Sonntag, 31. Dezember 2023

Die gläserne Zelle – Ein neues Highsmith - Highlight

 

Buchcover

 

Der NDR kümmert sich achtsam und beachtenswert um die menschlich schwierige, literarisch erfolgreiche Suspense-Autorin Patricia Highsmith, die bereits 1995 verstorben ist. Aktuell wurde im Herbst 2023 „Die gläserne Zelle“ gemeinsam mit dem Schweizer Rundfunk als Hörspiel bearbeitet. Die Romanvorlage wurde 1964 abgeschlossen und 1966 erstmals auf Deutsch veröffentlicht. Ein typischer Highsmith-Roman, der seine Reize auch dadurch hat, das die Autorin in ihrem „Handwerksbuch“ Suspense einiges über ihre Arbeitsweise verraten hat.

 

Drinnen

 

Phipp Carter sitzt ein. Der Ingenieur und liebenswerte Familienvater wurde wegen Unterschlagung zu 6 Jahren Haft verurteilt. Zu Unrecht. Er wurde Opfer eines firmeninternen Komplotts. Carter fühlt sich allein gelassen. Alle Versuche, das Verfahren neu aufzurollen scheitern. Die Anwälte haben mäßiges Interesse an seinem Fall. Nur der schmierige Ex-Kollege Gawill steht ihm bei. Die Besuche seiner Frau werden immer seltener. Carter muss die brutale Welt des Knasts durchstehen. Die demütige Behandlung durch die Aufseher, die ihn brutal verletzen. Er wird Morphium abhängig. Aber unter all den Mördern und Schwerverbrechern baut er eine vertrauliche Beziehung zu einem Mitgefangenen auf. Als dieser bei einem Gefangenen-Aufstand getötet wird, wird Carter zum unerkannten Mörder an diesem Täter. Noch 6 Jahre

 

Draussen

 

Die 6 Jahre Haft sind zu Ende. Carter geht zu seiner Frau Hazel und dem Sohn Timmie, sucht Arbeit und ein neues Leben. Das ist nicht einfach. Hazel hat neue Kontakte, neue Freunde. Z.B. den eleganten Anwalt Sullivan. Gawill taucht wieder auf und redet Carter ein, dass Hazel eine Beziehung mit Sullivan habe. Er haßt Sullivan. Carter weiß, nicht, was er glauben soll, bis er Hazel abends zufällig vor dem Haus von Sullivan trifft. Als er ihn zur Rede stellen will, wird Sullivan gerade überfallen. Sullivan ist tot und ein paar Tage später auch der, der ihn überfallen hat. Die Polizei ermittelt und prüft Fingerabdrücke und Alibis. Aber Carter oder Gawill können es nicht gewesen sein, sie waren zum fraglichen Zeitpunkt in einer Bar zusammen.

 

Das Hörspiel

 

Eine Erzählerin begleitet durch die Handlung. Ihre Stimme ist immer sachlich und emotionslos. Gelegentlich ergänzt durch innere Monologe von Philipp Carter. Die vielen dramatisch zugespitzten Szenen können nicht beschrieben werden, ohne den Plot zu verraten. Aber gelegentlich gefriert den Hörer das Blut in den Adern, so hart geht es zu. Teil 1 spielt im Knast, Teil 2 in der Freiheit, die eigentlich keine mehr ist. Carter ist ein anderer Mensch geworden. Kann er noch zwischen Recht und Unrecht unterscheiden? Die Regie folgt der Autorin, die nie wertet, sondern nur schildert. Trotz der vielen psychologischen Aspekte ist es ein spannender Krimi, an manchen Stellen leicht angestaubt. Die Bearbeitung hat die Übersetzung sehr frei interpretiert, zeitliche Veränderungen vorgenommen und sprachlich aktualisiert. Die Sprecher erledigen, die von der Regie übernommen Aufgaben vorzüglich. Und damit beginnt ein leichtes Bedauern. Die Autorin Highsmith ist neutral, aber nicht emotionslos. Im Buch gibt es viele wunderschöne Szenen voller Freude und Emotion. Davon ist zu wenig zu hören. Der Grundton der Sprecher ist eher unbeteiligt. Die leicht esoterisch angehauchte Musik verstärkt diesen Eindruck.  Dennoch gelingt es dem Hörspiel zu vermitteln, dass die dramatischen Themen, die Highsmith vor gut 60 Jahren aufgegriffen hat, den Menschen heute noch unter den Nägeln brennen: Eifersucht, Neid, Drogen, Betrug und manches mehr.

 

Fazit

 

Spannend, tiefgründig. Kein Grauen im modernen Sinn, sondern psychologischer Suspense.

Etwas frei interpretiert, aber bestens inszeniert. Vielleicht gibt es noch mehr bei Highsmith auszugraben.

 

Wertung 85 %

 

Dauer ca.  Min.

 

Verfügbarkeit

 

ARD-Audiothek

 

 

 

 

 

 

 

 

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