Montag, 3. Oktober 2022

Im Tunnel – Kammerspiel statt Krimi

 

© ARD / Jürgen Frey

 

Der NDR veröffentlicht im Sept. 22 die letzte Episode des Radiotatorts mit dem Hamburger LKA-Team Breuer, Garthmann und zuletzt Döring. Mit 24 Episoden seit 2008 ist der NDR Langlaufspitzenreiter und hat die Hörer bestens erfreut. Dies ist das Verdienst der Autoren, mit Namen wie Frank Göhre, Matthias Wittekindt, Elisabeth Herrmann und zuletzt Sabine Stein. Die Regisseure waren Norbert Schaefer, Sven Stricker und zuletzt Andrea Getto. Mit den eindrucksvollen Stimmen von Sandra Borgmann, Martin Reinke und Matthias Bundschuh ist das Rezept für gute Krimis schon geschrieben

 

Inhalt

 

Der etwas schwierige Einzelgänger Kommissar Döring sitzt in U-Haft. Er soll den Ganoven Koppka erschossen haben. Koppka ist Dörings schlechtes Gewissen. Durch eine Falschaussage des Wachmannes Koppka wurde ein junger Mann verurteilt und hat sich in der Zelle erhängt (Episode: Nur Du). Dies nagt an Döring.

Was war geschehen? Der Bandenkriminelle Camil Barbu hat an einer Schule Geisel genommen und fordert, dass der Mörder von zwei seiner Leute ausgeliefert wird. Die Soko nimmt die Arbeit auf und sucht Koppka. Döring auch, aber auf seine Weise. Und er findet ihn und erschiesst ihn. Aus Notwehr. Aber der tote Koppka hat keine Waffe in der Hand und es gibt keine Zeuge. Die Entführung war vorher schon unblutig zu Ende gegangen. Döring hat nichts davon mitbekommen.

In der Zelle ist seine Anwältin bemüht, Klarheit in den Tatverlauf zu bekommen. Auch der ehemalige Kollege Jac Garthmann lässt sich blicken und redet mit Döring. War es Notwehr oder Mord?

 

Das Hörspiel

 

Im Tunnel ist nicht wirklich ein Krimi. Die Inhaltsbeschreibung hört sich spannender an als es ist. Wer die Episode „Nur Du“ nicht kennt, muss aufpassen, den Faden aufzunehmen. Im Hörspiel redet Döring mit seiner Anwältin, mit Garthmann und gelegentlich mit einem Wärter. Gelegentlich hört man fiktive Briefe von Döring an seine Chefin. Mehr passiert auf der Ebene der Handlung nicht. Aber im Kopf explodiert es unentwegt. Döring kämpft mit Selbstzweifeln, seiner Berufsehre, letztlich seinem Leben. Die Autorin nutzt dieses Kammerspiel für ein intensives Reflektieren und Philosophieren über die Arbeit der Polizei. Da geht es um Notwehr, Selbstjustiz oder Ambivalenzen. Die locker gesprochene Szene mit dem Wärter lassen den Hörer durchhalten. Das ist kein Straßenfeger, aber vielleicht ein schöner Abschluss dieser Episodenfolge.

Matthias Bundschuh ist ein Charaktersprecher der Extraklasse. Immer noch unverbraucht bringt er den mit sich ringenden Döring zu Gehör. Martin Reinke bringt einen unverwechselbaren ruhigen, norddeutschen Klang ein, der ein wenig die Schwere nimmt. Sabine Orleans Anwältin klingt eher nach einer Staatsanwältin. Keine Spur von Empathie für den gebeutelten Döring.

Die musikalische Begleitung von Sabine Worthmann, die Stammkomponistin für diese Tatort-Reihe, ist vorsichtig modern inszeniert. Erinnert ein wenig an die Commissaris-Krimis. Sie klingt oft wie schlecht geschnitten oder unfertig beendet. Ein Symbol? Da tröstet die gelegentliche Kammerpopmusik von Tindersticks (Willow von 2019 lt. Shazam).

 

Fazit

 

Team und Regie haben das Beste aus einer verschwurbelten Vorlage gemacht. Das mag als Hommage an die Sprecher und die Autorin noch durchgehen. Aber hörenswert ist es nur für eine Minderheit. Wer über die Recht und Unrecht nachdenken will, ist bei Schirach deutlich besser aufgehoben.


 Dauer 54 min


Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

Sonstiges

 

Ausführliche Information des NDR zu den Episoden und dem Team

 

Willow von Tindersticks featuring Robert Pattinso

 

Homepage der Autorin

 

Homepage der Komponistin

 

Episodenliste des LKA Teams in Wiki

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