Mittwoch, 29. Dezember 2021

Mönche – Was es bedeutet, abgeschottet zu leben

 


 

Der Deutschlandfunk Kultur gehört zu den wenigen öffentlich-rechtlichen Anstalten, die sich noch und wieder eigene Hörspielkrimiproduktionen leisten. Nach dem Ende des True Crime Booms gibt es nun wieder einen festen Sendeplatz: Montags 22.00 Uhr DLF Kultur

 

Der Inhalt

 

Eine junge Anwältin freut sich über ihren ersten Auftrag: Bei einem jungen Mann wurden bei einer Durchsuchung Waffen und Munition gefunden. Er steht in Verdacht ein Attentat auf ein Frauenhaus zu planen wie seine Aktivitäten in entsprechenden Online-Foren zeigen. Beim ersten Kontakt mit ihrem Mandanten stellt Theresa fest, dass es ihr Bruder ist, zu dem sie seit langem keinen Kontakt hat. Tatsächlich ist engagiert er sich in der Incel-Bewegung. Die Incel-Bewegung steht für INvoluntary CELibacy und propagiert offen ein rassistisches und frauenverachtendes Weltbild, ruft sogar systematisch zu Gewalttaten an Frauen auf.

Der zuständige Kommisar Zielke ermittelt nur zögerlich. Seit er einen seiner Kollegen verraten hat, wird er gemieden. Theresa ist auf Unterstützung ihrer Lebenspartnerin Mara, die selbst in dem Kommissariat arbeitet angewiesen. Ist ihr Bruder tatsächlich zu Gewalttaten bereit? Wieso zögert der zuständige Kommissar? Haben seine Kollegen „Dreck am Stecken“? Bei der Suche nach der Wahrheit setzt Theresa auch ihre Beziehung aufs Spiel.

 

Was mir gefällt

 

Mönche ist ein spannendes Hörspiel über die schwierige Suche nach der Wahrheit. Nichts ist so, wie es auf den ersten Ton scheint. Insofern ist es schön, dass die wichtigste Rolle eine junge Anwältin ist, die zwar voller Ehrgeiz ist, aber auch hohe moralische Ansprüche hat. Das alles spielt in der besonderen Szene Berlins. Wir erhalten Einblick in die Szene der Incel-Frauenhasser, des Mobbings in der Polizei und die schwierige Arbeit im Frauenhaus.

Und dies alles nicht mit einem anklagenden, sondern neugierigen, differenzierenden Blick.

Die Anwältin Theresa ist die verbindende Figur, die wie in einem Spinnennetz ihre Kontakte zu den anderen Personen hat, ohne dass die miteinander in Kontakt sind.

Mit der weniger auffälligen Schauspielerin Anjorka Strechel ist diese Rolle brillant besetzt. Man hört ihrer Stimme die Sorge um ihren Bruder an, aber auch ihre Angst vor seinen möglichen Gewalttaten. Ihr gelingen feine Differenzierungen. Ebenso so passend besetzt ist die schwierige Rolle des zwielichten Kommissars Zielke. Der bekannte Fernsehschauspieler spielt ja im im Prinzip immer die gleichen Rollen, allerdings passt es hier exakt: Der Kommissar, der zu jedem nett und freundlich ist, man aber nie weiß, ob er es auch so meint. Und das alles in diesem selbstverständlichen lakonischen Ton wie er nur Brambach gelingt.

 

 

Was mir nicht gefällt

 

Der Titel des Hörspiels ist zweischneidig. Bei der Incel-Bewegung handelt es sich um Männer, die gegen ihren Willen mönchisch leben und deswegen Frauen hassen und gewaltbereit sind. Die Kloster-Mönche hingegen haben sich für eine selbstgewählte Zurückhaltung entschieden und sind bewusst friedliebend. Allerdings leben auch sie in einer blasenähnlichen Abgeschiedenheit.

Die Hauptschwäche des Hörspiels ist die Dialog-Lastigkeit. Lange, stark psychologisch überlastete Gespräche machen es schwer, dem Handlungsfaden zu folgen. Das Hörspiel will einfach zu viel. Denn trotz Szenenwechsel passiert nicht viel. Als Nicht-Berliner fragt man sich auch, ob man außerhalb der Hauptstadt dieser Menge an Konflikten und Zuspitzung noch folgen kann. Als Autor dieser Zeilen muss ich gestehen, dass ich ohne Google nicht gewusst hätte was und wer INCEL ist.

Die Dialoge des Autors Lars Werner klingen, als seien sie für das Theater geschrieben und nicht fürs Radio.

Einige Figuren wirken unglaubwürdig. Der Bruder schwankt zwischen lammfromm und cholerisch, dies ist überzeichnet. Die Lebenspartnerin Mara überzeugt in der Darstellung auch nicht. Der Spagat zwischen der Liebe zur Theresa und ihrem Pflichtbewusstsein bei der Polizei gelingt nicht überzeugend.

Insgesamt macht das Hörspiel den Eindruck einer sparsamen Produktion. Musik und Geräusche auf Sparflamme.

Erschreckend ist allerdings die Marketing-Strategie des Senders. Die Inhaltsbeschreibung des Senders und in der Audiothek sind reißerisch und werden dem Hörspiel nicht gerecht. Es ist eben nicht nur ein Hörspiel über den Frauenhass von Incels.

 

Dauer       50 Min.

 

Fazit

 

Hier wurde eine Chance vertan. Das Hörspiel kann zeigen, wie problematisch es ist, wenn sich Gruppen absondern und nur ihr „eigenes Ding“ machen und wahrnehmen. Das versperrt den Blick auf die Wirklichkeit wie Theresa spüren musste. Ein überlasteter Text und eine sparsame Inszenierung nötigen dem Hörer einige Geduld ab, um dies zu erkennen.

 

Wertung

 

75 %

 

 

Verfügbarkeit:

 

Beim Deutschlandfunk Kultur und in der ARD Audiothek als Download.

 

Links:

 

https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=4995566&vi=1&SID

 

https://www.belltower.news/das-manifest-des-hanau-attentaeters-zwischen-rechtsextremismus-und-frauenhass-frauenfeind-aber-kein-incel-97509/

https://www.hoerspielundfeature.de/kriminalhoerspiel-100.html

https://anjorka.de/

https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Brambach

 

 


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