Dienstag, 15. November 2022

Haus der aufgehenden Sonne – Ani at it´s best

Danke Alexman89/Pixabay

 

Der Autor, Friedrich Ani, dieses Originalhörspiels ist ein kriminalistisches Urgestein, der viele Bücher veröffentlichte und etliche Originalhörspiele für Radio. Er ist eng mit München und seinen Kiezen verbandelt, schreibt aber eher mit feinem Stift und leicht melancholischem Klang.  Wer einen der populärsten Songs der Musikgeschichte zum Titel wählt, tritt mit einem gewissen Selbstbewusstsein an. Der Autor nimmt sich die Zeit, sein Thema in drei einstündigen Teilen zu erzählen. Der Hörer trifft dabei auf zwei typische Ani-Figuren, erstmals zusammen in einem Hörspiel.

 

Inhalt

 

Der Ex-Kommissar Jakob Franck überbringt dem Gastronomen Klaus Nadich die Nachricht vom Tod seines jüngeren Bruders Dirk. Er wurde im Feringasee gefunden. Jakob Franck arbeitet ehrenamtlich für die Polizei als Überbringer schlechter Nachrichten! Der Fall wird von der Oberkommissarin Fariza Nasri und ihrem Team bearbeitet. Die klassischen Ermittlungen beginnen beim Bruder, der keine glaubwürdiges Alibi hat und häufig mit ihm in Streit geriet, weil die Kneipe nicht recht lief. Tatwaffe war ein russisches Militär-Messer, das nur ein Händler in München im Angebot hat. Dann gibt es den zweiten Toten. Mit dem identischen Messer ermordet. Die Polizei sucht fieberhaft nach einem Zusammenhang. Den gibt es. Beide waren regelmäßig Gast in der großzügigen Wohnung der „Trude“, einer älteren Dame, im Glockenbachviertel. Sie ist die Vermieterin der Gaststätte und hatte schon Polizeibesuch wegen Verdachts der Hehlerei. Es gab aber keine Verdachtsmomente wie der Kollege Steffen Behrend vom Drogendezernat bestätigt. Behrend ist aber auch kein Unschuldslamm. Er mobbt die Kollegin Nasri und schlägt sich gerade mit einem Verfahren wegen körperlicher Gewalt rum. Als Videoaufnahmen im Nachbarhaus der Trude sein Auto zeigen, gerät er selbst in Mordverdacht. Kurz darauf wird er ermordet aufgefunden. Sorgfältige Ermittlungsarbeit des Teams um Fariza Nasri und die geduldigen Gespräche des ehrenamtlichen Polizeihelfers führen zur überraschenden Lösung der Fälle. Grund genug, dass die Sonne aufgeht.

 

Das Hörspiel

 

Friedrich Ani ist ein Profi. Teil 1 beginnt und endet mit einem Mord. Teil 2 endet mit einem Mord und Teil 3 mit der Aufklärung. 3 Tote, mind. 5 Verdächtige und ein überraschendes Ende. Blitzsaubere Krimikonstruktion. Die Geschichte wird ohne Erzähler gesprochen, mit gelegentlichen persönlichen Kommentaren von Nasri. Wechselnde Spielorte machen den Hörer beständig neugierig: Das Verhörzimmer der Polizei, eine versiffte Kneipe, ein Etablissement der gehobenen Art, ein Waffenladen. Ein Nachtclub, in dem eine Zeugenbefragung stattfindet, wird somit zur Hörbar. Das Hörspiel lebt von drei Gruppen. Die Polizei mit dem ehrlichen, bunten Team um Nasri und dem zweifelhaften Drogenpolizisten, den Opferfamilien und der Gruppe bunter Mitspieler. Alles von Herkunft, Tonfall und Charakter sehr eigen und überzeugend gesprochen. Kein Dialekt, aber deutliche landsmannschaftliche Färbungen, wie in einer Multi-Kulti-Großstadt eben. Absolut herausragende Sprecher sind Martin Feifel als Jakob Franck und die wunderbare Christiane Blumhoff als Waltraud Asimov. Insbesondere die Dialoge dieser beiden sind ein akustisches Kabinettstückchen wie man es selten hört. Die Redekunst des Überbringers schlechter Nachrichten kann gut und gerne in Gesprächskursen vorgeführt werden. Aber auch die Verhöre in der Polizeistation oder in der Kneipe. Jedes Mal ein anderer, erfolgreicher Weg. Aber neben dem überaus geglückten kriminalistischen Plot erzählt das Hörspiel eine Geschichte von zerstörten Familien, von Menschen, die einsam sind oder ausgegrenzt und einen Ort der Ruhe suchen oder einen Menschen, der ihnen zuhört. Es ist unüberhörbar eine Liebeserklärung an das touristisch überlaufene Glockenbachviertel in München, wo es noch diesen Raum gibt. Kurz vor Schluss gibt es eine berührende Szene mit Jakob und Trudi, die einem im Kino Tränen in die Augen getrieben hätte. Erst am Ende, wenn bereits der Morgen beginnt und die Sonne über München aufgeht, hört man dann den berühmten Song in einer ungewöhnlichen, harten, rockigen Form. Man muss genau hinhören, um ihn zu erkennen. Aber darum geht es Ani wohl auch: Hinhören

Nicht zufällig tickt häufig im Hintergrund eine Uhr, leise musikalische Untermalung umspielt die Sprecher.

 

Fazit

 

Ohne Frage ein kriminalistisches Kunstwerk, Friedrich Ani auf dem Höhepunkt seines Hörspielschaffens. Keine Minute langatmig, spannend und zudem noch bedenkenswert.

Ani und das Produktionsteam führen vor, wie man Regionalkrimis modern, aktuell und hörenswert gestalten kann. Um ein schönes Wort von Ani zu verwenden: Das Hören wird zum „Zeitgenuss“.

 

Wertung  95%

 

Dauer  165 min in drei Teilen

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek oder beim BR              

 

Sonstiges

 

Die im Hörspiel angespielte Song-Version 

 

 

Interview mit Friedrich Ani zu seinem Hörspiel

 

Musik und Komposition 

 

Der Feringa – See 

 

DasGlockenbachviertel 

 

 

 

 

 

 

 

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