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Buchcover |
Der NDR ist stets für Überraschungen gut und hat das 2022 als Erstlingskrimi erschienene Buch in 2 Teilen für das Hörspiel bearbeitet. Grit Poppe wurde 1964 in der DDR geboren und ist heute durch vielseitige schriftstellerische Arbeit und zeitkritische Studien bekannt. Zum 35. Jahrestag des Falls der Mauer hat der NDR ihr Buch als Hörspiel veröffentlicht.
Inhalt
Mitten in den Tagen der Öffnung der Mauer, lassen sich für drei Insassen des DDR-Jugendwerkhofes Torgau, ca. 50 km entfernt von Leipzig, nachts völlig unerwartet die Türen der Einzelzellen öffnen. Der Werkhof ist eine gefängnisähnliche Besserungsanstalt. Alle anderen Zöglinge sind schon seit einigen Tagen weg. Als Andreas vorsichtig seine Zelle verlässt, sieht er den Direktor baumelnd im Flur hängen. Und einen Mann mit Sturmmaske, der sofort wegrennt. Die, noch, DDR-Kripo ermittelt. Ist es Selbstmord? Ein gefüllter Kühlschrank und die gute Laune am Tag vor dem Tod sprechen dagegen. Mord? Beliebt konnte er nicht sein. Aber wer hätte ein Motiv? Jedenfalls nutzen die drei Jugendlichen, Andreas, Tanja und Maik die Gelegenheit und büchsen aus. Die junge DDR-Kommissarin Beate Vogt stellt Fragen, studiert die Lebensläufe des Personals, der Verwandtschaft und die Stimmung und erschrickt. Maik schickt eine Postkarte aus Spanien, Tanja geht zu ihren Eltern. Aber Andreas bleibt verschwunden. Beate fürchtet um sein Leben.
Das Hörspiel
Das Hörspiel erzählt mehrere Geschichten, ohne dass es zuviel wird. Die grauenhafte Realität eines Jugendwerkhofs, die Jugendszene der DDR zur Wendezeit und ein wenig die Realität der Kripo in dieser Periode. Dennoch ist es ein extrem spannender
Krimi. Die Autorin hat gut recherchiert und die Ereignisse sind vielleicht zugespitzt aber historisch belegt. Die Innen-und Außenwelt des Jugendwerkhofes werden detailliert geschildert. Der Hörer mag es kaum glauben. Allerdings gab es auch in West-Deutschland so etwas wie Schwarze Pädagogik. Aber es ist auch eine Geschichte über die Verlorenheit von Jugendlichen, die freigelassen werden und keine Orientierung haben. Wie die DDR. Diese Erzählung findet sich intensiv im 2.Teil des Hörspiels. Und es ist ein spannender Krimi. Begleitet von einer allwissenden Erzählerin mäandert die Story von einem Spielort zum Nächsten. Mal auf dem richtigen Pfad, mal auf einem Irrweg. Die mit Nina Gummich bestens besetzte Kommissarin hat eine ruhige Art mit schlichtem, nachfragendem Blick auf alles, was sie hört und gibt keine Ruhe. In ihrem Team erlebt sie den Umbruch, weil Kollegen verschwinden und ein neuer Wessi etwas vorlaut ist. Man hört jede Minute, dass es sich gelohnt hat, auch die Jugendlichen mit Profis zu besetzen. Die Autorin wühlt tief in den Lebensgeschichten der Beschäftigten und Verwandten. Mit einem nüchternen Blick, der an die Brecht´sche Darstellung der Wirklichkeit erinnert. Der Hörer kann jederzeit gut folgen und eigene Überlegungen entwickeln. Die Texte sind kurz und prägnant, bestens beobachtet. Einer der schönsten Dialoge handelt von der vor kurzem erlaubten Reisefreiheit. Beate Vogt hat davon gar nichts mitbekommen. Sie hat keinen Fernseher. Die langwierigen polizeilichen Ermittlungen benötigen mehrere Monate. Am Ende kommt es aber doch völlig anders als erwartet. Sound und Musik (es gibt einen eigenen Song) sind elektronisch modern und fangen die Jugendwelt bestens ein.
Fazit
Der NDR zeigt, dass der ÖRR immer noch in der Lage ist, erstklassige Hörspiele zu produzieren, die politisch sind, ohne zu belehren und spannend, ohne abwegige Einfälle.
Wertung 90 %
Dauer ca. 100 Min.
Verfügbarkeit
ARD-Audiothek
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