Sonntag, 27. April 2025

Das regelt der Markt – Simone Buchholz als Tatort - Autorin

© ARD / Jürgen Frey



Simone Buchholz ist eine der renommiertesten deutsch-sprachigen Krimiautorinnen. Schön, dass sie sich in das Schema des Radio Tatorts einfügen lässt. Dies ist ihre dritte Arbeit mit dem etwas ungewöhnlichen Verdener Tatort Team: Nina Scarafilo, die Chefin der Sondereinheit; Philipp von Treuenfels, der durchschnittliche Abarbeiter und Jules Dombrowski, die Frau für alle Fälle.



Der Inhalt


Verden an der Aller, Niedersachsen. Hier laden der rustikale, reiche Gutsbesitzer de Marechale und die steinreiche Eigentümerin einer Maschinenfabrik für Wurstprodukte regelmässig zu Parties ein. Der etwas einfältige Mucki-Mann Torben ist für das Grobe und die Orga zuständig. An sich nichts Verbotenes. Wenn da nicht der Sex und die Erpressung wäre. Die drei haben die örtliche Kommunalpolitik im Auge. Sie sollen dafür sorgen, dass die Wirtschaftskontrolle ausgehebelt wird, damit der Markt sich endlich selber regeln kann. Doch der Stadtkämmerer macht nicht mit. Er erstattet Anzeige wegen Erpressung. Ein Fall für das erfolg-und einfallsreicheTeam um Nina Scarafilo. Ohne großes Zögern erklärt sich Jules bereit, als angeheuertes Escort-Girl Erkundigungen einzuziehen. Doch eine Prostituierte kommt ihnen dazwischen. Sie erpresst die Erpresser. Im Moor von Verden kommt es zu einem düsteren Show-Down.

 

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel hat alles, was man für einen unterhaltsamen Krimi braucht. Gute Begleitmusik, abwechslungsreiche Spielorte und erstklassige Sprecher. Politisch jederzeit korrekt mit deutlicher Warnung vor den Rechtsradikalen (Fr. Le Pen heisst Marechal). Ein wenig Sex und Verruchtheit, aber auch viel Menschlichkeit und Verständnis. Spielorte sind das Polizeirevier, das Gestüt, ein Friedhof, der Sex-Club, ein Moor, eine Ruine. Was will man mehr in 45 Minuten? Die Regie verknüpft dies in passendem Tempo und Setting. Der Autorin gelingen wunderschönen Szenen, wenn sich Ginas Tochter bei ihrer Mutter für die schöne Kindheit der Alleinerziehenden bedankt. Sätze wie „Das gefährlichste Raubtier ist immer noch der Mensch“ erinnern an die literarisch erfolgreiche Autorin.

Wenn, ja wenn da nicht die völlig abstruse Handlung wäre. Ohne Frage sind Reichsbürger eine ernstzunehmende Gefahr. Aber gehen wirklich alle Stadtverordnete in einen Sex-Club und lassen sich erpressen? Lässt sich eine Polizistin auf einen Job als Sex-Arbeiterin ein? Erpresst eine einzelnes Escort-Girl eine professionelle Bande und trifft sich allein mit Ihnen im Wald? Gut, dass ein Rezensent nicht spoilern darf. Aber der Hörer hört richtig. Und dann die vielen Klischees, bei denen Zwischentöne fehlen. 

So artet der Krimi in eine Kriminalgroteske aus, die dem politischen Kern seine Wirksamkeit nimmt.

 

Fazit 

 

Die Autorin kann es besser. Aber auch aus der 3. Fußball-Liga kann man noch in ein Pokalfinale kommen. Unterhaltsam ist es allemal. 

 

 

Wertung 65 %

 

Dauer ca. 47 Min.

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

Sonntag, 20. April 2025

Taormina – Ein kriminalistischer Ausflug in die Niederungen einer Ehe




Die literarische Vorlage zu diesem Hörspiel ist das 2022  in Frankreich erschienene Buch, von nur 127 Seiten. Autor ist der Franzose Yves Ravey (Jahrgang 1953), der erst spät zur Literatur und noch später zu Ruhm kam. Der versierte Regisseur Walter Adler hat 2013 das Hörspiel „Bruderliebe“ inszeniert. Raveys Bücher bewegen sich zumeist zwischen Krimi und Literatur. Der produzierende NDR bezeichnet Taormina als einen „Höllentrip durch das Innere einer Ehe“.


Der Inhalt


Taormina auf Sizilien. Schon für Goethe ein Sehnsuchtsort. Hier suchen Melvil und Luisa Hammett Entspannung. Luisa, Tochter aus einem Akademiker-Haushalt und selbst erfolgreich, hatte eine Affäre. Nicht ganz überraschend. Das knabbert an dem arbeitslosen Melvil. Da sollen Sonne, Strand und ein imposantes Hotel Wunden heilen. Doch schon das Abholen des Mietwagens verzögert die Reise stundenlang. Der gut gemeinte Abstecher von der Autobahn zum Strand gerät zum Desaster. Baustelle statt Strand, Acker statt Straße und dann noch eine Flüchtlingsunterkunft. Es ist fast Mitternacht. Im aufgezogenen Starkregen fahren sie zurück. Dann ein lauter Knall. Melvil muss gegen irgendwas gefahren sein. Aber er fährt weiter, sie sind ja versichert.

