Sonntag, 29. September 2024

Keine fünf Minuten – So lange kann eine Versuchung dauern

 

© ARD / Jürgen Frey

 

Radio-Tatort 190 des WDR beglückt die Fan-Gemeinde mit einem neuem Hamm-Tatort. Dem Autor und dem Produktionsteam gelingt erneut das Kunststück, dass alles beim Alten bleibt und doch nichts bleibt, wie es ist.

 

Inhalt

 

Der Gewalttäter Seebald kommt nach Jahrzehnten im Knast frei. Und mit ihm wohl die 10 Mio. Euro, die nie gefunden wurden. Die ehrgeizige Ditters schlägt beim LKA eine 24/7-Observation durch das örtlich zuständige Hammer Team vor. Doch schon beim ersten Rasenmähen des Mörders vergeigen Lenz, Ditters und Latotzke alles. Seebald flieht, aber sie können ihm immerhin folgen und stellen ihn im Wald. Mit einem frisch ausgegrabenen, schweren Koffer: „Jeder von euch krich zwei Mio und ihr lasst mich laufen“. Da denkt man schon mal nach. Höchstens fünf Minuten. So lange hat es nicht gedauert. Seebald wird von zwei Maskierten erschossen und die drei an ihren eigenen Handschellen an einem Baum geparkt. Die Folgen sind: sofortige Suspendierung vom Dienst und eine Untersuchung des Vorgangs durch den ortskundigen Scholz und den jungen, ehrgeizigen Kosko vom LKA. Aber Scholz stutzt. Was hatte Seebald mit den vier Mio. vor? Gab es Mittäter, die sich alles schnappen wollten? Wer wusste überhaupt von der Freilassung? Im Team kommt nach der Depri wieder Spürhund-Stimmung auf. Am frühen Morgen wird Kosko erschossen in seinem Hotelzimmer gefunden. War er den Tätern auf der Spur. Wer wusste überhaupt, wo er übernachtet?

Am Ende wird alles gut, denn wenn es nicht gut ist, ist es nicht das Ende.

 

Das Hörspiel

 

Beneidenswert wie es dem WDR gelingt, das Produktions-und Sprecherteam beieinander zu halten. Für Uwe Ochsenknecht gilt: Je oller, je doller. Er füllt seine Rollen, selbst wenn er weniger präsent ist und lässt den guten alten Vorderbäumen fast vergessen. Sönke Möhring als Latotzke spielt seinen erfolgreichen Fernsehbruder glatt an die Wand. Seitdem der Autor Ditters auch eine eigene Persönlichkeit gönnt, glänzt auch Christine Prayon, die im Nebenjob als Kabarettistin erfolgreich tourte. Den Dreien gelingt es, die Charakterstudien des Autors zu Leben zu erwecken. Anders als ihre Bremer Kollegen, bleiben sie keine Stereotypen. Der sensible Sprachbeobachter Schmidt schiebt Lenz das schöne Wort „Bildtelefon“ in den Mund. Die Musik des Komponisten und Allrounders Quade drängt sich nicht ins Gedächtnis, sie leitet neue Szenen ein und aus, bereitet sacht vor, auf das was kommt. Ihm ist auch die wunderbare Titelmelodie zu verdanken, die gleich in die richtige Stimmung versetzt.

 

Dirk Schmidt setzt ein klassisches Krimimotiv um: Die Versuchung der Ermittler, die Beute selbst zu schnappen. Schmidt braucht dazu nicht viele Worte. Aber der Hörer, vernimmt förmlich das Geratter im Kopfe, wohl wissend, dass am Ende eine Rechnung präsentiert wird. Keine Sorge: Die Szene dauert keine fünf Minuten. Der Stammhörer weiß natürlich, dass die Drei nicht zulangen. Aber Versuchungen gibt es auch an anderen Stellen. Der Spannung zuliebe, bleibt anfangs im Unklaren, was nun genau im Wald geschehen ist. Der Plot wird nicht jeden Hörer überzeugen, manches ist schon sehr weit hergeholt. Aber die Realität mal zu verlassen, kann bei einem so hochmoralischen Thema wie Versuchung ist kein Fehler.

 

 

 

Fazit

 

Auf diese Weise darf das Team noch lange zusammenbleiben. Der Kleine Tiger von Janosch sagte zum Thema, ob er noch essen möchte: „Alles zusammen und von jedem die grösste Portion“.

