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Von Amrei-Marie - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0
Friedrich Ani ist mit seinen Krimis sicherlich der renommierteste deutsch-sprachige Autor. Glücklicherweise hat er immer wieder auch Originalhörspiele fürs Radio geschrieben. Überwiegend mit den gleichen Protagonisten wie in seinen Büchern: Tabor Süden, Jakob Franck und zuletzt Fariza Nasri, die wie der Autor einen syrischen Hintergrund hat. Mit der Anfang 2025 erschienenen „Geisterstadt“ legt Ani einen Ermittler-Krimi und wieder auch eine Liebeserklärung an München und seine Bewohner vor.
Der Inhalt
Bernd Werneck betreibt seit Jahrzehnten einen Autor-Scooter auf der Auer-Dult in München. Einem Jahrmarkt für Münchner. Nur mit seiner Frau Stefanie und dem Gehilfen Jens Gallo. Gelegentlich hilft auch der Sohn Lukas aus. Doch die Zeiten werden schwerer: Die Kunden immer weniger und die Gebühren immer mehr. Werneck fängt das Saufen an. Und wird eines Nachts erschlagen auf der Festwiese aufgefunden. Jakob Franck, der Rentner und Ex-Kommissar überbringt die Nachricht der Ehefrau und hört sich anschließend auf der Auer-Dult um. Lauscht den Gesprächen beim Dosenwerfen, staunt über die Umsätze des Standes mit Geschirr. Fariza Nasri und ihr Team ermitteln systematisch: War es ein Unfall? Oder gar Mord? Nachforschungen und Befragungen ergeben viele Informationen, die alle nicht weiterhelfen. Die Ständler halten zusammen und schwärzen niemand an. Hier geht es auch um Existenzen und ehrwürdige Familienbetrieb. Am dritten Tag der Ermittlungen, dann doch ein schwaches Lichtlein, das einen Blick in das Dunkel der Aurer-Dult erlaubt.
Das Hörspiel
Das Hörspiel gibt drei Tage mühsamer Ermittlungsarbeit mit allen polizeilichen Verfahren wieder. Immer wieder Befragungen der gleichen Personen. Nasri kommentiert gelegentlich in der Ich-Form. Franck, der Überbringer schlechter Nachrichten, schlendert derweil über die Auer-Dult, schaut genau hin und hört genau zu. Eine wunderschöne Szenerie und ein Hörvergnügen. Man sollte den bayerischen Zungenschlag allerdings mögen. Jenseits der Fakten ergibt sich ein Bild dieser vorgegaukelten Jahrmarktswelt mit ihren Schicksalen, Sorgen und schrägen Typen. Der Autor Ani öffnet den Vorhang und blickt dahinter. Häufig auch mit Altersweisheiten. Es geht also weniger um Spannung, sondern um Menschen. Beeindruckend inszeniert und gesprochen. Jeder Teil schildert einen Tag, mit einer knappen, hilfreichen Einführung. Das Team überzeugt, weil jeder seinen eigenen Weg geht und seinen Teil zur Ermittlung beiträgt. Nasri ist der ruhende Pol. Leider gleitet Ani an vielen Stellen ins Klischee ab, indem er mit allseits bekannten Vorurteilen spielt. Nach dem Motto: Ihr da oben, wir da unten. Der geübte Krimihörer wird bei den Befragungen seine Zweifel haben, ob sie so stattgefunden haben. Aber letztlich ist der Krimi auch ein Hörspiel über Familiendramen, über die Kunst des Hörens und Redens und gegenseitigen Respekt sowie einem ganz weiten Begriff von Multikulti.
Fazit
Ein typischer Ani mit sorgfältig formulierten Texten und Dialogen, lauschenswerten Charakteren und ganz viel Klugheit. So wünscht man sich anspruchsvolle Spannung.
Wertung 90 %
Dauer drei Teile mit insges. ca 154 Min
Verfügbarkeit
ARD Audiothek
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