Dienstag, 14. Dezember 2021

Der letzte Trychler- Abschluss einer hörenswerten Trilogie

llustration »Der letzte Trychler« | © ARD / Jürgen Frey

 

Außerhalb der Schweiz werden nur Wenige wissen, dass in einigen Regionen der Schweiz die Trychler gemäß einem alten Brauch mit einer Kuhglocke böse Geister vertreiben wollen. Und diese Trychler stürzen sich in Meiringen wie die Lemminge in den Tod. Nur einer überlebt.

 

Eine neue Welt

 

Die Handlung spielt im touristisch beliebten Meiringen in der Schweiz. Wir haben das Jahr 2050. Meiringen wird gelegentlich von einem ohrenbetäubenden Lärm überfallen, der für Menschen nicht auszuhalten ist, sie zur Verzweiflung bringt, ja sogar in den Tod treibt. Niemand kennt die Ursache und das Schweizer High-Tech-Militär nimmt sich der Sache an, als sich hunderte Trychler in den Tod stürzen. Bis auf eine sind die anderen jahrhunderte alten Glocken zerstört. Die Tradition der Geistervertreibung droht zu enden.

 

Mit modernsten Methoden untersucht das Militär die Ursache. Dabei nutzt sie auch die Unterstützung der „Ear Force One“.  Einziges Mitglied dieser Einheit ist ein Relikt aus der Vergangenheit: H.P. Anliker, der seine Sinne mit modernsten Audiotechnologien verknüpft und glaubt, die Lösung dieser dramatischen Situation zu finden. Anliker läuft mit offen Augen durch den Ort, spricht mit alten Menschen, aber auch mit Glocken! Auf dieser Spurensuche findet der Lonesome Cowboy Hinweise auf die Vergangenheit, begibt sich zum Teil auf die Suche nach sich selbst. Schnell gerät er in Konflikt mit seiner Chefin bei der Armee. Wird Meiringen vor der Zerstörung gerettet.

 

 

Das vollständige Kunstwerk

 

Der letzte Trychler ist die Endfolge einer Trilogie des Schweizer Hörfunks, die innerhalb der Radiotatort – Folgen gesendet wurden. Sie ist in gewisser Weise auch der krönende Abschluss. Im Mittelpunkt jeder Folge stehen Anliker und der Ort Meiringen mit den Reichenbachfällen. Der Conan Doyle Fan wird schweigen, genießen und neugierig sein. Die Folgen beginnen im Jahr 1901 (1. Teil) und enden 2056! Der geneigte Leser merkt schon, hier geht es nicht um einen Reality-Crime.

 

Die bewährten Autoren Berger, Cavelty und Holliger holen weit aus und zeichnen das Bild einer sich immer wieder verändernden Welt, in der alte Bräuche, die den Menschen Sicherheit geben, aussterben und neue Technologien, Ängste verursachen. Jede Folge ist ein in sich abgeschlossener spannender Kriminalfall. Aber die drei Folgen sind viel mehr: Mystery, Fantasy, klassische Polizeiarbeit und immer auch weitgreifende Inputs für spannende Diskussionen.

 

Das Beste zum Schluss

 

Vor allem aber ist die letzte Folge ein akustisches Kunststück:

 

„Jetzt bin ich aber im völlig falschen Hörspiel.“
„Anliker, was ist mit Ihnen?“
„Meine eigene Stimme ist auf dieser Scheiß-Glocke drauf. Und zwar vor – warten Sie – 165 Jahren: Das hieße nicht nur, dass ich vor 165 Jahren schon einmal hier gewesen sein muss, sondern auch, dass diese Glocke damals in meiner Nähe war.“

 

Die Musik-Geräusch-Konstruktionen von Ulrich Bassenge sind ein Erlebnis für die Ohren, wenngleich gelegentlich übertrieben. Die Autoren haben einen Text geschrieben, in dem jedes Wort sitzt: „Zum Toten Winkel“ heißt ausgerechnet ein Altersheim, im dem als einziger Flecken im Ort der Weltenlärm nicht zu hören ist.

 

Die Sprecher sind bis auf die kleinste Rolle bestens besetzt und immer sehr gut, auch für Nicht-Schweizer zu verstehen.

 

Der Handlung zu folgen erfordert Aufmerksamkeit, Fantasie und Mitdenken. Aber es lohnt sich. Der Regisseurin Susanne Janson ist es gelungen, Kriminalspannung und Fantasy zu einem Hörereignis ersten Ranges zu verknüpfen. Eine „preis-würdige“ Inszenierung, die hoffentlich ermuntert, auch die vorhergehenden Folgen zu hören.

 

Das Hörspiel ist also eher etwas für Genießer und Kenner. Insofern wird sich die typische Hörergemeinde des Radio Tatorts schwer tun. Es hebt sich nämlich von den zunehmend schlichten und einfallslosen Stories des Radio Tatorts deutlich ab.

 

Der Schweizer Krimipodcast

 

Die Meiringer Triologie des SRF ist eine gute Gelegenheit auf die Arbeit des Redaktionsteams aufmerksam zu machen. Susanne Janson und Wolfgang Höll präsentieren jede Woche ein Kriminalhörspiel. Darunter sind mutige Stücke, wie die Meiringer Trilogie, aber auch Klassiker wie Dickie Dick Dickens, Paul Temple oder Hunkeler und aktuelle Eigenproduktion wie z.B. vom Rabbi Klein.

 

Die Beiden stellen jeweils das Hörspiel vor, diskutieren ein wenig darüber und halten engen Kontakt zu ihren Hörern. Gelegentliche Links ermöglichen eine inhaltliche Vertiefung. Dieses deutsch-sprachige Angebot ist wirklich einzigartig und sollte für deutsche Sendeanstalten ein Vorbild sein.

 

Fazit

 

Der letzte Trychler ist ein Hörspiel für Kenner und Genießer. Weit entfernt von den beliebten True-Crimes. Hier ist jeder Ton des Hörens wert. Es eignet sich weniger zum Reinhören beim Bügeln oder Joggen. Beim Roman würde man hier wohl von einem anspruchsvollen Buch sprechen, das nichts gemein hat mit Regionalkrimis.

 

 

Wertung

 

85 %

 

Das Hörspiel steht in der ARD-Audiothek oder direkt im SRF-Krimipodcast zum Download bereit.

 

Links

 

https://www.srf.ch/audio/krimi/premiere-schweizer-radio-tatort-der-letzte-trychler?id=12003935

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