Sonntag, 31. März 2024

Ein Mann mit vielen Talenten – Castle Freeman nimmt Faust ins Visier

  

Buchcover

 

Der Amerikaner Castle Freeman wurde in Deutschland als Autor spät entdeckt. Der heute 80-Jährige bietet im gleichnamigen Roman (Engl: The devil in the valley, 2015) seine Interpretation des klassischen Faust-Themas an: Du darfst eine Zeit länger leben, und die Zeit in vollen Zügen genießen, dann gehörst du mir. Wer die vie bereits beim SWR erschienen Hörspiele von Freeman kennt, wird ahnen, dass es wohl nicht so einfach für den Teufel wird und vermisst Lucian Wing. Allerdings hat der SWR durch kluge Besetzung und Dramaturgie für Verbindendes gesorgt.

 

Inhalt

 

Die junge Polizistin Madison hält ein Fahrzeug an und will die Papiere sehen. Die sind seltsam. Doch dann sind Fahrzeug und Fahrer verschwunden. So wird ein Gehilfe des Teufels eingeführt, auf dem Weg zu Langdon Taft. Alt und einsam, aber wohlhabend lebt der ehemalige Lehrer in einer baufälligen Hütte in Vermont, im Nordosten der USA. Taft liebt es, auf der Terrasse zu sitzen und seinen billigen Scotch zu genießen. Sein einziger Freund ist Eli Adams, ein Allrounder, der dort hilft, wo es Taft an Talent mangelt. Unerwartet bekommt Taft Besuch von Dangerfield, den niemand sonst sieht, aber hört. Dangerfield ist ein Abgesandter des Teufels. Er bietet Taft einen Deal an: Du darfst noch bis zum Columbus-Day (7 Monate) leben. Und was bekomme ich dafür? Du darfst in der Zeit alle meine Talente nutzen. Und davon habe ich viele. Taft willigt ein. Und dann beginnt eine Reihe von teuflischen Überraschungen. Der todkranke Sean wird gesund und die Krankenhausrechnungen bezahlt ein Unbekannter. Der örtliche Schläger und Frauenhasser Wes verschwindet überraschend für immer. Eine junge Tote wird zum Leben erweckt, ein säumiger Hypothekenschuldner kann sich von den New Yorker Eliteanwälten befreien. Alles für das Gemeinwohl, nichts für Taft. Allerdings bringt Danger die junge Madison und Taft zusammen. Da Taft ständig redet, ohne jemanden zu sehen, halten ihn alle für verrückt. Bis auf Eli Adams und die im Hospiz lebende 98-jährige Calli.

 

Das Hörspiel

 

Es gibt ungewöhnliche Rollen in diesem Hörspiel. Wir hören den Teufel, seinen Beauftragten und Gehilfen, die sich gelegentlich in Ich-Form einmischen. Die Handlung umfasst ausgewählte Szenen innerhalb der 7 Monate. Alles spielt sich in einem kleinen Ort in Vermont ab. Und am Ende stirbt jemand.

Das Hörspiel ist weit entfernt von schwerer literarischer Kost wie bei Goethe oder Marlowe. Aber es ist auch bei wohlwollender Bewertung kein Krimi. Wenn es nicht an einem Ort spielte, würde man von einem Road-Audio sprechen. Es ist unterhaltsam bis hin zum lauten Lachen und vermittelt wunderbar die Atmosphäre von Land und Leute im ländlichen Nordamerika. Immer mit einem Augenzwinkern, bei dem auch die Ohren wackeln. Zwei Stunden sind auf keinen Fall zu lang, denn es sprudelt über von aberwitzigen Ideen und Geschehnisse. „Verweile doch du bist so schön“. Steht das nicht schon in Goethes Faust? Spannung wird also durch Neugier ersetzt. Der Bearbeitung ist eine hörenswerte und eigenständige Interpretation der Vorlage gelungen. Die sprachlichen Spielchen des Autors Freeman werden glücklicher weise beibeihalten: Taft verärgert zu Dangerfield: „Geh doch zum Teufel“. Da muss sogar Dangerfield lachen.  Neben der klugen Szenengliederung in Kapitel (die es im Buch nicht gibt), sind die Sprecher Garanten des Erfolgs. Den älteren Friedhelm Ptok als Langdon Taft sieht der Hörer förmlich auf der Terrasse sitzen. Hans Harzer als Dangerfield nutzt alle Tonregister für den tödlichen Verführer. Gelegentlich etwas Zuviel des Ganzen. Vielleicht die einzige Schwäche des Hörspiels. Durch manche Überzeichnung (Anwalt, Gehilfen von Danger) geht etwas von Freemans Anliegen verloren. Das Absurde ist Teil der Wirklichkeit und der Gegenwart. Steffen Scheunemann dagegen ist der ruhende Pol der Story und trifft immer den richtigen Ton. Zum guten Ton gehört auch die passende Musik. Die stimmige, ungemein abwechslungsreiche Country-Musik verführt den Hörer in bekannte Filme und Melodien. Jede Szene hat ihre eigene,verführerische Klangwelt, die man laut mal, mal leise ist. Die Story ist vielleicht eine schlitzohrige Interpretation des Faust-Themas, aber eher eine Liebeserklärung an Land und Leute.

 

 

Fazit

 

Keine leichte Kost. Viel Monolog, viel Dialoge, überschaubare Handlung. Eigenwillige Spannung. Aber meisterhaft inszeniert lädt das Hörspiel zum „Nach“-Denken ein. Sven Stricker kann deutlich mehr als nur Sörensen.

 

Wertung 90 %

 

Dauer 2 Episoden zu insges. 110 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

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