 

Wertung 85 %

 

Dauer 53 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

In der Audiothek

Sonntag, 22. September 2024

Die van Dusen-Reihe – Eine Erinnerung an Michael Koser

 

Michael Koser


 

Im Februar 2024 ist Michael Koser 85-jährig verstorben. Er hat überwiegend Hörspiele geschrieben. Insgesamt mehr als 150 Hörspiele geschrieben, darunter die Reihen „Prof.van Dusen“ mit 79 Folgen, die Sci-Fi Krimireihe „Der letzte Detektiv“ mit 40 Folgen sowie die Reihe „Cocktail für zwei“ mit 8 Folgen.

Insbesondere der Erfolg der van Dusen-Reihe ist beachtlich: Erstmals im Jahr 1978 im damalige RIAS (Rundfunk Im Amerikanischen Sektor) erschienen, gibt es bis heute regelmäßig Neuauflagen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und bei den kommerziellen Anbietern. Seine eigene Homepage gibt einen umfassenden Überblick über sein Werk (http://pirg.bplaced.net/pvd//koser.htm).[1]

 

Prof. August van Dusen

 

Mit der Hauptfigur griff Michael Koser anfangs auf den amerikanischen Autor Jaques Futrelle und dessen Kurzgeschichten zurück. Van Dusen, die Denkmaschine, repräsentiert einen umfassenden gebildeten Wissenschaftler der Zeit um 1900, der ein Interesse an verzwickten Kriminalfällen hat. Sein Watson ist Hutchinson Hatch, der Begleiter Chronist und Erzähler ist. Die beiden reisen um die Welt und finden immer wieder obskure Kriminalfälle, die es zu lösen gilt. Alles erzählt mit leichter Ironie und feiner Sherlock-Holmes-Andeutung.

 

Die 77/79 Episoden

 

Die Titel der Episoden deuten schon die Vielseitigkeit dieser klassischen Detektivgeschichten an. Zentrales Thema ist immer ein kniffliger Kriminalfall, gelöst mit viel Nachdenken, Wissenschaftsbackground, Sprachwitz und humorvollen Dialogen. Die handelnden Personen sind immer eigenwillige Typen, nie charakterlich glaubwürdig beschrieben. Sehr früh zeichnete sich ab, dass die Serie Kultcharakter entwickelt. Der Autor bastelte umgehend Bezüge und Verweise zu anderen Episoden, die die Fans bis heute nachvollziehen und erweiterte das Tätigkeitsgebiet auf die gesamte Welt. Die Hörspiele waren eher schlicht produziert, bestehend aus spitzfindigen Dialogen und etwas Atmo. Völlig neu war der Einsatz von klassischer Musik, zum Teil Madrigale, in einer Zeit, in der Krimis mit orchestralem Sound und mitreißenden Motiven begleitet wurden. Treue Fans bewundern die historische Genauigkeit des Autors. Es finden sich in jedem Hörspiel Hinwei auf reale Personen und Ereignisse der Epoche. Sprecher in allen Folgen war Friedrich W. Bauschulte als van Dusen und Klaus Herm als Hatch. Es kamen bald Gastauftritte berühmter Sprecher hinzu. Nach Angaben des Dauerregisseurs Michael Clute war jede Produktion durch viel Improvisation gekennzeichnet. Insofern hört man heute die Folgen auch als Abbild der 1970/80-er Jahre. Die Reihenproduktion dauert bisweilen nur 2-3 Tage. Was man bis heute mit Freuden hört. 1999 wurde die Produktion eingestellt und die Fangemeinde war immer auf der Suche nach Mitschnitten bis der DLR ab Dez 2020 monatlich bis heute eine Folge ins Netz stellte. Eigentlich hat der WDR 1982 ebenfalls einen van Dusen produziert. Das Manuskript wurde von RIAS abgelehnt und Koser gab den Hauptfiguren einfach andere Namen und wandte sich erfolgreich an den WDR.

