionalkrimi gemäß mit viel Ruhe und Lokalkolorit erzählt. Garniert mit der temperamentvollen Mamma und ihren Kochkünsten. Musik und Geräusche sind stimmig und zurückhaltend. Die Sprecher erledigen ihren Job. Alle durchweg ordentlich, aber niemand, dessen Stimme sich einprägt oder gefangen nimmt. Mamma Carlotta hätte gut etwas mehr italienischen Einschlag vertragen. Wie in der ersten Episode dominiert eine Sprecherin den Verlauf des Hörspiels. Das ist schlimm genug. Aber auch die anderen Personen erzählen permanent Ereignisse aus der Vergangenheit. Trotz zweier Toter kommt dadurch kaum Spannung auf. Nur die Neugier hält den Hörer bei der Stange. Mitdenken oder Mitfühlen sind nicht möglich, da die Autorin immer mit neuen Ideen kommt, die der Hörer beim besten Fall nicht ahnen kann. Regie und Bearbeitung hätten hier aus der ambitionierten Vorlage viel sorgfältiger die Besonderheiten des Hörspiels nutzen müssen. Ein besonderes Anliegen ist der Autorin, auf das Schicksal junger Mütter und ihren viel zu früh geborenen Kinder hinzuweisen. Daraus einen Krimi zu machen, ist schon was.

 

Fazit

 

Ein ordentlicher Regionalkrimi mit wenig Spannung, aber sympathischen Figuren und Umfeld. An solche Stoffe sollte der Verlag Hörspielprofis lassen.

 

Wertung 65 %

 

Dauer 128 Min.

 

Verfügbarkeit

 

bei Amazon

 

Hörprobe bei Lübbe Audio

 

 

 

 


Sonntag, 11. August 2024

Adel verpflichtet – Morgan und Bailey gehen weiter

 


 

Mit Schirm, Charme und Gottes Segen lösen der katholische Pfarrer Charles Morgan und die evangelische Pastorin Rose Bailey im beschaulichen Städtchen Heaven’s Bridge an der Küste Neuenglands spannende Fälle. Herrlich klassisch und modern zugleich, stehen seit 2016 "Morgan & Bailey" von Contendo Media ganz in der Tradition der beliebten britischen Krimiklassiker. Interessante Figuren, rätselhafte Mordfälle und mittendrin ein charmantes Ermittler-Duo mit ganz eigenen Methoden. Nun veröffentlicht der neue Vertriebspartner Holysoft, die alten Folgen und ab Folge 16 auch neue Fälle.

 

 

Inhalt

 

Pfarrer Charles Morgan darf eine angenehme Pflicht wahrnehmen: Diane Towers, Tochter aus adligem Hause und Donald Green werden heiraten und Morgan soll die Trauung übernehmen. Allerdings ist die Tochter aus gutem Hause nicht ganz einfach. Alles soll perfekt sein, selbst ein Wedding-Planer wurde engagiert. Verständlich bei einer Feier mit mehr als 80 Gästen und das Alles im unter freiem Himmel.  Doch wie immer ist die Wirklichkeit nie so schön wie der Wunsch. Ihre lesbische Ex-Freundin taucht auf, obwohl sie Kontaktverbot hat, ihr künftiger Gatte hängt am Telefon. Offenbar laufen seine Geschäfte nicht so gut, wie sie sollten. Doch als sich endlich alles zum Guten wendet, wird der kerngesunde Donald tot aufgefunden. Eine schnell angeordnete Obduktion deutet auf ein Gift im Sektglas hin. Detective Laurie Howard lässt das Gelände absperren, da sich ein möglicher Täter unter den Gästen befinden muss. Der Sekt wurde vom leutseligen Harry, dem Caterer, geliefert. Aber die sicher gestellte Flasche war nicht von ihm, sondern ein Gastgeschenk. Howard überprüft alle möglichen Motive und Gelegenheiten. Die orts-und familienkundigen Pfarrer Morgan und Bailey unterstützen sie dabei. Endlich eine heiße Spur. Leland Sheridan, der Geschäftspartner des Bräutigams verschwindet unerlaubt. Er wird auf frischer Tat beim Tierschmuggel erwischt. Und dann wird noch ein Mordversuch an der Braut in letzter Sekunde verhindert. Eine alte lateinische Weisheit „Amor vincit omnia“ (Liebe besiegt alles) führt zur Lösung des Falles.

 

Das Hörspiel

 

Obwohl es in Neuengland (USA) spielt, erinnert alles an die Atmosphäre des guten alten englischen Krimis: Pub, Feier im Freien und snobistischer Adel. Unterlegt mit schöner Musik lässt sich der Hörer auf diese Stimmung ein und lauscht ungestört den Untaten. Die Story umfasst nur wenige Stunden des Nachmittags und spielt im Wesentlichen im Freien. Wichtigste Ermittlerfigur ist Detective Laurie Howard. Alexandra Lange spricht sie mit warmem, aber selbstsicherem Ton. Sie hat das Heft jederzeit fest in der Hand und wird von den Pfarrern lediglich unterstützt. Dieses Team muss sich durch echte und falsche Fährten kämpfen. Auch die lesbische Ex-Freundin ist mit Laura Thomas glänzend besetzt. Der alte Fahrensmann Tennstedt spricht den Pfarrer Morgan sympathisch und routiniert. Bis auf den Ausrutscher Harry ist alles guter Durchschnitt. Das Erzähltempo ist angemessen und der Hörer kann den Fährten gut folgen, wird aber am Ende doch überrascht. Die Sprache des Autors ist eher modern. Da fällt schon mal der schöne Satz: „Da nicht für“. Die heimelige Atmosphäre darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass so heikle Themen wie Kontaktverbot, lesbische Liebe und Tierschmuggel aufgegriffen werden. Die Reihe setzt also nicht nur auf vertraute Stimme, sondern auch auf Atmosphäre und Handlung.

