Sonntag, 15. September 2024

Ein unkonventioneller Ratgeber gegen Internet-Kriminalität


 

Die Berliner Autorin Caroline Labusch („Rächerin der Reingelegten“) hat sich als Amateurdetektiven betätigt und dokumentiert 7 Fälle von Internetkriminalität, die im Alltag regelmäßig vorkommen und jedem passieren können n Buchform: Spam-Mails, Heiratsschwindler, Kleinanzeigen-Betrüger, Finanzgauner, Schockanrufe und falsche Werbung.

 

 

Caros Methode

 

Caro baut sich Tarnidentitäten. Sie bastelt neue Passfotos, neue Pässe, ja sogar eine eigenen Bankhomepage. Und folgt den Spuren der Täter bis in die Höhle des Löwen: Sie tindert und sucht einen Partner oder reagiert auf eine Bitte um Geldüberweisung nach Afrika. Im Buch dokumentiert sie jeden ihrer Schritte mit Kopien, Fotos oder Bildschirmausdrucken, was das Lesen ausgesprochen kurzweilig und glaubhaft macht. Aber sie zeigt damit, wie leicht es ist, in der IT-Welt Fälschungen zu erzeugen. Es kommt nie zu polizeilichen Ermittlungen. Vor der eigentlichen Straftat bricht Caro ab, denn sie hat ein anderes Anliegen. Sie möchte den Leser informieren und schützen. Daher schiebt sie in die Schilderungen immer wieder Tipps und Tricks für den Leser ein. Nicht alle Fälle sind gleich gut gelungen. Für den Rezensenten sind die Fälle Email-Spam und Böser Wolf am Telefon die Favoriten. Wenig überzeugend ist hingegen, der Abschnitt zu Schockanrufen. Form und Inhalt verwirren eher als das sie informieren. Die spielen in der internationalen Welt und zeigen, dass Betrüger clever und smart, aber zugleich strunzdumm sein können. Der Leser schlägt entsetzt die Hände zusammen, weil er sicher einen klugen Menschen in seinem Umfeld kennt, der genau auf solche Leute hereingefallen ist.

 

Das Buch

 

Jeder Leser hat schon von solchen Fällen mehr oder weniger gehört. Dennoch wird niemand glauben, wie einfach es für die Betrüger ist. Labusch zeigt dies als Ich-Erzählerin ein wenig krimihaftig mit einem Schalk im Nacken. Das Buch ist wie ein spannend zu lesen, weil der Leser dies alles kaum glaubt. Witzig ist das Buch auch noch. Wer wusste schon, dass Google Translator aus: „Dose du verstehen?“ das auch gemeinte „Can you understand“? In den Stories gibt es immer wieder Einschübe mit Tricks und Tipps für den Leser. Die Stories basieren alle auf realen Fällen, aber letztlich auf persönlichen Erfahrungen der Autorin, also ohne „Nachweisapparat“. Selbst Zeitangaben werden nicht gemacht. Jede morgendliche Zeitungslektüre über wieder mal Reingelegte zeigen, wie wichtig es ist, sich mit den Tricks der Betrüger zu befassen, um sich wehren zu können. Dazu braucht man nicht immer den großen Polizeiapparat. Jeder kann „sie durchschauen, sie ärgern, behindern, ihre Zeit stehlen“. Verlag und das Team von Caro Labusch entwickeln aber eigenen Ehrgeiz: Für Betrugsmeldungen sind sie 24/7 unter kundenservice@penguinrandomhouse.de zu erreichen.

 

 

Leser, denen das Buch gefallen hat, kann man nur die Hörspielfassung des RBB empfehlen. Die ist deutlich mehr ein Krimi und mit Originalstimmen unfassbar glaubhaft.

 

 

Fazit

 

Ein wenig Sachbuch, ein wenig Ratgeber, ein Stück weit Autobiografie. Kein klares Genre und nicht jedermanns Geschmack. Dennoch gehört dieses Buch in jeden öffentlichen Bücherschrank und sollte als Weihnachtsgeschenk für Oma und Opa oder Onkel und Tante unter dem Gabentisch liegen. Die Jüngeren mögen sich nicht gefährdet sehen, aber die Wirklichkeit wird sie einholen

 

 

 

 

Wertung 90 %

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.penguin.de/buecher/caroline-labusch-caro-ermittelt/taschenbuch/9783328110446

 

Sonntag, 8. September 2024

Die Tote im Feuer – Noch ein Insel-Küsten-Krimi !

 


 

Insel- und Küstenkrimis gibt es wie Sand am Meer. Aber Leser und Hörer lieben diese Atmosphäre, die an Urlaub erinnert. Kein Wunder also, dass zunehmend literarische Vorlagen für Hörspiel bearbeitet werden. Und nicht nur als Einschlafhilfe Hörbuch. Der jungen, erfolgreichen Autorin Hanna Paulsen hört man an, dass sie sich mit Polizeiarbeit auskennt.

