Sonntag, 2. Juli 2023

Der Grosse Gatsby – Hörspielinterpretation eines Romans der Weltliteratur

 

Buchcover

 

Der grosse Gatsby vom Amerikaner F. Scott Fitzgerald gilt als Klassiker der Weltliteratur. In den 1920-er Jahren geschrieben, wurde er erst gegen Ende des Zweiten Weltkrieges erfolgreich. Der Autor galt als Chronist des „Jazz Age“, der Periode in der nach dem 1.Weltkrieg der amerikanische Traum von Glück und Glanz entstand. Bis heute erscheint das Buch in immer neuen Übersetzungen und wurde mit vielen Stars mehrfach kommerziell erfolgreich verfilmt. Ein deutschsprachiges Hörspiel fehlte bislang.

Inhalt

 

Der junge, ziellose Nick Carraway versucht sich als Wertpapierhändler. Er zieht daher 1922 nach West Egg, Bundessstaat New York. Dort entwickeln sich Anfang der 1920-er Jahre Wirtschaft und Gesellschaft in einem rasanten Tempo. Das New York dieser Jahre verspricht exorbitanten Reichtum, Parties mit wildem Leben, übelster Kriminalität und Jazz ohne Ende. Sein einziger Bezug zu New York ist Daisy, eine entfernte Cousine, die in der Nähe lebt und den grobschlächtigen, aber reichen Tom Buchanan geheiratet hat. Kurz nach dem ersten Treffen mit den Beiden stellt Tom ihm seine Geliebte Myrtle Wilson vor, die attraktive Frau eines erfolglosen, naiven Autohändlers.

Neben Nick wohnt in einem palastartigen Anwesen der sagenumwobene Jack Gatsby. Niemand weiss, womit er seinen teuren Lebensstil mit endlosen Parties finanziert.  Eines Abends wird Nick überraschend persönlich von Gatsby zur Party eingeladen. Kurz darauf offenbart ihm Gatsby eine Bitte: Er möge ein Treffen mit Daisy arrangieren. Bevor sie sich für Tom entschieden hat, war sie die Geliebte von Gatsby der immer noch dieser Liebe nachtrauert. Nach einer wilden Party entscheidet sich Daisy für Gatsby. Die beiden fahren im Auto nach Hause und töten bei einem Unfall Myrtle Wilson.

Die Ereignisse überschlagen sich: Wie wird Tom Buchanan auf den Verlust der Frau und der Geliebten reagieren? Gibt sich der Autohändler mit der Version eines Unfalls zufrieden oder sucht er Rache?

 

Das Hörspiel

 

Wie im Buch wird die Geschichte aus der Perspektive des Ich-Erzählers Nick Carraway entwickelt. Er ist zugleich der ruhende Pol in dieser von Typen und Aufregung geprägten Story. Dem Hörer bietet sich ein Panoptikum der 1920-er Jahre, der Roaring-Twenties, das zunehmend bröckelt und sich entzaubert. Autor und Regie nehmen sich die Zeit diese Bild zu malen und zu zerstören. Die gut 230 Minuten werden nie langweilig. Musik und Geräusche sind stimmig, untermalend, ohne sich aufzudrängen. Alte Telefone, Eisenbahnen, Fahrstühle und natürlich Charleston.  Aber auch moderne Klänge. Musikalisch drückt sich eine Zwiespältigkeit aus. Die Besetzung ist sicherlich das Beste, was der Markt in Deutschland derzeit zu bieten hat.

Buch und Hörspiel sind viel mehr als ein Abbild der Roaring-Twenties. Im Grunde handelt es sich um eine Geschichte über den amerikanischen Traum des Strebens nach Glück, wie er schon 1776 in die amerikanische Verfassung geschrieben wurden (pursuit of happiness). Gatsby strebt nicht nach Reichtum, sondern sehnt sich nach Liebe. So sehr, dass er seine Existenz gefährdet.  Tatsächlich hat die Geschichte ein krimihaftes Ende. Alle vorkommenden Kriminellen, Partylöwen – und löwinnen, Durchschnittsmenschen sehnen sich nach einem eigenständigen geborgenen Leben. Diese Ambivalenz drückt sich schon in der Sprache des Autors aus. Sie ist flapsig, aber auch manchmal tiefgründig.

Die grosse Schwäche der Inszenierung ist die hoffnungslose Überzeichnung der Figuren. Nick sagt zu Beginn des Hörspiels zum Rat seines Vaters: „Seither neige ich dazu, mich mit meinem Urteil zurückzuhalten. Sich im Urteil zurückzuhalten, heisst unbegrenzt zu hoffen“ (O-Ton Hörspiel). Stattdessen wird unendlich gegickert, gebrüllt und gefeiert. Zwischentöne haben keinen Platz. Es tut weh, eine begnadete Sprecherin wie Birgit Minichmayr als Myrtle so platt und plump pöbeln zu hören. Auch Marc Hosemann als Tom Buchanan ist kein Meister der Zwischentöne. Diese Überinszenierung überdeckt die sprachlichen Feinheiten und die Tiefe der Charaktere und ist für 230 Minuten einfach zu viel des Guten. Der Bearbeiter hat dies offenbar bemerkt und verrät den Plot, abweichend vom Buch, schon in den ersten Minuten.

 

Fazit

 

Gute solide Unterhaltung, die der anspruchsvollen Vorlage nicht gerecht wird. Für literatur-beflissene eine weitere Interpretation, für Sprecher-Liebhaber eine Enttäuschung.

 

Wertung 70 %

 

Dauer ca. 230 Min. in zwei Teilen

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

 

 

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