 

Kommerzielle Nutzung

 

Der brillante Autor Koser musste lange überzeugt werden, um seine Kultfigur vielseitig zu nutzen. Inzwischen gibt es Buchfassungen, seit mehr als zwanzig Jahren Comics und kommerzielle Nutzungen der Figur in neuen Folgen mit anderen Autoren. Seit einiger Zeit bietet Winterzeit Audiobooks überarbeitete Fassungen der Originale auf CD und den gängigen Streaming-Diensten an. Interessanter Weise sind die beliebten Cover von dem Hobby-Grafiker Lard Vollbrecht für jede Folge privat erstellt worden und erst später an Maritim zur kommerziellen Nutzung verkauft worden. Allscore/Highscore Music bieten bereits 37 Neue Fälle an, anfänglich mit dem Segen von Koster. Die Reihe Sherlock Holmes und Co. von Romantruhe enthält 26 Geschichten mit van Dusen. Bis März 2026 will der rührige Holysoft-Verlag 56 neue Van Dusen Fälle produzieren. Holysoft versetzt van Dusen mutig in die Gegenwart.

 

Der Kosmos

 

Ähnlich wie bei Sherlock Holmes hat sich sehr schnell ein eigener Kosmos entwickelt. Gestaltet von Liebhabern und fleißigen Hörspielforschers. Es gibt Episodenlisten mit Details, ein Kompendium und jede Menge Informatives im Netz, das weit über Wikipedia hinaus geht.

 

Fazit

 

Für Nostalgiker und Serienfans ein absolutes Muß. Für alle Neugierigen kann es eine hörenswerte, spannende Entdeckung werden, die süchtig macht.

 

 

Wertung 85 %

 

Dauer jeweils eine knappe Stunde.

 

Nützliche Links


Koser auf Wikipedia

 

van Dusen auf Wikipedia 


Das van Dusen Handbuch

 

Prof. van Dusen aus der Sicht des Comiczeichner Gerd Pircher 

 

Eine Live-Quiz-Show mit Koser vom RIAS 1986 

 

Reiner Clute: Zur rechten Zeit am rechten Ort auf Spotify

 

Lars Vollbrechts van Dusen-Cover 

 

Die Koser/Pircher Comics


Verfügbarkeit

 

Auf Youtube finden sich kostenlose, werbefinanzierte Version

in der Audiothek monatlich eine Folge der Original-Episoden

 

https://www.amazon.de/Teil-Folge-Professor-Dusen-Marokko/dp/B0D315QKVH

 

https://www.amazon.de/Professor-Van-Dusen-Schwarze-Ritter/dp/3960664753/ref=pd_sbs_d_sccl_1_1/262-4863053-7712222?pd_rd_w=Wqkoy&content-id=amzn1.sym.f21ac083-61df-454e-aa6b-f34c98eb37f2&pf_rd_p=f21ac083-61df-454e-aa6b-f34c98eb37f2&pf_rd_r=JCMX7A4G318SSFKCHZGA&pd_rd_wg=rb5i0&pd_rd_r=55309831-194d-4c17-8d5a-93157f613875&pd_rd_i=3960664753&psc=1



[1] Sie wird heute von seinem Comic-Zeichner Gerd Pirchner weitergeführt.

Sonntag, 15. September 2024

Ein unkonventioneller Ratgeber gegen Internet-Kriminalität


 

Die Berliner Autorin Caroline Labusch („Rächerin der Reingelegten“) hat sich als Amateurdetektiven betätigt und dokumentiert 7 Fälle von Internetkriminalität, die im Alltag regelmäßig vorkommen und jedem passieren können n Buchform: Spam-Mails, Heiratsschwindler, Kleinanzeigen-Betrüger, Finanzgauner, Schockanrufe und falsche Werbung.

 

 

Caros Methode

 

Caro baut sich Tarnidentitäten. Sie bastelt neue Passfotos, neue Pässe, ja sogar eine eigenen Bankhomepage. Und folgt den Spuren der Täter bis in die Höhle des Löwen: Sie tindert und sucht einen Partner oder reagiert auf eine Bitte um Geldüberweisung nach Afrika. Im Buch dokumentiert sie jeden ihrer Schritte mit Kopien, Fotos oder Bildschirmausdrucken, was das Lesen ausgesprochen kurzweilig und glaubhaft macht. Aber sie zeigt damit, wie leicht es ist, in der IT-Welt Fälschungen zu erzeugen. Es kommt nie zu polizeilichen Ermittlungen. Vor der eigentlichen Straftat bricht Caro ab, denn sie hat ein anderes Anliegen. Sie möchte den Leser informieren und schützen. Daher schiebt sie in die Schilderungen immer wieder Tipps und Tricks für den Leser ein. Nicht alle Fälle sind gleich gut gelungen. Für den Rezensenten sind die Fälle Email-Spam und Böser Wolf am Telefon die Favoriten. Wenig überzeugend ist hingegen, der Abschnitt zu Schockanrufen. Form und Inhalt verwirren eher als das sie informieren. Die spielen in der internationalen Welt und zeigen, dass Betrüger clever und smart, aber zugleich strunzdumm sein können. Der Leser schlägt entsetzt die Hände zusammen, weil er sicher einen klugen Menschen in seinem Umfeld kennt, der genau auf solche Leute hereingefallen ist.

