Montag, 8. Januar 2024

Geschlossene Gesellschaft - Ein Tatort Hörgenuss

 

© ARD / Jürgen Frey

Im Herbst 2022 hat das Team des NDR um Bettina Breuer seine Dienstzeit mit einem Rekord beendet: 24 Episoden im Zeitraum von 14 Jahren. Immer auf einem hohen Niveau und einem wenig aufdringlichen, lokalen Hintergrund. Geschrieben von renommierten Autoren und von einer kleinen Reihe von Regisseuren hergestellt. Hier hat sich Sven Stricker ins Gedächtnis geschrieben, bevor er mit Sörensen den ganz großen Erfolg errang. Die Krimiautorin Simone Buchholz soll im Herbst 2023 Neuland erobern un der Hörer und ist gespannt.

 

Inhalt

 

Die Spezialeinheit der Polizei arbeitet in Verden an der Aller zusammen. Aber sie haben sich noch nicht gefunden. Gina Scarafino ist die erfahrene Extremismusexpertin. Die sportliche Jules Dombrowski liebt es, unerkannt zu ermitteln und der ehrgeizige Philipp von Treuenfels ist Mädchen für alles. Die anthroposophische Schule in Verden ist während der Pandemie durch einige Aktionen ins Visier der örtlichen Polizei geraten. Als auf den Bürgermeister, die Schulaufsicht und den Leiter der Grundschule ein Attentat mit Tollkirschenkuchen versucht wird, schaltet sich die Spezialeinheit ein. Jules wird als Erzieherin in die Schule eingeschleust. Gina und Philipp analysieren das Umfeld. Noch bevor erste Ermittlungsergebnisse vorliegen, wird die Leiterin der Schulaufsicht überfahren aufgefunden. Sie hatte wenige Tage zuvor der Leiterin der anthroposophischen Schule mitgeteilt, dass sie ihres Amtes enthoben wird und die Schulaufsicht die Leitung übernimmt. Spinnt die Schulleiterin oder hat sich das ganze Kollegium zusammengetan? Jules will helfen, doch sie kommt nicht aus der Schule. Alle Türen und Tore sind geschlossen. Was bahnt sich da an? Gina ordert auf jeden Fall schon mal die SEK.

 

Das Hörspiel

 

Vorab: Hier steht eindeutig das Hören im Mittelpunkt. Gespielt wird auch: Das Team untereinander, das Team mit der örtlichen Polizei (Bjarne Mädel) und der Staatsanwältin. Es gibt auch schöne running gags

Die Story wird konventionell ohne Erzähler gespielt. Allerdings stellen sich die Hauptpersonen selber vor. Die Einstieg ist eine längere Aufnahme, in der die Szenen ineinander übergehen. Das Team besteht aus drei sympathischen Individualisten, von denen man gerne mehr hören möchte. Reizvoll, dass die klassischen Krimikonstellation hier auf den Kopf gestellt wird. Gina ist die bestimmende Person, Jules die Alleskönnerin und Philipp eben das Mädchen für alles. Eine Konstellation zwei Frauen, ein Mann hat Sartre ja schon in seinem gleichnamigen Schau-/Hörspiel gewählt. Ein ganz wenig Psycho gibt es auch: Philipp hängt noch an der Mutter. Die toughe Gina hat ein Problem mit ihrem italienischen Ledermantel aus alten Zeiten. Ohne zu spoilern, kann man den Plot nicht beschreiben. Er ist die einzige Schwäche des Hörspiels. Die Spannung entsteht aus der Sprache und den Dialogen sowie wunderbaren Lauschangriffen.

Philipp ruft seine Eltern an: „Hallo Papa“. „Schön, dass du anrufst, ich hol schnell Mama.“ Eine knapp formulierte Lebenserfahrung aller Erwachsenen. Die Mama nennt ihn übrigens Muggelchen! Oder Jules: „Ich steh auf Frauen, also meistens, ich hab ADHS, ich hab Tabletten, und ich kann mich unsichtbar machen“. Die Sprache ist immer knapp und präzise. Oft witzig und frotzelnd. Das Hörspiel nimmt sich Zeit für eine Vielfalt von Alltagsgeräuschen, die spürbar die Spannung erhöhen und gelegentlich in die beeindruckende Begleitmusik übergehen. In diesen Momenten ist die Musik elektronisch, aber meist melodiös und mit passender Dynamik.  Ab und an werden dem Hörer Klassiker gegönnt, nie zweckfrei (Spiel mir das Lied vom Tod!). Eines der seltenen Kriminalhörspiele, die man gerne zweimal hört, obwohl man die Handlung schon kennt. Diese Qualität nimmt der Hörer wahr, weil jede Figur bestens besetzt ist. Wenig verbrauchte Sprecher, die den Typ glaubhaft darstellen. Bjarne Mädel muß natürlich so sprechen, wie wir ihn alle erwarten.

Inhaltlich weist die Autorin auf ein wachsendes Problem hin: In sich abgeschlossene Gesellschaften, die die Außenwelt nicht mehr wahrhaben wollen und in eine eigene Welt abdriften, die auch extrem gefährlich sein kann.

 

Fazit

 

Sprachlich erste Sahne, Regie geht kaum besser. Ein Gaumenschmaus für die Ohren. An den Plots sollte die Autorin noch arbeiten.

 

Wertung 90 %

 

Dauer ca. 55 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

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