Sonntag, 23. Juni 2024

Das Zentrum der Grenze - Ein moderner Landkommunenkrimi

 

Im Sommer 2024 veröffentlicht der SWR einen neuen Krimi des Autors Lars Werner. Werner hat auch am aktuellen Mehrteiler „Am Schlick“ mitgewirkt. Er greift aktuelle Themen auf und kann hochspannend sein.

 

Inhalt

 

Die Journalistin Maren Kowalczyk begibt sich für Recherchen zu einem Radio Feature in die Eifel. Dort haben im Tomorrow-Retreat fünf Menschen Selbstmord kurz hintereinander begangen. Alle haben sich dazu eingeschlossen. Es ist auch eine Reise Marens Innenwelt, denn Maren hat als junge Journalisten genau an dem Ort, einen Artikel über das damals ansässige Chemieunternehmen geschrieben. Und einer der Toten ist ihr Sohn Eric.

Das Retreat schottet sich ab und ist schlecht zu erreichen.Die Dorfbewohner nennen es nur das Zentrum. Aber Maren wird offen empfangen, kann sich ein Bild machen. Sie sieht Ecofitness: Junge Menschen reißen Schilf mit bloßen Händen aus einem See. Oder lauscht bei der amorphen Transformationstherapie: Die Teilnehmer sollen sich in das Leben von Tieren versetzen, um deren Leid zu spüren. Die sympathische Trainerin Nico zeigt Maren die Räume der Toten und lässt sie alle „Überbleibsel“ in Ruhe betrachten. Maren hört sie die Audio-Journals der Toten an. Auch das Journal von Eric. Die Guru-ähnliche Chefin Vanessa erläutert Maren geduldig den Heilsansatz. Die Kommune will die Schuld der Menschen abbauen, weil sie die Natur zerstört haben. Diese Chemiebrache ist daher symbolhaft ausgewählt worden. Die Toten werden zu Erde und vor Ort bestattet. Damit bauen sie die Sünden an der Natur ab.

Und dann bricht die Geschichte ab. Maren ist verschwunden und es gibt keinen Kontakt zu ihr. Ihr Kollege Sidney Rahmani macht sich nun auf die Suche nach Maren und lässt die Hörer an seiner Recherche per Podcast teilnehmen.

 

Das Hörspiel

 

Keine leichte Kost. Vor allem weil das Hörspiel permanent mit einer nervigen, düsteren Musik-und Soundkulisse untermalt ist. Auch die Erzählkonstruktion ist schwierig. Die Gliederung in Kapitel hilft da nicht unbedingt. Maren spricht selbst, gibt ihre (nicht immer autorisierten) Interviews wieder. Sidney wendet sich später in seinem Podcast direkt an die Hörer und gibt eigene, sowie Aufnahmen von Maren wieder. Auch gelegentlich Rückblenden und Zeitsprünge. Aber man hört sich ein. Dem Autor gelingt es mit dieser Konstruktion zwei verschiedene Blickwinkel auf den gleichen Vorgang einzunehmen. Die selbst betroffene Maren und der distanzierte Sidney. Beide Sprecher klingen überzeugend und sind allen anderen Rollen deutlich überlegen. Das Retreat selbst wirkt etwas aus der Zeit gefallen und eher wie eine Parodie. Eine Straßensperre, die zum Totalschaden führt, ist auch auf einer Privatstrasse nicht vorstellbar. Der amerikanische Akzent eines Aktivisten klingt nur lächerlich. Manches wird sehr zurechtgebogen: Keine sorgfältigen Ermittlungen durch die Polizei. Und Sidney ruft mal so am Telefon das SEK hinzu, als es brenzlig wird. Die hörtechnischen Raffinessen wie Ton-Aufnahmen, Podcast, Telefonate etc. sind jugendaffin und einfallsreich, tragen aber inhaltlich nichts bei.

Aber diese Schwächen werden durch einen ausgesprochen spannenden, völlig unerwarteten Plot ausgeglichen. Zudem ist das Hörspiel durch die Spurensuche von Sidney ein Krimi im Krimi. Das Anliegen des Hörspiels ist unüberhörbar und wird auch wörtlich genannt:

„Alle Menschen haben einen Punkt, wo man sie kriegen kann.“ Für Manipulation und Abhängigkeit. Und dann sind Indoktrination, Drogen und Machtmissbrauch Tür und Tor geöffnet. Es ist nichts so, wie es auf den ersten Blick aussieht. Also das Ohr bis zum Ende wach halten. Der Autor hat eine gute Vorlage geliefert, die eine differenziertere Inszenierung verdient hätte. Irgendwas muss ja immer auch anziehend sein, dass sich Menschen auf Gurus einlassen. Es ist vermutlich nicht nur düster.

 

Fazit

 

Wer den Sound bis zum Ende aushält, wird mit einem spannenden Hörspiel belohnt, dass trotz Düsternis und Gruselsound ein bedenkenswertes Hörvergnügen ist.

 

Wertung 80 %

 

Dauer insges. 55 Min.

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek ab 21.08.24

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