Mittwoch, 27. Dezember 2023

Arsen und Spitzenhöschen – Ein nostalgischer England-Krimi

 

Pidax

Pidax gelingt es dankenswerter Weise immer wieder, in den Archiven der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten zu forschen und Hörspiele zu veröffentlichen, die wohl nicht im ÖR verwertet werden dürfen. Arsen und Spitzenhöschen wurde vom SWR produziert und 1993 erstmals gesendet. Der Krimi des Briten Tim Heald ist auf Englisch 1986 unter dem Titel „Red Herrings“ erschienenen. Heald hat insgesamt 11 Romane mit dem lässigen Zollinspektor Simon Bognor veröffentlicht.

 

Inhalt

 

Simon Bognor und seine Frau Monica besuchen das Ehepaar Contractor im beschaulichen, typisch englischen Dorf Herring St. George.  Als sie dort den traditionellen Wettbewerb der Bogenschützen besuchen, geschieht ein Drama. Der örtliche Steuerbeamte Wilmslow wird, von etlichen Bogen erschossen, an einem Baum gelehnt, aufgefunden.  So viel Zufall kann kaum sein. Aber wer hat Interesse, den harmlosen Beamten zu ermorden? Simon und Monica werden neugierig. Nachdem im Edellokal der beiden Schwulen Norman und Felix ein Vergiftungsversuch (Arsen !) an Simon gerade noch scheitert, wird aus Neugier eine ernste Ermittlung. Schnell zeigt sich, dass nahezu jeder im Dorf, irgendetwas zu verbergen hat. Der Pfarrer besucht regelmäßig eine Edelnutte, die angesehene Autorin Emerald Karlsberg lebt von Schundromanen und ein wenig Porno und der verarmte Adlige Sir Nimrod Herring betreibt nicht nur einen Trödelladen, sondern hält auch seinen Kopf für dubiose Firmenkonstrukte hin.  Die Frau ihres Gastgebers wirbt mehr oder weniger züchtig für Dessous (Spitzenhöschen !). Sorgfältiges Beobachten und Zuhören erweitert den Kreis der Verdächtigen. Kann ihm sein Studentenbuddy Swami helfen? Der gelernte Jurist und Lebenskünstler betreibt ein einträgliches Ashram und ist bestens vernetzt.  Als noch eine Spur zu Sex und Crime führt, begibt sich Simon ein zweites Mal in Lebensgefahr.

 

Das Hörspiel

 

Im Erscheinungsjahr 1993 muss dieses Hörspiel aufgefallen sein. Die 1960- Jahre Epoche ist längst vorbei und es wurden eher harte, kritische Krimis produziert. Das Hörspiel benutzt das beschauliche, ländliche Old England, um die Idylle zu entlarven. Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. Die Welt erinnert an den Fernseh-Barnaby. Es gibt viel schwarzen Humor, reichlich Gelassenheit, jede Menge Sprachwitz und herrliche Dialoge. Jeder „Rote Hering“ legt nicht nur eine neue Spur, sondern erzählt etwas über die Menschen und ihren stillen Lebenswandel. Die Ironie, die Lakonie, aber auch die Wärme den Menschen gegenüber erinnern an den ehemaligen Bestsellerautor Johannes Mario Simmel. Die psychische Verfasstheit der Menschen hat 1993 noch nicht interessiert. Manche Schlüpfrigkeit würde die Bearbeitung heute nicht durchgehen lassen. Die Frauen sind aber allesamt selbstsicher und starke Charaktere.

Das Hörspiel folgt der Sicht von Simon Bognor, der gelegentlich die Handlung laut kommentiert. Jede Szene hat die richtige Länge und es entwickelt sich ein ruhiger Erzählrhythmus. Eher unerwartet kommt es zu einem dramatischen Show-Down.

Der Hörgenuss wird noch intensiviert, weil die Sprechergeneration für den aktuellen Hörer unverbraucht ist und auf höchstem Niveau spricht. Herausragend die längst verstorbene Beate Krößner als Monica. Sie kann lässig und bissig sein und hat schon 1993 Wortenden verschluckt, wie es heute üblich ist.

Auch an der Musik hat der SWR nicht gespart. Opulente Orchestermusik, wann immer es passt. Die begleitende Geräusche entwickeln die Atmosphäre passend weiter.

 


Fazit

 

Beste Unterhaltung. Das Ohr freut sich über den Sprachwitz, die Themen und die Typen. Nur wenig wirkt irgendwie angestaubt. Schnell zeigt sich ein Lächeln auf dem Gesicht des Hörers und die Frage der Mitbewohner lautet: Was hörst du denn gerade?

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca.96 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

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