Sonntag, 24. März 2024

Mord in fünf Tagen - Ein Hörspielwerkstatt - Podcast

 


 

Der Bayerische Rundfunk erfreut seine Hörer nicht nur mit Holmes-Klassikern aus den 1960-er Jahren, sondern wagt auch Experimente. Im Jan. 2024 veröffentlicht BR2 einen fünfteiligen Podcast, in dem zwei angesagte junge Autoren sich der Challenge stellen, innerhalb von 5 Tagen ein Kriminalhörspiel im Retro-Stil zu produzieren. Die beiden haben keine Ahnung von Nichts und dürfen künstliche Intelligenz und Experten zu Rate ziehen. 

 

 

Die Episoden

 

Der Aufgabe stellen sich die Comedian Janina Rook und der BR-Netzexperte Christian Schiffer.

Die Beiden berichten in fünf Episoden über ihr Vorgehen. Die KI (ChatGpt) sitzt am „Katzentisch“ und unterstützt sie. Im Episode 1 holen sie sich Rat beim Wissenschaftler Prof. Stefan Neuhaus. Der hat ein anspruchsvolles Buch über Krimis geschrieben. Allerdings kommen in dem Buch so wichtige Autoren wie Friedrich Glauser oder Patricia Highsmith gar nicht vor. Ebensowenig Hörspiele. In Episode 2 berät der Erfolgsautor Volker Klüpfer (Kluftinger) die Beiden über die großen Linien eines Krimis. Allerdings hat auch Klüpfer noch nie ein Hörspiel geschrieben. In Episode 3 lauschen beide dem speziellen Charme der Retro-Krimis. Für die Feinheiten holen sich beide in Episode 4 Rat bei der Anne M. Keßler. Diese Autorin hat ausgesprochen erfolgreiche Hörspielreihen, allerdings teilweise mit grauenhaften Dialogen geschrieben und noch nie einen Krimi. Episode 5 ist dann eine kleine Generalprobe. Mit Schauspielern, Geräuschemachern und allem, was man für die finale Umsetzung braucht. Episode 6 ist dann das erfolgreich beendete Kriminalhörspiel: Die Blondierung des Todes

 

Die Zielgruppe

 

Der Podcast wendet sich an gut gebildete Jugendliche, die in der Welt der Besserverdiener zu Hause sind. Der Hörer sollte den entsprechenden Slang kennen und nicht an Wort wie flashen oder spicy scheitern. Das Bewertungspotential schwankt zwischen mega, toll und super. Neben diesen Wörtern kommt gleich: Ich. Gefühlte alle zwei Minuten wird über die eigenen Witze gekichert. Aber gelegentlich lassen die Protagonisten dann doch ihre Bildung raushängen.

 

Der Arbeitsprozess

 

Die Idee Neulinge mit Hilfe der künstlichen Intelligenz ein Hörspiel schreiben zu lassen, ist erstmal packend und lehrreich. Dabei gelingt es dem Team überzeugend, die Grenzen und Stärken der KI für diesen Zweck zu vermitteln. Ein wichtiger Denkanstoß. Ianina ist eher skeptisch und Christian optimistisch. Einen künstlich erzeugten Freddy Mercury lehnt Ianina vehement ab. Der Hörer bekommt insgesamt ein glaubwürdiges Bild von der Produktion eines Hörspiels. Leider ist die Auswahl der Experten nur Staffage. Jeder der vielen Hörspiel-Kurse im Netz bietet in kürzerer Zeit mehr und differenziertere Information. Wie die Beiden nun zu ihrem eigentlichen Text kommen, bleibt verborgen. Wie und wann haben sie tatsächlich geschrieben? Haben sie die Arbeit geteilt oder über jeden Satz diskutiert? Im Abspann tauchen dann auch noch weitere Autoren auf. Was war ihr Anteil? Die beständige Tiefstapelei hätten die Beiden auch nicht nötig.

 

 

Die Blondierung des Todes

 

Das Hörspiel ist durchwachsen. Es beginnt langatmig, die Figuren sind Klischees. Immerhin ist diese Groteske unterhaltsam und tatsächlich Retro. Die Handlung ist okay, immer wieder neue Ideen und Twists. Die Idee eines Livestreams der Mordermittlungen per Internet oder die Telefonate mit dem Assistenten sind einfallsreich. Eine Rückblende fängt die jugendliche Euphorie um Freddy Mercury in München glaubhaft ein. Der starke bayerische Einklang wird es den Nordlichtern unter den Hörern schwer machen. Auch der junge Hörer wird nicht jeden Gag witzig finden. Professionelle Arbeit hört sich dann doch anders an.

 

Fazit

 

Podcast und Hörspiel wenden sich an eine kleine Community gutwilliger Zuhörer. Ob der BR damit diese Zielgruppe auch berührt, sei dahingestellt. Als Experiment okay, aber auch nicht mehr.  

 

Wertung 65  %

 

Dauer 5 Episoden je 45 Minuten und das Hörspiel mit 55 Minuten

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek und bei den gängigen Podcastdiensten

 

 

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