 

Inhalt

 

Welch Grauen. Im Osterfeuer auf der Insel Föhr wird eine Leiche entdeckt. Die örtliche Polizei um den Hauptkommissar Thies Hansen ruft die Flensburger Staatsanwaltschaft mit Broder Jacobsen hinzu. Broder stammt von der Insel, seine Eltern leben noch dort, auch seine alte Liebe Lina, die kurz vor der Heirat mit einem Immobilienmakler steht.

Die Tote erweist sich als eine Pia, der Aushilfe der beliebten Eisdiele. Sie war im 4. Monat schwanger. Ist das ein Tatmotiv? Doch bevor die Polizei erste Spuren entdeckt, gibt es eine zweite Leiche: Der Strandwärter, der das Osterfeuer aufgeschichtet hat. Er war Verdächtiger oder Zeuge. Keine Hinweise oder Spuren. Aber Broders Privatleben steht Kopf. Seine Jugendliebe Lina steht kurz vor der Heirat mit dem schmierigen Immobilienmakler Söhnke. Broders Eltern plaudern von der Arbeit: Der Söhnke habe die Pia regelmäßig getroffen und offenbar gut gekannt. Ist Söhnke der Täter? Aber wieso trug der Strandwärter das Lederarmband, das Broder seiner Lina vor zehn Jahren geschenkt hat? Aber Broder muss sich aus den Ermittlungen zurückziehen. Er ist zu sehr persönlich betroffen Und dann gibt es noch am Tag nach der Hochzeit eine Schießerei zwischen den Eheleuten. Die beliebte Ferieninsel Föhr ist plötzlich Schauplatz von Toden und Dramen, die nicht vorhersehbar sind wie die Gezeiten.

 

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel umfasst, bis auf eine Rückblende, wenige Ostertage auf der Insel, auf der die örtliche Polizei mit Broder vom Festland als zentraler Figur ermittelt. Jeder hat seine Rolle. Autorin und Sprechern gelingt es, ein glaubhaftes, sympathisches Team zusammenzustellen, jeder mit einem klar hörbaren Charakter. Alle anderen sind schwer einzuschätzen. Der Makler lügt und ist schmierig, aber ist er darum des Mordes fähig? Wieso fällt Broders Verflossene Lina auf so jemand herein? Und welche Rolle spielt Emma, Linas jüngere Schwester? Sie ist offenbar in Broder verliebt und verwickelt sich in Widersprüche. Der von einem Erzähler begleitete Krimi entwickelt sich zu einer Geschichte persönlicher Dramen altgriechischen Ausmaßes über Tod, Liebe, Verlust und Ängste sowie Besessenheit. Die Autorin erzählt dies in moderner, ruhiger Sprache und ihr gelingen Szenen, die dem Hörer nahegehen. Ein Vorteil einer langen Fassung. Es bleibt Zeit für die Szenen, die atmosphärisch sehr dicht klingen. Da kann es auch schon mal gruselig werden (Obduktion). Kein Vergleich mit dem Klischee Inselkrimi. Lina und Broder sind bestens besetzt. Der örtliche Kommissar klingt etwas plump norddeutsch. Beim Nach-Denken ist nicht jeder Charakter überzeugend, nicht jede Handlung glaubwürdig. Aber immer neue Wendungen, die sich zuspitzen, lassen den Hörer gut fast vier Stunden folgen. Technisch gesehen ist es ein echtes Hörspiel mit stimmigen Geräuschen und Sound und Musik, die schon mal ins Opulente gleiten, aber dem Hörer erlauben, zu träumen oder eigene Gedanken zu entwickeln.

 

Das Format

 

Das komplette Hörspiel dauert fast 4 Stunden. Lang für ein Hörspiel, kurz für ein Hörbuch. Es ist eindeutig ein Hörspiel und kein mit Geräuschen unterlegtes, vorgelesenes  Buch. Die drei Teile sind für sich allerdings nicht eigenständig und klar abgrenzbar. Da es auch keine kurze Zusammenfassung gibt, ist der Hörer gut beraten, keine großen Pausen zwischen dem Hören zu lassen. Leider führt die Form der Vermarktung online und über die Streaming-Dienste dazu, dass Informationen über die Sprecher und das Produktionsteam rar sind. Für ein solches Format muss sich ein Markt erst etablieren.

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Fazit

 

Ein Hörspiel voller dramatischer Wendungen, wunderschönen Liebesszenen, unerwarteter Dramatik und viel wirklichkeitsnahem Alltag. Es setzt sich damit von der Massenware Inselkrimi deutlich ab.

