Dienstag, 28. Dezember 2021

Nur Du – Radio Tatort at it´s best

 

llustration »Nur Du« | © ARD / Jürgen Frey

In der aktuellen (Nov.2021) Radio Tatort-Episode des NDR spielt die altvertraute Kommissarin Bettina Brauer wieder mit. Sie ist, soweit ich sehe, mittlerweise die „älteste“ Kommissarin, weil von Beginn des Radio Tatorts dabei. Alle Episoden spielen naheliegender Weise im Norden, halten verschiedene hochkarätige Autoren (Göhre, Hermann, Stein) und auch personelle Veränderungen aus, ohne daß die Krimis an Glanz verlieren. Damit gelingt es dem NDR immer wieder erfolgreich Neuerungen zu erzielen ohne zuviel des Guten zu tun (Hamm) oder zweifelhafte Neuanfänge (HR, BR) zu starten.

 

Was geschieht

 

Das LKA Hamburg erhält ein Video zugesandt, auf dem ein gefesselter wimmernder Mann zu sehen ist, begleitet von der Nachricht: „in 25 Stunden ist er tot“. Sonst keine weitere Forderung.

Der gewaltige Polizeiapparat startet seine Aktivitäten, zumal der Mann unbekannt ist.

Lediglich Kommissar Döring kommt diese Person bekannt vor. Es ist der stellvertretende Filialleiter des Supermarktes, der vor wenigen Wochen überfallen wurde.

Kommissarin Breuer und die Staatsanwältin machen Ermittlungsdruck, sie analysieren das Video, um zu erfahren, wo sich der Entführte befindet.

Döring hingegen geht seinen eigenen Weg, er hat das Gefühl, die Entführung und der Überfall stehen in einem Zusammenhang. Damals war beim Überfall einer der Täter durch ein Versehen vom Sicherheitsdienst erschossen worden. Der zweite Täter konnte mit Geld flüchten.

Die Aussagen des Filialleiters und des Sicherheitsdienstlers führen zur Überführung des Täters, der trotz Unschuldsbeteuerungen verurteilt wird. Kurze Zeit später hängt er sich in der Zelle aus.

Nun beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Döring vertieft sich zusehends in den alten Fall, ohne das zu erkennen ist, dass es weiterhilft. Haben der solide Supermarktleiter und der schmierige Sicherheitsmann die Wahrheit gesagt? Hat sich Döring bei den Ermittlungen täuschen lassen? Breuer und die Staatsanwältin sind kurz davor, den Entführungsort zu identifizieren und den Entführten zu befreien

 

Wie es gemacht ist

 

Dieser Wettlauf mit der Zeit ist spannend und der Hörer möchte nicht nur wissen, ob der Entführte gerettet wird, sondern auch wer der/die Entführer sind. Man darf ruhig verraten, dass es keine weiteren Toten gibt, aber eine überraschende und nachdenkliche Wendung als Highlight zum Schluss.

Deutliche Hauptfigur dieser Episode ist Kommissar Döring, der seinen eigenen Weg auch gegen alles Drängen seiner Vorgesetzten geht. Döring ist nicht frei von psychischen Problemen, aber dies ist nicht überbetont und scheint seine Arbeit eher zu stärken als zu schwächen. Dem Sprecher Matthias Bundschuh gelingt es ganz hervorragend mit vielen Ausdrucksmöglichkeiten, diesen Dickkopf sympathisch zu machen. Allein der Klingelton des Handys ist hörenswert. Die Spurensuche von Döring führt uns durch ein Kaleidoskop von weiteren Typen und Hörorten, alles mit leichtem, norddeutschen Akzent. Der Hörer findet sich aber immer gut zurecht. Auch Susanne Borgmann, als Kommissarin Breuer, zeigt in einer kleinen Rolle, mit wie wenig Mitteln eine gute Sprecherin, einer Figur Leben einhauchen kann.

Dieser Krimi thematisiert indirekt aber auch ethisch-moralische Fragen: Dürfen Zeugenaussagen allein zur Überführung eines Täters führen? Wie geht ein Polizist mit dem Selbstmord eines von Ihm Überführten um? Was tut so etwas mit dem Polizisten ?

 

 

Was es noch zu sagen gibt

 

Nicht jeder Hörer wird das Ende nachvollziehen können. Auch passt das Vorgehen Dörings im Entführungsfall nicht wirklich zu seinem Verhalten beim Supermarktüberfall. Aber dies tut der Spannung keinen Abbruch. Ich persönlich wünsche mir für die nächsten Episoden auch eine wieder stärkere, erkennbare lokale Ansiedlung.

 

 

Dauer         54 Min.

 

Fazit

 

Dieser Krimi zeigt, dass es doch noch lohnt, immer wieder in die Radio-Tatort-Reihe hineinzuhören. In gewisser Weise ist diese Episode ein Allrounder. Nicht zu hard-boiled- auch nicht cosy, ohne Mystery oder Grauen, aber spannend. Es fehlen nicht: Lokalkolorit, vertrautes Ermittlerteam, gute Story. Wem diese Episode gefällt, sollte auch die älteren Fälle hören. Dabei sind die Stories mit dem Undercover-Agenten und Pianisten Jac Garthmann besonders wertvolle Unikate.

 

Wertung

 

90 %

 

 

Verfügbarkeit:

 

Beim NDR und in der ARD Audiothek als Download.

 

Links

 

https://hoerspiele.dra.de/vollinfo.php?dukey=4992603&vi=1&SID

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