Sonntag, 25. September 2022

Das mit de Zoe – Ein Schweizer Highlight in trister Hörspielwelt

 

© SRF/ Luc Müller

Die Hörspielredaktion des SRF ist bekannt für ihre herausragende Arbeit. Insbesondere die Krimis werden gehegt und gepflegt. Alte Schätze werden geborgen und gespielt, neue wagemutige Produktionen auf den Weg gebracht. Die Redaktion führt in die Krimis ein und begleitet den Hörer mitunter mit ergänzenden Reflexionen. Ja und es gibt immer engen Kontakt zu den Hörern.

Eins dieser Highlights ist ein neuer 10-teiliger Podcast: Das mit de Zoe. Auch wenn Jugendliche die eigentliche Zielgruppe sind, ist es für alle höchst hörenswert. Die Krimiredaktion hat den Podcast und drei einstündigen Episoden zusammengebastelt. Für deutsche Hörer gibt es einen Wermutstropfen: Gesprochen wird Schwytzerdütsch(Zürich). Aber wer Glaser oder Hunkeler liebt, wird auch diese Herausforderung bewältigen.

 

Inhalt

 

Die junge Gymnasiastin Zoe wird an einem Morgen besinnungslos in der Nähe ihrer Schule vorgefunden. Sie wurde vergewaltigt, kann sich aber an Nichts erinnern. Am Abend vorher hatte in der Turnhalle eine Fete stattgefunden, die zu später Stunde von Alkohol und Drogen beherrscht wurde.

So beginnt der 10-teilige Podcast. Polizei, Schule und vor allem die Schüler selbst machen sich auf die Suche nach dem Täter. Die Lehrer sind fassungslos. Klar, einige der Schüler sind schwierig, lassen sich auf Drogen und Alkohol ein. Aber eine Vergewaltigung? Die Polizei tut sich schwer zu erkunden, was an dem Abend wirklich geschehen ist. Die Schüler blocken, lassen sich nicht in die Karten schauen. Die beste Freundin von Zoe, die Sofie, lässt aber nicht locker. Immer wieder fragt sie in der Klasse nach: Was ist geschehen? Grübelt über Motive nach. Viele geraten in Verdacht. Der in Zoe verliebte, aber abgewiesene Ben. Der zurückhaltende von Zoe gemobbte Alex. Oder Luca, der Freund von Sofie,  der auf seinem Computer Fotos von der vergewaltigten Zoe hat. In einem Gewirr von Gerüchten, Verdächtigungen und Lügen gelingt es Sophie den Täter zu entlarven.

 

Zur Produktion

 

Das Hörspiel basiert auf einer Vorlage der Drehbuchautorin Julie Budtz Sørensen, die 2018 im dänischen Rundfunk gesendet wurde. Der in Kopenhagen lebende Schweizer Theatermacher Andres Liebermann adaptierte die Vorlage und übertrug sie ins „Züritütsch“.

Der SRF entschied sich, die jugendliche Clique von Schauspielschülern sprechen zu lassen, um möglichst authentisch zu wirken. Aufgenommen wurde nicht nur im Studio, sondern auch an vielen „realen“ Orten mit allen ihren Nebengeräuschen.


© ARD SRF/Oscar Alessio


 

Das Hörspiel

 

Das Hörstück wird in zehn halbstündigen Episoden erzählt mit Titeln wie Party, Grücht, Porno, Bitch. Allerdings sind die Episoden nicht unabhängig voneinander zu hören. Jede Episode beginnt mit einem Einspieler von der zweifelhaften Party und endet mit einer langen, wunderschönen Musikpassage. Die Handlung entwickelt sich entlang der immer tiefergreifenden Neugier der nachfragenden Sofie. Protagonisten sind die Clique, die Schule, die Polizei und ein wenig die Eltern.

Der Titel „Das mit de Zoe“ sagt schon etwas über die männliche Sichtweise: Ja da war irgendwas, aber wir wollen möglichst nichts damit zu tun haben. Sofie gerät mit ihrem Nachfassen in ein Dickicht von Verdächtigungen, Sex, Mobbing, Hass, Drogen. Jedenfalls in unendlich viele Emotionen von Halbwüchsigen. Bei der Suche nach der Wahrheit stellt sich heraus, dass es nicht eine Wahrheit gibt, sondern viele. Was heute noch richtig schien, ist morgen schon falsch. Damit gelingt es dem Podcast eine tief berührendes Bild dieser Heranwachsenden zu malen. Zugleich ist es auch Mahnung: Seid vorsichtig Vertrautes öffentlich  zu machen und Hass und Neid zu streuen. Am Ende gibt es einen Täter, aber viele, die durch ihr Verhalten solche Taten begünstigen.

Das Hörspiel ist spannend, weil es durch neue Wahrheit immer wieder Überraschungen gibt. Kriminalistisch ist dies leider nicht Spitzengruppe, weil die Spannung nur entsteht, indem die Jugendlichen Schweigen oder Lügen und nur Sofie als allwissende Ermittlerin den Täter ermittelt.

Die Schauspielschüler machen einen tollen Job.  Der Hörer bekommt das Gefühl mittendrin in der Gruppe zu stecken. Leider braucht es ein paar Episoden um die Personen den Stimmen zuzuordnen, weil diese Stimme jung sind, aber wenig einprägsam.

Es fällt auf, dass Leben außerhalb dieser Clique und Szene nicht vorkommt. Keine Politik, kein Alltagsgeschehen, kaum Familie. Nur der Mikrokosmos.

 

Die Musik

 

Musik scheint im Hörspiel wieder eine größere Rolle zu spielen. In diesem Podcast ist die Musik des jungen Noah Ferrari ein absolutes Highlight. Das Hörspiel nimmt sich immer wieder viel Zeit für Musik, zum Ende einer Episode mehrere Minuten. Diese moderne Musik, sparsam instrumentiert, sehr melodisch hilft dem Hörer die Bilder im Kopf mit vielen bunten Farben zu versehen. Schöner kann Kopfkino nicht klingen.

Eine Liedzeile von Steiner & Madleina trifft wohl die Ambivalenz dieser Jugendlichen: 

„Wenn du mich wie eine Frau berührst,

mich mit Humor verführst

will ich heute dir gehören

ich habe Lust mich zu zerstören“

 

Auf Youtube gibt es ab Min. 24 einen Mitschnitt diese Liedes: Denk was du willst

 

Fazit

 

So klingt Hörspielkunst. Spannend, realistisch, nachdenklich, träumerisch. Was will man mehr? Ein absolutes Muss für jeden Hörspielfreund, trotz Dialekt und derber Sprache.

 

Wertung 90 %

 

Dauer 10 Episoden zu ca. 30 Minuten als Podcast

 


Zum Reinhören

Trailer: Das mit de Zoe

als dreiteilige Hörspielversion: Krimi

 

als zehnteiliger Podcast: Podcast

 

Kostprobe des dänischen Originals: Det mit de Liv

 

Podcast und Musk auf der Spotify: Playlist

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