Sonntag, 19. Februar 2023

Der süße Wahn – Ein Blick in die Untiefen der Liebe

 

Buchcover

Obwohl gut 30 Jahre verstorben, ist die Amerikanerin Patricia Highsmith immer noch für neue Hörspiele gut. „Der süße Wahn“, produziert vom NDR und SRF in zwei Teilen, basiert auf dem gleichnamigen Roman von 1960 (!! dt. 1964) und ist eine echte Neuproduktion. Das Buch ist, immer in der Übersetzung von Christa E. Seibicke, mehrfach neu veröffentlicht worden.

 

Inhalt

 

Der junge Chemiker David Kelsey führt ein einsames, stetes Leben als Chemiker in einer amerikanischen Kleinstadt. Er lebt in einer schlichten Pension, besucht am Wochenende regelmäßig seine Mutter im Pflegeheim und geht gelegentlich mit seinem Kollegen Wes ein Bierchen trinken. Unruhe kommt auf, als Effie neu in die Pension einzieht. Sie stürzt sich in ihrer jugendlichen Unbekümmertheit kontaktfreudig auf David. Der flieht in sein eigenes Haus, keine Stunde entfernt von seinem Arbeitsplatz. Das Haus hat er auf den Namen Bill Neumann gekauft. David führt heimlich ein Doppelleben. Seine Mutter ist längst verstorben und er führt jedes Wochenende in dem Haus ein Leben mit seiner Geliebten. Aber diese Annabelle ist gar nicht anwesend, weil sie längst mit jemand anderem verheiratet ist und ein Kind hat. Aber David gibt nicht auf, schreibt ihr Briefe, sucht sie schließlich auf. Doch sie weist ihn wie immer freundlich, aber bestimmt ab. Ihr Ehemann sucht die Aussprache und entdeckt David in seinem Haus. Es kommt zu einem gewalttätigen Kampf, bei dem der Ehemann tödlich verletzt wird. David meldet den Unfall ordentlich unter dem Namen Bill Neumann der Polizei. Die Fassade bröckelt und die Wahrheit kommt zunehmend ins Licht. Wes wird skeptisch, die in ihn verliebte Effie durchschaut die Lügen und dann hat Annabelle noch einen neuen Partner. David/Bill muss handeln, um Annabelle endgültig an sich zu binden.

 

Das Hörspiel

 

 

Wie kaum anders zu erwarten hat Patricia Highsmith hier wieder ein feinen, kammerpsychologischen Krimi vorgelegt. Das Zuhören erfordert Konzentration, weil es aus inneren Monologen und vielen Dialogen besteht. Aber es lohnt sich, weil jedes Wort und jeder Satz nachklingen, die brillanten Sprecher treffen immer genau den passenden Tonfall. Eine Effie hat wohl jeder Erwachsene schon mal erlebt. Es braucht schon die zwei Stunden, obwohl keine große Dynamik besteht. Aber am Ende der Episode 1 ist überhaupt nicht abzusehen, wie und ob sich David der Schlinge um seinen Hals entziehen kann.

Highsmith erzählt eine Geschichte von grenzenloser Liebe, die man heute vielleicht als Stalking bezeichnen würde. Dabei geht es nicht nur um David, der für seine Liebe bereit ist, zu töten, sondern auch um Effie, die getötet wird, weil sie grenzenlos liebt. Es ist fast beängstigend zu hören, wie gnadenlos nüchtern Highsmith ihre Protagonisten zeichnet. Annabelle ist empathisch und weist David nicht nur ab, aber was sie zu ihren Männern zieht, bleibt völlig im Dunklen. Es ist also auch eine Geschichte von der Unfähigkeit, Beziehungen aufzubauen und Nähe zuzulassen. Geschicktes Timing und clevere Handlungswendungen garantieren dennoch hohe Spannung. Wie ein Gegensatz dazu klingt die unterlegte Klaviermusik. Meist unterlegt, gelegentlich ruhig. Wenn nötig schnell oder langsam. Der Protagonist David hört an seinen Abenden mit der erträumten Annabelle am liebsten die Goldberg-Variationen. Bach soll sie geschrieben haben, damit der Cembalist Goldberg „dadurch in seinen schlaflosen Nächten ein wenig aufgeheitert werden könnte“. Also die passende Musik, um nach dem Hörspiel mit wohligen Tönen eine wonnige Welt zu malen.

 

 

Fazit

 

Für Liebhaber psychologischer Krimis ein perfektes Hörspiel, mit gutem Timing, spannenden Wendungen, viel Emotion und brillanten Sprechern.

 

 

Wertung 90%

 

Dauer ca. 54 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

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