Sonntag, 20. August 2023

Die Nacht der vergessenen Sterne – Großstadtautor verirrt sich in die Provinz

© ARD / Jürgen Frey

 

Nach dem Ende des Teams Brändle/Finkbeiner tut sich der SWR schwer mit seinem in Landau/Pfalz angesiedelten neuen Team. Nun entschied sich der Sender das Team beizubehalten, aber die erfolglose Autorin Monika Geier, durch den routinierten Friedrich Ani zu ersetzen. Ani lebt und schreibt in München und hat gerade so etwas wie einen Hörspiel-Lauf. Die zuletzt geschriebenen Originalhörspiele hatten durchweg gute Bewertungen, anders als seine langatmige Audible-Produktion. Er hat bereits 2009 einen Radio Tatort für den SWR geschrieben. Das Hörspiel ist die dritte Episode (Tatort 178) um das neue Team und erscheint im Juli 2023.

Inhalt

 

Bei einem Brand im Zentrum von Landau/Pfalz kommt ein zwölfjähriges unbekanntes Mädchen ums Leben. Das Wirtshaus L-Klause steht seit mehr als 12 Monaten leer, es wurde wegen Hygienemängel stillgelegt. Ein Schelm, wer nicht an einen heißen Abbruch denkt. Aber riskiert der Täter dafür ein Menschenleben? Spuren deuten darauf hin, dass auch eine Katze im Haus war und eine zweite Person. Das Landauer Team mit Anima King, Piroso und Traminer sowie die übergeordnete Truppe um Ekkelsberg und den spottenden Dillinger nehmen zuerst den Pächter ins Visier. Er hat ein Alkoholproblem und seine Frau ist gerade wegen häuslicher Gewalt in ein Frauenhaus gezogen. Doch er hat gar kein Interesse mehr am Weiterbetrieb gehabt, weil er an die Investmentfirma Local Investment GmbH verkaufen wollte, um der Krise in der Gastronomie zu entgehen. Ist auch die lokale Sauna-Connection mit dem Bürgermeister und dem Anwalt Fuchs verwickelt?

Ein Frankfurter Ehepaar identifiziert das Mädchen als ihre Adoptivtochter Emily. Sie hat sich auf den Weg nach Landau gemacht, um ihre leibliche Mutter zu finden. Mit der Katze im Gepäck. Auf dem Landauer Bahnhof hat sie eine jungen Geistesbruder gefunden. Er war auf der Suche nach seinem leiblichen Vater. Kann er sagen, was geschehen ist?

 

Das Hörspiel

 

Es gehört für einen Autor Mut dazu, sich auf ein bestehendes Setting von Ermittlern einzulassen.

Ani ist es gelungen. Die vorgesetzte Kommissarin Ekkelsberg nimmt mehr Raum und mehr Charakter ein. Wie überhaupt die gesamte Teamarbeit mit ihren Nickligkeiten ein eigenständiges Thema wird. Anima hält weiterhin stille Kommunikation mit ihrem längst verstorbenen Chef.

Das Hörspiel ist spannend und hochprofessionell umgesetzt, es macht bis zum Ende Freude zuzuhören. Das Feuer knistert, die Sirenen heulen, die Katze mauzt, der Hörer hockt mitten im Geschehen und belauscht die immer wieder neuen Wendungen. Die spezielle Pfälzer Atmosphäre ist allerdings etwas verloren gegangen, obwohl hier gefühlt mehr Dialekt gesprochen wird als in den ersten Episoden. Es ist weniger das beschauliche Landau als eine Millionenstadt. Auch greift das Hörspiel zu viele Themen auf, die ja alle nur Ear-Catcher sind, aber zur Handlung wenig beitragen: Gaststättenkrise, Immobilienhaie, Femizide und Gewalt in der Ehe, Kinder, auf der Suche nach ihren leiblichen Eltern. Der Hörer muss zudem aufpassen, die Familienbeziehungen im Überblick zu behalten.

Die grauenhafte Begleitmusik verdient eine besondere Erwähnung. Das Kammerflimmer Kollektief nutzt die kleinen Pausen für esoterisch-düstere Elektronikklänge, die dem Hörer keine Chance für Zwischentöne bietet. Es flirrt, flimmert und wabert. Selten so einfallslose Begleitung gehört. Das ist das Gegenteil von „Lunten in die Fantasie der Zuhörer“, die Ani in einem Interview dem Hörspiel zuschreibt. Der immerhin melodiöse Titelsong ist lediglich am Anfang und am Ende zu hören. Welch Widerspruch zu der jederzeit fein formulierten Sprache des Autors.

 

Wie oft bei Ani ein tief bewegender Titel, der sich nur dem Märchenkundigen erschließt. Emily, als Sterntaler-Mädchen hat gelitten und wird nicht mit herabfallenden Stern-Talern belohnt. Sie sucht, wie der junge Finn, sich selbst, sucht Halt und erleidet den Tod.

 

Fazit

 

Trotz Einschränkungen ein jede Minute hörenswerter Krimi. Aber im Sendegebiet des SWR gibt es sicher noch andere Autoren, die das spezielle Regionalkolorit treffen.

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca. 53 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

Sonstiges

Selbstbeweihräucherungsinterview des SWR mit Ani

Das Märchen Sterntaler



 


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