Luisa macht ihm Vorwürfe. Der Urlaub beginnt erst am nächsten Tag im traumhaften Hotel. Allerdings müssen sie in der Zeitung lesen, dass ein Kind aus der Flüchtlingsunterkunft bei einem Autounfall mit Fahrerflucht getötet wurde. Panik. Hier beginnt der Krimi. Melvil lässt den Kotflügel heimlich reparieren. Die Polizei befragt Hotelgäste. Die Schlinge um die beiden zieht sich immer enger. Kommen sie da noch raus?

 

 


Das Hörspiel

 

Das kurze Hörspiel umfasst nur wenige Tage Spielzeit. Im Wesentlichen sind es Dialoge zwischen Melvil und Luisa. Aber aus der Sicht von Melvil, der in der Ich-Form regelmäßig kommentiert. Jeder Hörer kennt Spannungen aus Paar-Beziehungen, ihm wird vieles bekannt vorkommen. Allerdings spitzt Ravey die Lage immer mehr zu und es wird ein veritabler Krimi daraus. Ein Unfall mit einem Flüchtling macht die beiden am Ende selber zu Flüchtigen. Keiner der beiden Protagonisten wird dem Hörer sympathisch. Sie sind voller Lebenslügen, Unehrlichkeit und Eitelkeit. Alles in kurzen knappen Sätzen und unerwarteten Szenen erzählt. Trotz wunderschöner Musik und passenden Geräuschen kein Urlaubsfeeling. Eher Highsmith als Regionalkrimi. Oliver Wnuk als Melville spielt routiniert, aber auch nicht mehr, eine Rolle wie ihn jeder Fernsehzuschauer kennt. Da gelingt Odine Johne schon mehr Bissigkeit.

Leider wird die literarische Vorlage überschätzt. Polizei und Menschen auf Sizilien lügen und betrügen ohne Ende. Das ist ungerecht und politisch nicht korrekt und sollten Hörer und Leser nicht akzeptieren. Bei aller literarischen Kunst, die das Hörspiel auch bestens weitergibt, ist es am Ende nur Fine-Dining für Intellektuelle. 

 

Fazit 

 

Ein Krimi, der Spannung und Psychoterror geschickt verbindet, bestens inszeniert. Ein wenig mehr Wokeness hätte ihm gutgetan.

 

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca. 47 Min.

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

Sonntag, 13. April 2025

Ein Fisch namens Biber – Melitta und Stern im Umland




Schön, dass sich dieser Bamberger Regionalkrimi von Katja Röder inzwischen bei BR etabliert hat. Mit einem Augenzwickern werden Menschen und Region sympathisch und spannend vorgestellt. Bisher fiel der Autorin auch immer wieder ein neues Kernthema um das Team Melitta, die Autistin und Stern, den zunehmend aufgeweckten Gärtner ein. Das pusselige, vom Aussterben bedrohte, Nagetier Biber muss für zwei Morde herhalten!

Der Inhalt


Der Biber-Manager Thomas Mühlberger findet bei einem Routine-Rundgang einen toten Biber. Erschossen! Eine Mama, deren Junge nun ebenfalls gefährdet sind. Wer begeht eine so abscheuliche Tat? Doch Feinde hat der Biber im ländlichen Umfeld von Bamberg reichlich. Sein Verhalten, Dämme zu bauen, führt zu Überschwemmungen und oft genug zu massiven Ernteausfällen bei Landwirten. Die zuletzt Betroffene war die Fischzüchterin Doro, deren Bestand durch Überschwemmung mächtig dezimiert wurde. Bei ihr beginnt auch die Ermittlung durch die Polizei. Aber nicht nur die Polizei, denn Doro ist eine gute Freundin von Melitta. Also mischen sich die beiden ein. Und recherchieren bei anderen Landwirten. Bei einem findet sich die Tatwaffe, aber noch kein Täter. Stattdessen gibt es einen zweiten Toten. Mühlberger, der sich immer auch um Interessenausgleich bemüht hat, wird im Fischteich von Doro tot aufgefunden.

