Sonntag, 23. Oktober 2022

Kajetan und die Betrüger – Sittenbild ohne Spannungsfaktor

 

Buchcover

Krimis, die in den 20/30-er Jahren spielen, sind in letzter Zeit schwer in Mode. Da hat sich der Bayerische Rundfunk erinnert, dass einer ihrer erfolgreichsten Autoren bereits 1995 einen atmosphärisch dichten, brillant recherchierten Krimifall bearbeitet hat. Robert Hültner hat nicht nur etliche tolle Radio Tatorte geschrieben und sich eine riesige Fangemeinde erarbeitet, sondern auch eine Buchreihe um den Inspektor Kajetan, die in den 20-er Jahren in und um München spielt. Band 2 der Buchreihe wurde 1995 als stark mundartgefärbtes Hörspiel Walching produziert. Im Sept.2022 legt der BR den Band 4 (2004) der 6-teiligen Buchreihe um Kajetan als Hörspiel vor.

 

Inhalt

 

Der erfolgreiche Kommissar Paul Kajetan täuscht seinen Tod vor und versteckt sich in der Einsamkeit der Berge. Er stand in Verdacht seinen Vorgesetzten ermordet zu haben (Episode: Walching). Nun hat sich die Lage beruhigt und er kehrt im Jahr 1927 nach München zurück, wo er eine kleine Detektei eröffnet und sich mit Fällen von Kleinkriminalität über Wasser hält. Eine Frau wird von ihrem Neffen überredet, in Aktien zu investieren, verliert aber ihre gesamte neue Erbschaft. Ein Künstler wird erpresst, weil er eine junge Frau geschwängert hat. Der Künstler soll nun für die Folgen einer Abtreibung aufkommen. Ein hochgestellter Professor führt in privaten Veranstaltungen Versuche durch, bei denen er angeblich Gold erzeugt. Kajetan tigert durch Kneipen, besucht belebte Märkte und schaut nach den ihm bekannten Pappenheimern. Letztlich sucht er auch den neuen Chef der Münchner Kripo auf, um ihn von seiner Unschuld zu überzeugen oder wenigsten neue Aufträge zu bekommen. Der Neue reagiert freundlich und vermittelt Kajetan einen Rechercheauftrag bei einem jüdischen Rechtsanwalt.

Doch dann passiert ein Unglück: Kajetan kommt mitten in der Nacht nach Hause und findet dort seinen schwerletzten Nachfolger im Amt in der Wohnung liegen. Der Verdacht fällt naheliegenderweise auf Kajetan. Es beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Kajetan muss erneut seine Unschuld klären und den Betrügern auf die Spur kommen. Dabei setzt er sein eigenes Leben aufs Spiel.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel ist eher ein Sittenbild der 20-er Jahre in München als ein Krimi. Die Sprache ist deftig und bayrisch. Die Menschen sind eigen, aber letztlich immer nett und zu einem Deal bereit. Kajetan zieht bei seiner Detektivarbeit durch Wirtshäuser und taucht in verschiedene soziale Kreise. Da bleibt eine Schlägerei nicht aus. Die Hauptfigur Kajetan ist zwar sympathisch, aber der Hörer kommt seinem Charakter nie nahe, sodass der Hörer keine Bilder entwickeln kann, was denn als Nächstes passiert. Das sind zwar alles wunderschön zu hörende, mehrminütige Spielszenen, aber es ist doch sehr behäbig und langatmig. Nach Hören der ersten Episode ist immer noch unklar, ob es ein großes Thema gibt. Politik kommt nur am Rande vor. Keine Hinweise auf diese spannungsgeladene Vor-Nazi-Zeit. Aber viel heile Welt.

Die professionellen Sprecher lassen wirklich kein Rollenklischee aus. Da hilft auch die bayrisch-moderne Begleit- und Zwischenmusik nicht, die durchaus zum Grübeln anregt. Der Spannungsfaktor geht gegen Null. In der zweiten Episode zieht das Hörspiel deutlich an. Aber nach 90 Minuten tapferen Zuhörens bleibt auch die Neugier aus, wie es nun weitergeht. Autor und Regie übersehen, dass seit der Episode Walching mehr als 20 Jahre vergangen sind und es inzwischen tolle Hörspiele gibt, die uns die 20-er Jahre nahebringen, weil sie modern inszeniert sind.

 

Fazit

 

Freunde des bayrischen Dialekts, Anhänger opulenter Sittenbilder, Liebhaber hochprofessioneller Sprecher werden ihre Freude haben. Wer Charaktere, Tempo und Spannung liebt, sollte die Kopfhörer liegen lassen.

Da warten wir doch lieber auf eine neues Hörspiel nach Babylon Berlin.

 

 

Dauer 110 min in zwei Episoden

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek oder BR Hörspielpool

 

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