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Buchcover |
Niel veröffentlichte seinen Roman Noir 2017 auf Französisch. Deutsch ist er Mitte 2021 erschienen. Der große Erfolg führte schon 2019 zu einer Verfilmung unter dem Titel „Die Verschwundene“.
Ungewöhnlich ist die Erzählweise: Die Story wird nicht linear erzählt, sondern jeweils neu aus der Sicht von 5 Personen. Dies schreit geradezu nach einer Bearbeitung im Hörspiel, die der Deutschlandfunk seit März 2022 auch sendet.
Inhalt
Auf
den Höhen des französischen Zentralmassiv verschwindet, im tiefsten Winter, die
wohlhabende Évelyne Ducat spurlos. Ist sie auf einer ihrer einsamen Wanderungen
in eine Schlucht gestürzt? Die schwierige Suche
in den Schluchten und Karsthöhlen
bleibt erfolglos. Oder liegt ein Mord an dieser leicht überheblichen,
ungeliebten Neureichen vor? Gesucht wird auch beim Schafzüchter Joseph, dessen
Hof in unmittelbarer Nähe des verlassenen PKW´s steht. Verdächtig ist auch die
junge, hübsche Geliebte der Évelyne, die von ihr schnöde sitzen gelassen wurde.
Die lokale Polizei ermittelt akribisch, stösst aber immer wieder auf Mauern des
Schweigens bei den verschlossenen Einwohnern. Alice, eine junge, offene
Sozialarbeiterin, die viel umherkommt, kennt diesen Menschentypus. Kann sie
helfen? Sie war lange Zeit die Geliebte des Schafzüchters Joseph und gerät selbst
in Verdacht, nachdem ihr eigener Mann verschwindet. Und dann gibt es noch den
Telefonbetrüger von der Elfenbeinküste.
Der Hörer muss sich gedulden. Erst gegen Ende zeichnen sich die tatsächlichen Geschehnisse ab.
Die Tiere
Anders als der Titel erwarten lässt, spielen Tiere keine große Rolle, auch wenn man sie immer wieder deutlich hört. Die Tierhaltung geschieht nicht aus Liebe zum Tier, sondern zum Gelderwerb, der in Zeiten von EU-Bürokratie zunehmend schwieriger wird. Tiere brauchen Pflege, Zeit und ein wenig Liebe. Das Kontingent an Liebe scheint erschöpft, denn es fehlt den Menschen.
Die Menschen
Das Hörspiel gibt 5 Menschen Raum, ihre Geschichte zu erzählen. Und so wie jeder seinen eigenen hörenswerten Charakter hat, ist auch die Wahrnehmung der Realität eine andere. Wir hören sozusagen 5 Variationen derselben Geschichte. Diese Geschichten handeln alle auch von Träumen, Hoffnungen, Entbehrungen und Enttäuschungen. Die Sprecher machen einen tollen Job und malen ein lebensechtes Bild der Personen. Mir persönlich ist lediglich die Alice etwas zu flapsig, manche Stimme klingt eher norddeutsch. Französisches Flair kommt nicht auf. Das Hörspiel besteht aber nicht nur aus Monologen, denn es spielen viele Menschen mit, die aus einer Todesgeschichte ein Sittenbild machen.
Die Gegend
Die Handlung spielt in den Causses, einer kargen Hochebene im französischen Zentralmassiv. unwirtlich und unerbittlich. Das Leben dort oben ist hart, zumal im Winter. Leben ist nur durch Zusammenhalten möglich, dennoch sind sich die Menschen fremd.
Welch Gegensatz zur Elfenbeinküste, der Heimat des Telefonbetrügers.
Das Hörspiel
Der Ansatz, eine Geschichte aus 5 Perspektiven zu erzählen, ist einfallsreich und extrem spannend, da der Hörer immer wieder Neues und Anderes erfährt. Bei manchen Monologen ist es denn doch des Guten zuviel und nicht jede Person wirkt überzeugend. Aber dies ist eher dem Autor anzulasten. Die Regie vermeidet geschickt den Kitsch eines Regionalkrimis und stellt die Menschen und ihre Schicksale in den Vordergrund. Ein Intro macht den Hörer mit der Hauptperson vertraut. Den folgenden Rückblick könnte man sich sparen. Wer die Episoden zuvor nicht parat hat, findet keine Hilfe. Es folgt dann eine Mischung aus Monologen und Spielszenen.
Ich kenne kein Hörspiel, dass eine Geschichte von Enttäuschung und Einsamkeit so spannend und unterhaltsam darstellt.
Fazit
Trotz des großen Erfolgs hat die literarische Vorlage einige Schwächen. Dem Hörspiel ist es gelungen, die Leitmotive „hörenswert“ zu machen. Es lohnt sich alle 5 Episoden zu hören, frei nach dem Motto: Der Weg ist das Ziel.
Wertung 80 %
Dauer 4 Episoden zu ca. 28 Min; die letzte nur 9 Min
Verfügbarkeit
Nicht ganz einfach in der ARD Mediathek, da die Suchfunktion nicht hilft:
https://www.ardaudiothek.de/episode/kriminalhoerspiel-deutschlandfunk-kultur/nur-die-tiere-1-5-alice-krimi-raetselhafter-fall-im-zentralmassiv/deutschlandfunk-kultur/10358291/
Links
Interview mit Colin Niel zu seiner Arbeit
Die Verfilmung unter dem Titel: Die Verschwundene; hiert Trailer
Ein Eindruck von der Landschaft
Rezension des Buches vom SWR2
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