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Buchcover |
Der SWR hat ab 2007 die außerordentlich erfolgreichen Kriminalromane des kubanischen Autors Leonardo Padura (1955-) für das Hörspiel bearbeitet. Die Hauptfigur, Teniente Mario Conde bewegt sich im politisch und gesellschaftlich schwankenden Kuba zwischen Moral und Ermittlerehrgeiz. Die attraktiven Hörspiele (Havanna-Quartett) sind im Herbst 2024 erneut in der Audiothek veröffentlicht worden. Allerdings hat sich Padura auch in anderen Genres bewegt. „Der Mann, der Hunde liebte“ geht von einem politischen Mord aus, ist aber weit mehr als ein Krimi. Das Buch ist 2009 auf Spanisch und 2011 auf Deutsch erschienen und umfasst mehr als 700 zu lesende Seiten. Das Hörspiel des SWR wurde im Nov./Dez. 2024 ins Netz gestellt und zuerst auf den ARD Hörspieltagen der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Inhalt
Das Hörspiel umfasst den Zeitraum von etwa 1930 bis in die 1900-er Jahre und erzählt die Lebensgeschichte von drei Personen. Leo Trotzki, Kommunist, eng mit Lenin verbunden und damit einer der Gründerväter der russischen Revolution. Er war aber auch eines der prominentesten Opfer von Stalins Terror und Rache. Er musste aus der Sowjetunion fliehen und fand erst in Mexiko-Stadt ab 1937 dauerhaftes Asyl. Umgeben von einer Schar von Leibwächtern und in einem Bollwerk von Haus lebend. Aber er genoss das Leben. Züchtete Kaninchen, schrieb Bücher und war Teil der mexikanischen Künstlerbohéme. Er hatte eine Affäre mit Frida Kahlo. Dennoch wurde er 1940 von Ramón Mercader mit einem Eispickel ermordet. Mercader war ein strammer Kommunist, der im spanischen Bürgerkrieg in den 1930-er Jahren sozialisiert wurde und brav allen Befehlen gehorchte. Er konnte verhaftet werden und lebte nach seiner Freilassung noch bis 1978 in Havanna. Dort lernt er zufällig den kubanischen Schriftsteller Ivan kennen, als dieser mit seinen geliebten Borsoi-Hunden sparzieren geht. Ivan beginnt, sich für das Leben dieses Menschen zu interessieren und schreibt ein Buch darüber
Das Hörspiel
Keine leichte Vorlage. Die Erzählzeit umfasst nicht ganz 100 Jahre und ist voller Zeitsprünge vor und zurück, weil es der Recherche des Ivan folgt. Die drei Teile sind daher nicht eigenständig. Zielgruppe sind eher literarisch und politisch Interessierte, weniger die Krimifans. Politische Vorbildung macht das Hören definitiv leichter. Eine gewisse Spannung entsteht dennoch, weil der Hörer häppchenweise erfährt, warum diese Menschen wie gehandelt haben. Die Geschichte wird von neutralen Erzählern, in inneren Monologen und vielen Dialogen ausgebreitet. Also aufgepasst, zumal die Hauptsprecher berühmt sind, aber erst nach etwas Reinhören besser unterschieden werden können.
Attraktive Spielorte in der ganzen Welt, spezielle Milieus sind ein Hörvergnügen, immer untermalt mit stimmigen Geräuschen und abwechslungsreicher Musik. Lachen, Weinen, Saufen aber auch ein furchterregender Todesschrei Trotzkis. Padura ist ein Epiker, mit Längen. Kein Short-Story Erzähler. Gelegentlich erinnert das Hörspiel (und vermutlich das Buch) an eine Gruppendiskussion in der jeder das Gleiche wiederholt, nur noch nicht von ihm. Langatmige politische Diskussion sind auch nicht jedermanns Geschmack. Sprachlich neutral und in kurzen, klaren Sätzen wird dem Hörer Unfassbares und Banales präsentiert. Die ausführliche Beschreibung des Mordes hat etwas fast Zärtliches und macht damit das Grauen noch größer. Trotzki ist nicht nur ein großer Denker, sondern auch ein fremdgehender Kleinbürger. Mercader ist nicht nur Mörder, sondern auch ein ideologisch Irregeleiteter. Die Vorlage ist ein politischer Roman, der blinde Gefolgschaft bloßlegt und den Irrungen und Wirrungen von Menschen Verständnis entgegenbringt. Sie erzählt vor allem die Geschichte des Mörders. Trotzki soll angesichts des Todes gerufen haben: „Lasst ihn leben, er hat noch etwas zu erzählen“.
Das Hörspiel „lässt Wahrheit und Erinnerung, Tatsachen und Subjektivität verschmelzen (Eva Illouz), aber Emotionen lässt es nicht entstehen.
Fazit
Für politisch und literarisch Interessierte ist das hochprofessionell inszenierte Hörspiel mit der Top-Besetzung an Sprechern ein lohnenswerter Marathon. Alle anderen können beruhigt einen Bogen um das Hörspiel machen.
Wertung 85 %
Dauer drei Episoden zu je ca. 55 Minuten
Verfügbarkeit
ARD-Audiothek
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