Sonntag, 6. Oktober 2024

Hiddenseekrimis – 4 Kunststücke von Werner Buhss

 

Clara Arnheim; Public domain

 

Der Autor Werner Buhss (1949 – 2018) war in gewisser Weise ein typisches DDR-Gewächs. Bestens ausgebildet, ein unabhängiger Denker, ein brillanter Autor, dem Gläschen Bier nie abgeneigt. Immer an der Grenze zum Existenz-Minimum lebend. Inspiration und Erholung holte er sich auf der Ostseeinsel Hiddensee, dem Refugium für Künstler zu DDR-Zeiten. Buhss schrieb mehr als 20 Hörspiele, darunter viele Krimis. Die ARD Audiothek hat die vier Krimis, die auf der Insel spielen nun ausgegraben und zutreffend der Rubrik „Ermittlerkrimis“ zugeordnet. Der Ermittler selbst, Ole Pleskow, lebt und arbeitet allerdings in Stralsund.

 

 

Das Gemeinsame

 

Im Zentrum steht der Stralsunder Kommissar Ole Pleskow unterstützt von dem örtlichen Polizisten Hübner und einem kleinen, wechselnden Team. Keine liebenswerten Charakter, sondern Menschen mit Schwächen und Stärken. Über alle Folgen hinweg spricht Michael Klobe den Hübner wunderbar schratig mit dem running gag: „Ich will mal sagen.“ Die übrigen Sprecher wechseln häufig, Kai Maertens als Ole in der letzten Episode eine Fehlbesetzung.  Die Hiddenseekrimis vermitteln eine insel-typische Atmosphäre, die nicht plump idyllisch klingt. Der Hörer folgt eher ruhig den Erkundungen von Ole, der auch schon mal persönlich involviert ist. Der Autor Buhss achtet auf jedes Wort. Es ist witzig, lebendig und gelegentlich tiefgründig. Sein wichtigstes Stilmittel sind knappe Dialoge. Die Szenen sind immer stimmungsgeladen. Die Plots sind überzeugend, Buhss ist ein feiner Psychologe ist und webt gleichzeitig politische Themen ein. Aber im Grunde geht es immer um Menschen und ihre Schicksale. Es geht eher um Schuld und Sühne als um rechtskräftige Verurteilung. Geräusche sind immer szenentypisch, Musik sparsam eingesetzt. Frank Merfort gelingt es Country-Sound modern zu interpretieren und die Pausen in musikalischen Appetit-Häppchen zu verwandelt. Trotz wechselnder Hauptsprecher gelingt es der Regie ein gleichbleibendes Stimmungsbild zu vermitteln. Die Sprecherliebhaber kommen bei der Besetzung auf ihre Kosten. Die Krimis von Buhss spielen nach der Wende und sind keine DDR-Nostalgie. Die Vergangenheit kommt vor, wird aber nie zum zentralen Thema.

 

 

Die Inhalte

 

Kaugummimonat

Im Hafenbecken wird ein Toter geborgen. Seine Pensionswirtin gerät in Verdacht, als ihr Vorleben genauer durchleuchtet wird. Ein Krimi, der in den Tiefen der menschlichen Seele wühlt. Ein Einstieg, der Lust auf mehr macht.

 

Ein toter Hund

Der Hund wurde vergiftet. Kurz darauf wird Franz Reimann erfroren im Schilf aufgefunden. Der Notanruf bei der Feuerwehr stammte nicht von Reimann. Reimann war ein Geschäftsmann, oft erfolgreich, manchmal auch auf der Kippe. Feinde hatte er genug. Das persönlichste Hörspiel mit viel Lokalpolitik.

 

Fischer sin Frau

Mitten in der Feriensaison gibt es zwei Tote auf Hiddensee. Der alte Loens ist natürlich gestorben, der andere wurde offensichtlich getötet. Ein Urlauber, der mit Marianne angebandelt hatte. Marianne war die Schwiegertochter vom alten Loens und Haßobjekt seiner Frau. Viel Atmosphäre, manchmal etwas abwegig.

 

 

Schneeregen

Ole Plessow baut bei Schnee und Regen einen Unfall. Mit Todesfolgen. Allerdings war der Tote im angefahrenen Fahrzeug schon vor dem Unfall tot. Ole ackert sich durch komplizierte Familienverhältnisse, verschwiegene Insulaner und kiffende Schüler. Und plötzlich bekommt das Wort Schnee noch eine andere Bedeutung. Das politischste und schwächste Hörspiel der Reihe.

 

 

Fazit

Bis heute haben die Hörspiele nichts an Attraktivität verloren. Nicht hektisch, aber spannend, tiefgründig und dialogstark. Mit Spitzenkräften der Sprechszene besetzt.

 

 

Wertung 85 %

 

Dauer ca. 50 Min. je Episode

 

Verfügbarkeit

 

ARD-Audiothek (Eingabe: „Hiddenseekrimis“) mit netten Teaserbildern

 

 

 

 

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