 

Wertung 75 %

 

Dauer alle 3 Teile 3 Std. 49 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

https://www.audible.de/pd/Die-Tote-im-Feuer-Hoerbuch/B0DC6DJDR9

 

 

auf allen gängigen Streaming-Dienste

 

Hörprobe

 

Sonntag, 1. September 2024

Ermittlerkrimis – Ein schlecht sortiertes Angebot der Audiothek

 



 

 

 

 

 


 

Nur der Herrgott weiß, nach welchen Kriterien die Redaktion der Audiothek Krimis gruppiert. Immerhin leuchtet die Sortierung nach Ermittlerpersönlichkeiten ein. Gelegentlich wird auch ein Ermittler hervorgegraben und der Titel verschwindet fast. Dankenswerterweise erhält der Hörer aber Zugriff auf ältere, beeindruckende Hörspiele wie die Reihe um den unorthodoxen Sowjetermittler Marlov. Ein paar Beipsiele sollen hier vorgestellt werden. Dank einer katastrophalen Suchmaschine sind die Hörspiele in der Audiothek nicht ganz leicht zu finden.

 

Cher Ebinger

 

Der Autor Joy Markert führt die Hörer mit seiner Privatdetektivin Cher Ebinger in die beschauliche Welt Württembergs. Ebinger startet immer mit eher privaten Ermittlungen, die sich dann bei genauem Hinsehen und Hinhören als hochkomplexe Probleme erweisen. Gelegentlich auch mit Bezügen zu Berühmtheiten. Der Autor zeigt gerne seine Belesenheit. Der regelmäßigen Sprecherin Maren Kroymann, die auch Erzählerin ist, gelingt es überzeugend, dieser Figur Leben einzuhauchen. Die Stories sind etwas verwegen, aber machen immer auf den Fortgang neugierig. Produziert wurden 5 Originalhörspiele vom Deutschlandradio zwischen 2010 und 2016.

 

Adamsberg

 

Der Pariser Kommissar Adamsberg ist die Hauptfigur in den Hörspielen der Französin Fred Vargas. Sie sind alle Bearbeitungen der literarischen Vorlagen. Adamsberg ist ein untypischer Kommissar, der sich den üblichen Ermittlungsmethoden und Klischees entzieht. Er denkt wenig systematisch, sondern intuitiv, verfolgt dann aber seine Spuren intensiv. Er erkennt Zusammenhänge, die sich anderen kaum erschließen. Die Themen sind eher ungewöhnlich. Immer leicht esoterisch, aber letztlich spannend und unterhaltsam zu hören. Zumal sein Team auch eine Mischung aus verwegenen Charakteren ist. Der besondere Reiz der französischen Lebenswelt klingt immer wieder durch und ist nicht auf Paris beschränkt. Das Erzähltempo eher gemächlich, begleitet von einer Erzählstimme. Hörspiele für den Genießer. Der WDR hat von 2002-20412 fünf mehrteilige Hörspiele produziert, von denen bereits zwei in der Audiothek zur Verfügung stehen. Leider haben die Hauptsprecher häufig gewechselt.

 

Doberschütz

 

Doberschütz arbeitet 1982 in der Garderobe der Staatsbibliothek in Ostberlin, verdient sein Geld aber mit illegalen privaten Ermittlungen. Zumeist erweisen sich scheinbar private Ermittlungen letztlich als hochbrisante und gefährliche Verwicklungen. Der Hörer darf Doberschütz bis zur Auflösung der DDR begleiten, die auch für ihn eine Art Niedergang darstellt.  Dem Autor Tom Peuckert gelingt es, in seinen Originalhörspielen Personen und Politik hochspannend und unterhaltsam zu verknüpfen. Immer sind die Ideen und Fährten überraschend, aber nachvollziehbar. Die Hörspiele dokumentieren auch ein Stück Zeitgeschichte. Stets vom gleichen Team: Thomas Leutzbach, Regie und Felix Goeser als kongenialer Doberschütz. Der WDR produzierte zwischen 2004 und 2014 insgesamt 7 Hörspiele, von den bereits 4 in der Audiothek zu hören sind.

 

 

 

Fazit

 

Es wird ein Vergnügen sein, wenn der Krimiliebhaber diesen Ermittlern sein Ohr leiht. Die Stoffe sind immer noch aktuell und hörenswert.

 

 

Wertung im Schnitt 85 %

 

Dauer je ca. 60 Min.

 

Verfügbarkeit

 

In der ARD Audiothek/Ermittlerkrimis

 

 

 

 

 

Ein unkonventioneller Ratgeber gegen Internet-Kriminalität

  Die Berliner Autorin Caroline Labusch („Rächerin der Reingelegten“) hat sich als Amateurdetektiven betätigt und dokument...