 

Das Buch

 

Jeder Leser hat schon von solchen Fällen mehr oder weniger gehört. Dennoch wird niemand glauben, wie einfach es für die Betrüger ist. Labusch zeigt dies als Ich-Erzählerin ein wenig krimihaftig mit einem Schalk im Nacken. Das Buch ist wie ein spannend zu lesen, weil der Leser dies alles kaum glaubt. Witzig ist das Buch auch noch. Wer wusste schon, dass Google Translator aus: „Dose du verstehen?“ das auch gemeinte „Can you understand“? In den Stories gibt es immer wieder Einschübe mit Tricks und Tipps für den Leser. Die Stories basieren alle auf realen Fällen, aber letztlich auf persönlichen Erfahrungen der Autorin, also ohne „Nachweisapparat“. Selbst Zeitangaben werden nicht gemacht. Jede morgendliche Zeitungslektüre über wieder mal Reingelegte zeigen, wie wichtig es ist, sich mit den Tricks der Betrüger zu befassen, um sich wehren zu können. Dazu braucht man nicht immer den großen Polizeiapparat. Jeder kann „sie durchschauen, sie ärgern, behindern, ihre Zeit stehlen“. Verlag und das Team von Caro Labusch entwickeln aber eigenen Ehrgeiz: Für Betrugsmeldungen sind sie 24/7 unter kundenservice@penguinrandomhouse.de zu erreichen.

 

 

Leser, denen das Buch gefallen hat, kann man nur die Hörspielfassung des RBB empfehlen. Die ist deutlich mehr ein Krimi und mit Originalstimmen unfassbar glaubhaft.

 

 

Fazit

 

Ein wenig Sachbuch, ein wenig Ratgeber, ein Stück weit Autobiografie. Kein klares Genre und nicht jedermanns Geschmack. Dennoch gehört dieses Buch in jeden öffentlichen Bücherschrank und sollte als Weihnachtsgeschenk für Oma und Opa oder Onkel und Tante unter dem Gabentisch liegen. Die Jüngeren mögen sich nicht gefährdet sehen, aber die Wirklichkeit wird sie einholen

 

 

 

 

Wertung 90 %

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.penguin.de/buecher/caroline-labusch-caro-ermittelt/taschenbuch/9783328110446

 

Sonntag, 8. September 2024

Die Tote im Feuer – Noch ein Insel-Küsten-Krimi !

 


 

Insel- und Küstenkrimis gibt es wie Sand am Meer. Aber Leser und Hörer lieben diese Atmosphäre, die an Urlaub erinnert. Kein Wunder also, dass zunehmend literarische Vorlagen für Hörspiel bearbeitet werden. Und nicht nur als Einschlafhilfe Hörbuch. Der jungen, erfolgreichen Autorin Hanna Paulsen hört man an, dass sie sich mit Polizeiarbeit auskennt.

 

Inhalt

 

Welch Grauen. Im Osterfeuer auf der Insel Föhr wird eine Leiche entdeckt. Die örtliche Polizei um den Hauptkommissar Thies Hansen ruft die Flensburger Staatsanwaltschaft mit Broder Jacobsen hinzu. Broder stammt von der Insel, seine Eltern leben noch dort, auch seine alte Liebe Lina, die kurz vor der Heirat mit einem Immobilienmakler steht.

