Sonntag, 16. April 2023

Russische Botschaften – Spionage Thriller eines Investigativ-Journalisten

 

Buchcover

 

Russische Botschaften ist ein zwei-oder vierteiliges Hörspiel nach dem gleichnamigen Buch des Autors Yashin Musharbash, der als Investigativ-Journalist arbeitet und Recherchen für John le Carré durchgeführt hat. Russische Botschaften ist das dritte Buch des Autors und bereits im August 2021 veröffentlicht worden. Das Hörspiel hat Deutschlandfunk Kultur produziert. Regie hat der bewährte Wolfgang Seesko.

 

Der Inhalt

 

Merle Schwalb sitzt mit dem Chef des Investigativ-Team im Außenbereich eines Berliner Lokals. Wird er ihr die heißersehnte Stelle im Team des Globus anbieten? Plötzlich fällt einen Meter von ihnen entfernt jemand vom Balkon auf die Straße. Tot, jedenfalls denkt Merle es. Doch die Polizei ruft den Notarzt und bringt ihn ins Krankenhaus. Die journalistische Neugier lässt Merle im Krankenhaus anrufen. Nein, der Mann sei schon tot eingeliefert worden. Merle wird neugierig und beginnt auf eigene Faust zu erkunden. Der Tote war Russe und in der russischen Botschaft beschäftigt, allerdings gleichzeitig ein V-Mann des deutschen Verfassungsschutzes und damit ein wichtiger Informant. Als sie eine Nacht mit einem Kollegen des Konkurrenzblattes NZ verbringt, erfährt sie, mehr zufällig, dass ihm ein russischer Informant eine Liste mit 25 Persönlichkeiten übergeben hat, die seit Jahren vom russischen Geheimdienst finanziert werden. Leider sei der Gute gerade tot vom Balkon gestürzt! Die Beiden wittern eine große Story und boxen durch, dass die Konkurrenten NZ und Globus ein gemeinsames Investigativ-Team bilden. Das Team kämpft sich durch Lügen, Verleumdungen Fake-News und droht selbst Opfer zu werden. Gegenseite sind vor allem die mächtigen, skrupellosen Geheimdienste Russlands. 

 

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel wird aus der Sicht der jungen Merle erzählt, die damit dem hochpolitischen Thema auch immer wieder eine persönliche Note gibt. Die Episoden hängen eng zusammen. Hörplätze sind Berlin mit dem politischen Zentrum, eine Wohnung in der Uckermark, in der sich das Team verschanzt hat und Osteuropa, wo die Gegner aber auch Helfer zu Hause sind.

Sehr geschickt verknüpft das Hörspiel dabei die verschiedenen „Betroffenheitsebenen“. Merle ist Mitarbeiterin des Globus und dem Druck ihrer Chefin ausgesetzt. Sie fängt etwas mit dem Kollegen von der Konkurrenz an. Sie verzweifelt, als ihre junge Kollegin mit Sexvideos attackiert wird. Merle ist eben Mensch. Aber ein politischer Mensch. Als überzeugte Journalisten zählt für sie nur die Wahrheit und sie kämpft gegen falsche Botschaften. Das Hörspiel ist also auch eine Erzählung über investigativen Journalismus und hilft dem Hörer, wenigstens ansatzweise, falsche Botschaften zu erkennen. Und das Hörspiel ist hochpolitisch, weil der russische Staat unentwegt falsche Botschaften verbreitet, um Verunsicherung auszulösen. Die brisante Story spielt sich in nur wenigen Tagen ab. Die Erzählweise folgt dem chronologischen Verlauf. Die Meetings in der Uckermark geben jeweils eine Zusammenfassung der bisherigen Rechercheergebnisse.

 

Der Hörer folgt der Erzählung Merles eher mit zunehmender Neugier als mit Spannung. Eine Verfolgungsjagd wird abgebrochen. Aber der Hörer hält gelegentlich den Atem an, weil die Wahrheit so unglaublich ist.

Leider halten Vorlage und Regie diesen hohen Anspruch im Hörspiel nicht ein.  Außer Merle bleiben alle Figuren blass.

Die Vorlage lebt sehr stark von Zufällen in der Handlung. Fragt eine gelernte Investivjournalistin wirklich ihre Helfer: „Darf ich euch vertrauen?“ oder klickt in der Phase höchster Geheimhaltung einen Link an, der die ganze Arbeit gefährdet? Und es gibt viel zu viele Klischees, die eher an Hera Lind als an Le Carré erinnern. Die adlige Chefin heißt beständig „Das dritte Geschlecht“, weil für sie nur der Adel zählt. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum Investigativ-Profis gefühlten 20-mal erklärt werden muss, dass GRU der russische Militärgeheimdienst ist.

Der Text ist mit seinen Anglizismen anbiedernd auf Groschenromanniveau. Da fährt Merle in einem „pornofarbenen Tschechenexpress“ nach Prag oder es beginnt das „Rattenrennen“ als die investigative Arbeit startet.

Die Regie verstärkt die Schwächen der Vorlage, anstatt sie auszugleichen. Natürlich muss die toughe Merle eine herbe Stimme haben. Russen haben eine tiefe Stimme und einen starkten Akzent. Die Dialoge klingen nicht ansatzweise so, wie Menschen miteinander reden. Das geht bis zu falschen Betonungen. Da wundert es nicht, dass die Musik düster wabert, wenn schlechte Nachrichten kommen. Kein Raum für Imagination des Hörers.

 

Fazit

 

Das Hörspiel greift ein hochaktuelles Thema mit vielen Facetten auf. Eigentlich jedem zu empfehlen. Es zeigt die schwierige, wichtige Arbeit von Investigativ-Journalisten. Es ist nicht langweilig zuzuhören, aber der geübte Hörer wird von der Umsetzung enttäuscht sein.

 

Wertung 65 %

 

Dauer die Spielzeit der Episoden ist insgesamt ca. 120 Minuten

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

 

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