Donnerstag, 21. Juli 2022

Freiheit – Viel Nachdenkliches, weniger Spannung

 

© ARD / Jürgen Frey

Mit „Freiheit“ stellt das RBB die 4.Folge seines Radio Tatorts mit dem psychisch belasteten Christian Wonder und seiner trinkfesten Chefin Ariane Krause ins Netz. Der Autor Tom Peukert ist ein Hörspielroutinier und hat mit seinem Helden Doberschütz viele Fans gewonnen.  Regie führt wie zuletzt in dieser Tatortminireihe Kai Grehn. Diese Konstanz findet sich auch in den Inhalten. So wird immer wieder die Spurensuche von Wonder zu seiner Herkunft aufgegriffen.

 

Inhalt

 

In einem Berliner Park wird am frühen Morgen eine weibliche Leiche gefunden. Sie wurde offenbar durch mehrere Messerstiche getötet. Es fehlen jegliche Hinweise auf ihre Identität. Auch gibt es keine verfolgbaren Täterspuren. Dank einer Vermisstenanzeige stellt sich heraus, dass die junge Frau im nördlichen Brandenburg in einer Aussteigerkolonie in einem Bauwagen gemeinsam mit ihrem Sohn gelebt und dort ihre persönliche Freiheit gesucht hat. Was hat sie in das kommerzielle Sündenbabel Berlin geführt, in dem ihre Schwester und ihr Vater leben? Die Tote hatte schon vor vielen Jahren eine solide wirtschaftliche Basis für ein Leben in Freiheit und Unabhängigkeit aufgegeben und den Kontakt zur Familie eingeschränkt. Gibt es hier dunkle Motive? Die Familienverhältnisse waren voller Konflikte, aber werden dadurch Vater oder Schwester zum Mörder?

Die Ermittlungen in der Aussteigerszene zeigen, dass die Tote zuletzt Probleme hatte, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Um ihren Sohn hat sie sich wenig gekümmert, eine Liebe hat sich zerschlagen. Aber bringt ein Bio-Bauer seine Verflossene gleich um?

Wonder begibt sich in vielen Verhören und mühsamen Ermittlungen auf Tätersuche, löst den Fall aber nur, weil technische Überwachungsmöglichkeiten ihm den entscheidenden Hinweis geben.

 

Das Team

 

Wonder ist psychisch angeschlagen und kann nur begrenzt arbeiten, er denkt an Frühverrentung. Er ist auf der Suche nach seiner Herkunftsfamilie, die ihn in Tagträumen immer wieder aus der Bahn wirft. Auch die regelmäßigen Sitzungen bei einer Psychologin helfen ihm nicht. Die illegal verabreichten Rauschmittel wirken nur kurzzeitig.

Seiner russischstämmigen Chefin geht es nicht viel besser, sie ertränkt ihre Sorgen in Alkohol. Dennoch bilden die beiden ein effektives Paar, das sich gut ergänzt. Glänzend gesprochen von Felix Kramer und Margarita Breitkreiz. Allerdings ist es gelegentlich der Suffstimme zu viel des Guten. Am Ende des Hörspiels hat man den Eindruck, dass es dieses Team nicht mehr lange geben wird.

 

Freiheit

 

Freiheit ist das Einzige was zählt, sang Marius Müller-Westernhagen bereits 1987. Das Thema Freiheit zieht sich in vielfältigen Zusammenhängen durch das Hörspiel. Hat das Austeigerleben die ersehnte Freiheit gebracht? Macht der Wunsch nach Freiheit den Rückhalt in einer Familie kaputt? Liebe ist immer auch Rücksicht auf den/die Andere/n. Welche Freiheit darf ein Kind erleben, ohne Sicherheit zu verlieren? Welche Freiheit lässt der Polizeiapparat seinen Kommissaren? Peukert gibt keine Antworten, sondern viele Denkanstöße zu diesem wichtigen Thema. Der Hörer sollte sich nach dem Zuhören, auf das Nachdenken einlassen und über die dramaturgischen Schwächen hinweggehen.

 

Das Hörspiel

 

Wie gewohnt ist das Hörspiel sehr professionell inszeniert. Man hört die Erfahrung von Regie und Autor ganz deutlich. Viele bestens getimte Szenen in unterschiedlichen Umgebungen, die für ein gewisses Tempo sorgen, ohne den Hörer zu überfordern. Es gibt Glanzstücke wie das zähe, schwierige Gespräch Wonders mit dem kleinen Jungen der Toten, aber auch Fehlgriffe wie die absolut übergriffige Polizeiaktion Wonders Chefin bei seiner Therapeutin. Inhaltlich gibt das keinen Sinn. Es ist nicht nachzuvollziehen, wie eine Redaktion dem Autor einen solchen Fehlgriff durchgehen lässt.

Auch die anderen Figuren haben einen erkennbaren Kopf und werden charakterstark gesprochen. Wonder ermittelt trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen konsequent, aber einfühlsam. So hat das Hörspiel immer neue Spannungsmomente, wenn sich mal wieder ein Verdacht zerschlägt.

Musik und Geräusche bilden nicht nur ab, sondern erzeugen auch Stimmungen. Damit entstehen häufig schöne Bilder im Kopf.

Eigentlich ein rundum gelungenes Hörspiel mit spannendem Thema, wenn da nicht die Überbetonungen um das Team wären:Wonder und seine Therapeutin, seine Suche nach der Herkunft und Ariane Krause, die im wirklichen Leben schon längst in Therapie oder entlassen wäre.

 

Fazit

 

Wieder ein schönes Beispiel dafür, dass das Reihenformat des Radio Tatorts an seine Grenzen stößt. Manche schöne Grundidee läuft mit der Zeit ins Leere, wird aber fortgesetzt, um nicht immer neue Teams einzuführen. Schade um dieses professionell und spannend inszenierte Hörspiel.

 

Wertung 65 %

 

Dauer 54 Minuten

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Audiothek

 

https://www.ardaudiothek.de/episode/ard-radio-tatort/tom-peuckert-freiheit/ard/10571735/

 

 

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