Montag, 10. Juli 2023

Der nette Herr Heinlein und die Leichen im Keller – Eine Kriminalgroteske

 


Im Juni 23 sendet der MDR als fünfteilige Mini-Reihe eine Kriminalgroteske des Autors Stephan Ludwig. Ludwig ist vor allem durch seine in Halle spielende Krimi-Reihe um den Kommisssar Zorn bekannt geworden. Zwischen 2014 und 2017 wurden vier Fernsehfilme für die ARD produziert, von denen zwei im Sommer 23 wiederholt werden. Das Hörspiel basiert auf dem im März 2023 bei Fischer/Scherz erschienen gleichnamigen Buch.

Inhalt

 

Norbert Heinlein betriebt einen Delikatessenladen in dritter Generation. Doch leider wirft dieser Laden nicht mehr viel ab. Als Hilfe hat er nur den stillen Autisten Marvin. Zum Glück hat er noch einige ruhige Mieter in seinem Elternhaus. Allerdings macht ihm sein dementer Vater mehr und mehr Sorgen. Im Übrigen führt Heinlein in netter Umgebung tapfer seinen Deliktessenladen mit ausgewählten Essangeboten. Der dunkle Nebel lichtet sich, als der Geschäftsmann Adam Morlok Stammkunde wird und Heinleins hausgemachten Pasteten zu schätzen weiß. Doch Morlok fällt nach dem Verzehr einer Pastete tot um. Da ist es doch eine große Hilfe, dass sich im Keller des Hauses noch ein Kühlraum befindet. Damit beginnt eine Reihe weiterer Un-und Zufälle, die dem armen Heinlein das Leben schwer machen. Schön, dass er noch seiner Adoptivtochter in Afrika Lebensweisheiten vermitteln kann.

 

Das Hörspiel

 

Die Reihe bietet dem Hörer das klassische Podcast-Zeitfenster: Ein halbe Stunde, das ist die durchschnittliche Dauer einer Fahrt zur Arbeit. Gelegentlich endet die Episode dann mit einem schönen Cliffhanger. Es gibt eine Erzählerin (Leslie Malton at it´s best), die die Ereignisse eher als teilnehmende Beobachterin schildert. Dazu viele kluge, absurde, witzige, spitzfindige Dialoge. Und es gibt die Monologe des Vaters Heinlein. Er liest seine Briefe an die Adoptivtochter im fernen Afrika laut vor.

Die Sprechrollen sind hochkarätig besetzt und der Vielsprecher Matthias Bundschuh passt diesmal bestens zur Figur des netten, unentschlossenen Heinlein.

Die Episoden-Reihe ist eine absurd-komische Kriminalgroteske. Immer einfallsreich, nie langweilig. Wenn erzählt wird, wie der Genießer Morlok stirbt, wirkt die detailreiche Schilderung schon gruselig. Schwarzer Humor, ganz beiläufig erzählt, wie es eher österreichische Autoren (neben Kai Magnus Sting) vormachen.

Es gibt aber nicht nur diese grotesken Szenen voller Nonsens, sondern auch etliche Nebenthemen wie Bürokratie, nervige Nachbarn und vieles mehr, in denen der Hörer einen beachtlichen Teil seiner eigenen Lebenswelt wiederfindet. Herr Heinlein öffnet uns ein kleines Türlein in unsere eigenen absurden Fantasien jenseits von Grauen und Dystopien.

Die Episoden werden intensiv von Musik, überwiegend an die 1920/30-er Jahre anklingend, begleitet, mal lauter, mal leiser, nie übertrieben. Swingende Musik zu den übelsten Gedanken.  In den Sprechpausen wird dem Hörer eine kleine Tanzcombo gegönnt.

Der Bearbeiterin Anja Herrenbrück ist es gelungen, das dialogarme, gelegentlich langatmige Buch in ein flottes, kurzweiliges Hörspiel zu verwandeln. Ach ja: Immerhin taucht noch Schröder aus der Zorn-Krimireihe auf. Ein bißchen Marketing muß sein.

 

Fazit

 

Die Episodenreihe macht vor, dass eine gut gemachte Kriminalgroteske ein Hörgenuss sein kann: Sprachlich erstklassig, unterhaltsam, lehrreich und gruselig. Auch für Freunde düsterer Hörspiele, die noch lachen können.

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca. 150 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

MDR und ARD Audiothek

 

 

 

 

 

 

 

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