Die Tote erweist sich als eine Pia, der Aushilfe der beliebten Eisdiele. Sie war im 4. Monat schwanger. Ist das ein Tatmotiv? Doch bevor die Polizei erste Spuren entdeckt, gibt es eine zweite Leiche: Der Strandwärter, der das Osterfeuer aufgeschichtet hat. Er war Verdächtiger oder Zeuge. Keine Hinweise oder Spuren. Aber Broders Privatleben steht Kopf. Seine Jugendliebe Lina steht kurz vor der Heirat mit dem schmierigen Immobilienmakler Söhnke. Broders Eltern plaudern von der Arbeit: Der Söhnke habe die Pia regelmäßig getroffen und offenbar gut gekannt. Ist Söhnke der Täter? Aber wieso trug der Strandwärter das Lederarmband, das Broder seiner Lina vor zehn Jahren geschenkt hat? Aber Broder muss sich aus den Ermittlungen zurückziehen. Er ist zu sehr persönlich betroffen Und dann gibt es noch am Tag nach der Hochzeit eine Schießerei zwischen den Eheleuten. Die beliebte Ferieninsel Föhr ist plötzlich Schauplatz von Toden und Dramen, die nicht vorhersehbar sind wie die Gezeiten.

 

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel umfasst, bis auf eine Rückblende, wenige Ostertage auf der Insel, auf der die örtliche Polizei mit Broder vom Festland als zentraler Figur ermittelt. Jeder hat seine Rolle. Autorin und Sprechern gelingt es, ein glaubhaftes, sympathisches Team zusammenzustellen, jeder mit einem klar hörbaren Charakter. Alle anderen sind schwer einzuschätzen. Der Makler lügt und ist schmierig, aber ist er darum des Mordes fähig? Wieso fällt Broders Verflossene Lina auf so jemand herein? Und welche Rolle spielt Emma, Linas jüngere Schwester? Sie ist offenbar in Broder verliebt und verwickelt sich in Widersprüche. Der von einem Erzähler begleitete Krimi entwickelt sich zu einer Geschichte persönlicher Dramen altgriechischen Ausmaßes über Tod, Liebe, Verlust und Ängste sowie Besessenheit. Die Autorin erzählt dies in moderner, ruhiger Sprache und ihr gelingen Szenen, die dem Hörer nahegehen. Ein Vorteil einer langen Fassung. Es bleibt Zeit für die Szenen, die atmosphärisch sehr dicht klingen. Da kann es auch schon mal gruselig werden (Obduktion). Kein Vergleich mit dem Klischee Inselkrimi. Lina und Broder sind bestens besetzt. Der örtliche Kommissar klingt etwas plump norddeutsch. Beim Nach-Denken ist nicht jeder Charakter überzeugend, nicht jede Handlung glaubwürdig. Aber immer neue Wendungen, die sich zuspitzen, lassen den Hörer gut fast vier Stunden folgen. Technisch gesehen ist es ein echtes Hörspiel mit stimmigen Geräuschen und Sound und Musik, die schon mal ins Opulente gleiten, aber dem Hörer erlauben, zu träumen oder eigene Gedanken zu entwickeln.

 

Das Format

 

Das komplette Hörspiel dauert fast 4 Stunden. Lang für ein Hörspiel, kurz für ein Hörbuch. Es ist eindeutig ein Hörspiel und kein mit Geräuschen unterlegtes, vorgelesenes  Buch. Die drei Teile sind für sich allerdings nicht eigenständig und klar abgrenzbar. Da es auch keine kurze Zusammenfassung gibt, ist der Hörer gut beraten, keine großen Pausen zwischen dem Hören zu lassen. Leider führt die Form der Vermarktung online und über die Streaming-Dienste dazu, dass Informationen über die Sprecher und das Produktionsteam rar sind. Für ein solches Format muss sich ein Markt erst etablieren.

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Fazit

 

Ein Hörspiel voller dramatischer Wendungen, wunderschönen Liebesszenen, unerwarteter Dramatik und viel wirklichkeitsnahem Alltag. Es setzt sich damit von der Massenware Inselkrimi deutlich ab.

