Montag, 25. Juli 2022

Goldstein – Teil 3 der Berliner Hörspielreihe nach Volker Kutscher


 

Der Kriminalautor Volker Kutscher hat in den letzten Jahren eine Reihe erfolgreicher Krimis geschrieben, die alle im Berlin der 1920 und 1930-Jahren spielen. Sie sind so erfolgreich, weil sie eine intensive Milieustudie dieser Zeit und spannende Unterhaltung bieten. Im Mittelpunkt stehen der zugereiste Kölner Kommissar Gereon Rath und seine Freundin Charlotte Ritter, die trotz aller Demütigungen und Benachteiligungen als Juristin in den Polizeidienst möchte.

Die ersten Episoden wurden unter dem Titel „Babylon Berlin“ weltweit erfolgreich in inzwischen zwei Staffeln verfilmt. Auch für das Radio gab es mit „Der nasse Fisch“ (2018) und „Der stumme Tod“ (2020) zwei Hörspieladaptionen. Nachgeschoben wurde 2018 ein einstündiges Prequel mit dem Titel Moabit. Goldstein ist nun im Juni 2022 die dritte Adaption, produziert vom WDR und anderen. Erneut wurde hier ein Kriminalhörspiel mit viel Liebe, hohem Aufwand und vertrautem Team produziert Diesmal gibt es 4 Folgen von jeweils ca. 50 Minuten

 

Inhalt

 

Die blutjungen Gelegenheitsdiebe Benny und Alex lassen sich 1931 im sagenumwobenen, reichen KaDeWe einschließen. Völlig unerwartet taucht die Polente auf und bei einem spannenden Showdown stirbt Benny. Ein Polizist hat den an der Fassade hängenden Benny die Handknochen gebrochen und fiel auf den tiefen Boden. Alex kann fliehen. Wie ein spannender Spielfilm beginnt dieses Hörspiel und erzählt die Geschichte von Alex, deren Hehler auch noch ermordet wird und die zufällig von Charlotte Ritter gefasst wird. Charlotte hat Verständnis für sie und riskiert bei eigenen Ermittlungen innerhalb der Polizei ihren weiteren Werdegang.

Die zweite Geschichte handelt von Gereon Rath, der den langweiligen Auftrag erhält, den nicht verurteilten, aber mutmaßlichen jüdischen Mörder Goldstein zu überwachen, der aus den Vereinigten Staaten einreist. Soll der Profi-Killer nun in Berlin tätig werden? Im Auftrag der mafiösen Ringvereine oder um sie auszuschalten? Es beginnt ein spannendes Katz-und-Maus- Spiel zwischen Rath und Goldstein, der sich immer wieder der Observation entzieht. Die Polizei beginnt vorsichtig mit internen Ermittlungen gegen den Polizisten. Am Fundort einer weiteren Leiche wurden Camel-Zigaretten gefunden, wie Goldstein sie raucht. Oder haben die immer frecher und stärker werdenden Nazi-Kampftruppen einen der eigenen ermordet, weil er schwul war?

 

 

Die Inszenierung

 

Der Aufwand für dieses Hörspiel war immens. Die Sprecherliste ist lang wie selten und alles mit brillanten Sprechern besetzt. Da werden Kölsch, Berlinerisch, Jiddisch und vieles Jargons gesprochen. Auch die Geräuschkulisse ist vielfältig wie selten. Unterweltkneipen, zwielichte Bars, aber auch Pferdegetrappel und Krähen auf der Deponie. Ein Kompliment an die Geräuschemacher. Ein besonderes High-Light sind Musik und Lieder. Viele eigens komponierte Lieder (Couplets) im Stil der Comedian Harmonists, opulente Filmmusik, wie wir sie nur aus Hollywood kennen und einschmeichelnde Begleitungen versetzen den Hörer akustisch in die 30-er Jahre. Wann hört man schon mal ein ganzes Rundfunkorchester?

Die Geschichte wird chronologisch in vielen kleinen Szenen erzählt, in denen neben Goldstein Gereon Rath und Charlotte Ritter auftauchen. Die einzelnen Episoden sind nicht unabhängig voneinander. Leider gibt es keinen Rückblick und der Hörer tut gut daran, einen Blick in die Besetzungsliste zu werfen, um nicht den Faden zu verlieren. Einige dieser Szenen vergisst man nicht: Goldstein bei seinem sterbenden Großvater, der noch vor dem Abendessen im Krankenhaus sterben möchte, weil es nicht lohnt, darauf zu warten.

 

Das Hörspiel

 

Ohne Frage ist den produzierenden Sendern hier wieder ein Solitär in der Landschaft gelungen. Gerade in Zeiten knapper Rundfunkkassen ist man dankbar für diesen Kunstgenuss.

Dennoch gibt es einige Wermutstropfen.

Die Regie meint es mit allem zu gut und erinnert eher an einen Spielfilm als ein Hörspiel. Die Bösen sprechen wie Böse eben sprechen. Zwischentöne gibt es kaum, lediglich bei Charlotte und Gereon. Wenn es brenzlig wird, werden die Stimmen noch tiefer, die Musik noch lauter. Da bleibt kein Platz, beim Hören seine eigene Inszenierung im Kopf zu entwickeln.

Die Vielzahl der Szenen und Handlungsstränge macht es schwer, dem Stoff inhaltlich zu folgen. Zumal viele Szenen, wenig zur Handlung beitragen. Es ist also eher eine Milieu-Studie als ein Krimi. Der Nachteil bei solchen Krimireihen ist ja, dass man vorher weiß, dass Gereon und Charlotte sich irgendwie retten, weil ja noch 5 Folgen kommen. Es gibt spannende Szenen, aber sie resultieren aus Schwächen des Drehbuchs oder sind einfach unglaubwürdig. Welcher Kriminelle klettert schon bei der Flucht auf einen Gasometer? Charlotte und Gereon verhalten sich häufig für den Hörer widersprüchlich, das erhöht die Spannung. Aber dadurch verlieren die Figuren an Charakter. Bei Serienfiguren möchte man schon wissen, woran man ist.  

 

Fazit

 

Als hörenswertes Bild der 30-er Jahre ein Hörspielgenuss mit beeindruckender Musik, sattem Sound und einprägsamen Sprechern. Als Krimi eher durchschnittlich.

 

Wertung 75%

 

Dauer 4 Episoden je ca. 50 min

 

 

Verfügbarkeit

 

Beim WDR mit Besetzungsliste und natürlich in der ARD Audiothek:

https://www1.wdr.de/radio/wdr3/programm/sendungen/wdr3-hoerspiel/krimi-historie-gereon-rath-100.html

 und auf den gängigen Streaming-Diensten


Sonstiges

 

Infos aus Hörspieltipps

Staffel 1: Der nasse Fisch                  

Staffel 2: Der stumme Tod

Das Prequel: Moabit

 

Musik der Komponistin Verena Guido: Der nasse Fisch

 

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