 

Fazit

 

In dieser Folge klingt nichts altbacken. In Form und Inhalt eine attraktive Alternative zu den vielen Küsten-und Inselkrimis. Da darf der Hörer schon über manche Schwächen hinweghören.

 

Wertung 70 %

 

Dauer 54 Min.

 

Verfügbarkeit

 

Amazon Music


oder den gängigen Streamingdiensten

 

Hörprobe bei Thalia

 

 

 

 

Sonntag, 4. August 2024

Zu heiß gewaschen – Im Waschsalon für Geld

 

© ARD / Jürgen Frey

 

 

Passend zum EM-Spiel England – Türkei ist die 6. Episode mit der türkisch-stämmigen Yelda Üncan und dem englisch-stämmigen Jeremy Brooks erschienen. Radio Bremen betont immer sehr stark den lokalen Charakter, die Krimis spielen am Meer, an der Weser oder im typischer Hafenmilieu und sind eher „hart“. Die Kult-Hörer freuen sich über eine Rolle mit Jens Wawrczeck.

 

Inhalt

 

In der Weser wird eine Leiche geborgen. Sie befand sich in einer Stahlblechkiste. Sie sollte also gefunden werden, denn die enthaltene Luft hält die Kiste oben. Die Brutalität und die Methode sprechen für Clan-Kriminalität. Sonst gibt es keinerlei Hinweise. Also wird Jeremy Brooks gebeten, seinen Bruder Markus anzusprechen. Markus ist krimineller Drogenhändler, gibt aber der Polizei gelegentlich Hinweise. Und ist clever, denn er lebt immer noch. Doch diesmal ist auch Markus verschwunden. Doch dann erscheinen im Netz Videos von der Tötung. Nachforschungen über einen Hashtag führen zu einer Telegram-Gruppe und letztlich zu einer WG, in der der Tote gelebt hat. Die Mitbewohnerin vermisst auch den zweiten aus der Gruppe Chris. Hat das alles was mit Markus zu tun? Der tote Lukas hat offenbar versucht, dringend notwendiges Geld bei Markus zu erbetteln. Aber wieso muss Markus dringend extrem viel Geld aus dem Notfall-Fond überweisen? Die Situation bleibt unübersichtlich und wird immer gefährlicher.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel ist ausgesprochen spannend und zügig inszeniert. Immer wieder hochbrisante Polizeieinsätze und schwierige Situationen. Es geht um Leben und Tod in nur wenigen Stunden. Es ist nicht ganz einfach, den Überblick zu behalten. Wer zu wem gehört. Die Szenen sind kurz und abwechslungsreich: Befragungen, Handytelefonate, Durchsuchungen, Drohneneinsatz, Dialoge voller Angst und Verzweiflung. Das volle Programm. Das Thema Geldwäsche wird hier von einer ganz anderen Seite beleuchtet: Netzaffine junge Leute waschen für wenig Kohle und riesige Gefahr Geld für die ganz großen Haie. Safier und Lüttmann erzählen dies ohne erhobenen Zeigefinger. Die Sprache ist sehr jugendaffin, was ja zur Zielgruppe passt. Bei allem Tempo nimmt sich die Regie Zeit, die verzweifelte Lage der lebensbedrohlich eingesperrten Markus und Chris im Dialog hörbar und spürbar zu machen.

Die entscheidenden Schwächen der vorhergehenden Episoden sind aber weiterhin vorhanden. Den Personen fehlt die Tiefe, ihr Charakter. Sie sind wenig glaubwürdig. Der clevere Drogenboss Markus, wird plötzlich von einem Kleinkriminellen entführt?! Wie auch wieder die Handlung, die über weite Strecken an den Haaren herbeigezogen ist. Die beiden Ermittler durchsuchen allein das Haus, in dem sie den Clan-Boss vermuten. Ein Kleinkrimineller wird als Befrager in eine Zelle eingeschleust. Na ja, getreu dem Motto „Alles was man sich ausdenken kann, kommt in Wirklichkeit auch vor“, kann man es durchgehen lassen. Aber als Hörer möchte man doch gerne der Spur folgen können.

 

 

Der Hintergrund

 

With a little help of KI lässt sich schnell erkennen, dass diese Form der Geldwäsche ein ernst zu nehmendes Problem ist und viele Jugendliche ins Unglück stürzt. Die Clans haben längst die jugendaffinen Medien zu nutzen gelernt. Tiktok oder selbst honorige Streaming-Dienste werden zur Geldwäsche genutzt. Es darf halt nicht zu heiß gewaschen werden.

 

Fazit

 

Radio Bremen sendet den einzigen Tatort, der sich in Form und Inhalt an junge Menschen richtet. Vielleicht findet er für diese Gruppe den richtigen Ton. Für alte weiße Männer ist es eher unterhaltsame Durchschnittsware und die abstruse Handlung ärgerlich.

 

 

Wertung 65 %

 

Dauer 52 Min.

 

Verfügbarkeit

 

In der Audiothek


Die Tote im Feuer – Noch ein Insel-Küsten-Krimi !

    Insel- und Küstenkrimis gibt es wie Sand am Meer. Aber Leser und Hörer lieben diese Atmosphäre, die an Urlaub erinnert. Kein Wunder also...