 

Das Hörspiel

 

Wieder ist es eine typische Regionalepisode mit Dialekt und zünftigen Manns- und Weibsbildern und stereotypischen Figuren. Diesmal mit einem ländlichen Setting. Alles zügig und unterhaltsam inszeniert und gesprochen. Sicher nichts für Inhalts-und Wortpuristen. Aber die Autorin ist unüberhörbar eine Menschenfreundin, daher ist letztlich alles irgendwie nett und nachvollziehbar. Jede Rolle taucht häufig genug auf, um mehr als eine Nebenfigur zu sein. Neben dem Mord steht der nicht ganz einfache Konflikt zwischen Naturschutz und ländlicher Erwerbsarbeit im Vordergrund. Das ganze wird dann noch glaubwürdig mit der Klimakatastrophe kombiniert. Es gibt mehr Verdächtige als der Hörer erwartet. Beim unerwarteten Plot zieht sich die Autorin sehr geschickt aus der Affäre. Gefühlt hört man in dieser Episode mehr autistische Wortspiele als sonst. Aber immer witzig und gelungen, ohne Melitta (oder andere) lächerlich zu machen. Allerdings nutzt sich die Rolle des Ortspolizisten mit starkem Dialekt und schlichtem Gemüt auf Dauer etwas ab.

 

Fazit

 

In dieser Episode ist die Autorin politischer als bisher und verlässt überzeugend den Boden des schlicht gestrickten Regionalkrimis.

 

 

Wertung 80 %

 

Dauer ca. 55 Min.

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

Sonntag, 6. April 2025

Für alle Fälle Murphy – Eine neue Cosy-Crime-Reihe




Der rührige Verlag Contendo Media unter der Leitung von Christoph Piasecki legt mutig eine neue Cosy-Crime-Reihe auf: Für alle Fälle Murphy. Contendo verspricht „ britischen Charme, witzige Dialoge und spannende Fälle“. Die inzwischen erwachsene Gruppe der Fragezeichen-Kids, erfolgreiche britischen Fernsehreihen lassen auf einen Erfolg hoffen. 

Das Setting


Spielort ist ein an der Küste Englands liegende, beschauliche Ort. Alles spielt in der Gegenwart, dennoch wirkt, wie im echten England, manches aus der Zeit gefallen, was auch den Charme dieser Reihe ausmacht. Protagonisten sind Angela Murphy, eine junge Frau, die gerade ihren Job als Vertrauenslehrerin in der Großstadt London aufgegeben hat und der etwas langsame Zeitungsbote Colin als Sidekick. Angela ist keine Detektivin, sondern rutscht in seltsame Fälle hinein.


Episode 1 Leichen leben länger


Angela Murphy gibt ihren Job als Vertrauenslehrerin auf und zieht in ihr Heimatdorf an der Küste. Beim Ginger und Spice-Festival bewirbt sie sich mit einem selbstgebackenen Lebkuchen und wird sogar Siegerin. Doch leider stirbt der Bürgermeister nach der Verkostung ihres Kuchens. Oder nicht? Jedenfalls ist seine Leiche verschwunden.


Episode 2 Der Club der toten Gärtnerinnen


Der wohltätige Verein reicher Frauen „Secret Garden“ lädt zur Feier ein. Der Garten rund um die verfallene Abtei wurde durch den Verein wieder in Stand gebracht. Der Verein spendiert sogar eine neugeschaffene Büste. Als diese feierlich abgedeckt wird, findet sich an ihre eine Leiche angenagelt. Die Dame war Mitglied im Verein. Besteht ein Zusammenhang zum Überfall in der Bäckerei?



Der erste Eindruck


Eigentlich ist alles stimmig. Skurile Figuren, wohltätige Organisationen, weitläufige Gärten, Pubs und schwarzer Humor. So wie wir England in Film und Fernsehen lieben. Ruhig und ohne Hektik mit reichlich Musikpausen erzählt. Bereits da verschwindet England, wenn Rhythmen aus aller Herren Länder auftauchen. Gerne bedient sich die attraktive Musik auch bekannter Hörspiel-Melodien. Ausgesprochen sorgfältig ist die Soundkulisse produziert. 

Es gibt jeweils einen skurrilen Mord und eine kleine Gaunerei nebenher. Die Fälle sind so weit an den Haaren herbeigezogen, dass der Hörer nicht mitraten kann. Um Ideen ist der Autor jedenfalls nicht verlegen. Die Sprache soll modern sein, ist aber immer wieder schlicht ordinär und zottig. Die Regie versäumt es, jeder Szene ihr eigenes Profil zu geben. Menschen im Pub sprechen eben anders als bei einer Rede. Genau hingehört wurde auch nicht, wenn (gehört) folgender Satz gesprochen wird: „Machst du mir einen Tee machen George?“

Die Personen sind holzschnittartig gestaltet, was sich bereits in der zweiten Episode abnutzt. Angela ist allerdings als Rolle überzeugend und bestens gesprochen. Ihr Sidekick Colin kann seine Rolle noch finden. Die Dialoge sind eher gestelzt als witzig.

 

Fazit

 

Nichts für Sprach -und Gendersensible. Bedauerlich, dass eine hörbar aufwändige Produktion von Autor und Regie so runterinszeniert wurde.

 

Wertung 50 %

 

 

Dauer jeweils ca. 55 Minuten

 

Verfügbarkeit

 

In allen gängigigen Streaming-Diensten

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