 

Wertung 75 %

 

Dauer alle 3 Teile 3 Std. 49 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.audible.de/pd/Die-Tote-im-Feuer-Hoerbuch/B0DC6DJDR9

 

 

auf allen gängigen Streaming-Dienste

 

Hörprobe

 

Sonntag, 1. September 2024

Ermittlerkrimis – Ein schlecht sortiertes Angebot der Audiothek

 



 

 

 

 

 


 

Nur der Herrgott weiß, nach welchen Kriterien die Redaktion der Audiothek Krimis gruppiert. Immerhin leuchtet die Sortierung nach Ermittlerpersönlichkeiten ein. Gelegentlich wird auch ein Ermittler hervorgegraben und der Titel verschwindet fast. Dankenswerterweise erhält der Hörer aber Zugriff auf ältere, beeindruckende Hörspiele wie die Reihe um den unorthodoxen Sowjetermittler Marlov. Ein paar Beipsiele sollen hier vorgestellt werden. Dank einer katastrophalen Suchmaschine sind die Hörspiele in der Audiothek nicht ganz leicht zu finden.

 

Cher Ebinger

 

Der Autor Joy Markert führt die Hörer mit seiner Privatdetektivin Cher Ebinger in die beschauliche Welt Württembergs. Ebinger startet immer mit eher privaten Ermittlungen, die sich dann bei genauem Hinsehen und Hinhören als hochkomplexe Probleme erweisen. Gelegentlich auch mit Bezügen zu Berühmtheiten. Der Autor zeigt gerne seine Belesenheit. Der regelmäßigen Sprecherin Maren Kroymann, die auch Erzählerin ist, gelingt es überzeugend, dieser Figur Leben einzuhauchen. Die Stories sind etwas verwegen, aber machen immer auf den Fortgang neugierig. Produziert wurden 5 Originalhörspiele vom Deutschlandradio zwischen 2010 und 2016.

 

Adamsberg

 

Der Pariser Kommissar Adamsberg ist die Hauptfigur in den Hörspielen der Französin Fred Vargas. Sie sind alle Bearbeitungen der literarischen Vorlagen. Adamsberg ist ein untypischer Kommissar, der sich den üblichen Ermittlungsmethoden und Klischees entzieht. Er denkt wenig systematisch, sondern intuitiv, verfolgt dann aber seine Spuren intensiv. Er erkennt Zusammenhänge, die sich anderen kaum erschließen. Die Themen sind eher ungewöhnlich. Immer leicht esoterisch, aber letztlich spannend und unterhaltsam zu hören. Zumal sein Team auch eine Mischung aus verwegenen Charakteren ist. Der besondere Reiz der französischen Lebenswelt klingt immer wieder durch und ist nicht auf Paris beschränkt. Das Erzähltempo eher gemächlich, begleitet von einer Erzählstimme. Hörspiele für den Genießer. Der WDR hat von 2002-20412 fünf mehrteilige Hörspiele produziert, von denen bereits zwei in der Audiothek zur Verfügung stehen. Leider haben die Hauptsprecher häufig gewechselt.

 

Doberschütz

 

Doberschütz arbeitet 1982 in der Garderobe der Staatsbibliothek in Ostberlin, verdient sein Geld aber mit illegalen privaten Ermittlungen. Zumeist erweisen sich scheinbar private Ermittlungen letztlich als hochbrisante und gefährliche Verwicklungen. Der Hörer darf Doberschütz bis zur Auflösung der DDR begleiten, die auch für ihn eine Art Niedergang darstellt.  Dem Autor Tom Peuckert gelingt es, in seinen Originalhörspielen Personen und Politik hochspannend und unterhaltsam zu verknüpfen. Immer sind die Ideen und Fährten überraschend, aber nachvollziehbar. Die Hörspiele dokumentieren auch ein Stück Zeitgeschichte. Stets vom gleichen Team: Thomas Leutzbach, Regie und Felix Goeser als kongenialer Doberschütz. Der WDR produzierte zwischen 2004 und 2014 insgesamt 7 Hörspiele, von den bereits 4 in der Audiothek zu hören sind.

 

 

 

Fazit

 

Es wird ein Vergnügen sein, wenn der Krimiliebhaber diesen Ermittlern sein Ohr leiht. Die Stoffe sind immer noch aktuell und hörenswert.

 

 

Wertung im Schnitt 85 %

 

Dauer je ca. 60 Min.

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Audiothek/Ermittlerkrimis

 

 

 

 

 

Mallorca, Mord und Margerita – Ein kriminelle Loreley-Sage

Loreley Die preisgekrönte österreichische Autorin Magda Woitzuck ist keine Vielschreiberin, aber eine vielseitige Schreiberin. In der ARD Hö...