Dienstag, 24. Juni 2025

Zu nah am Abgrund - Nahe an der Perfektion


Buchcover


 Die Regisseurin Irene Schuck liebt offenbar Abgründiges.  2024 betreute sie beim NDR Abgrund von Lucy Goacher, nun, Mai 2025, Zu nah am Abgrund beim Deutschlandfunk Kultur. Und auch ihre älteren Hörspiele von Castle Freeman oder Simenon sind ja nicht frei von Blicken in die Gründe und Abgründe der menschlichen Seele. Der Wiener Verlag Septime hat den bereits 2010 verstorbenen französischen Autor Pascal Garnier für den deutsch-sprachigen Markt entdeckt und übersetzt. Das französiche Original Trop près du bord ist bereits 1999 erschienen. Die deutsche Übersetzung erst 25 Jahre später. Mit 144 Seiten ist es eher ein Büchlein.

Inhalt  

 

Éliette lebt in einem einsamen Dorf in dem ehemaligen Ferienhaus in der einsamen Ardeche. Ihr Mann ist kurz nach Eintritt der Rente gestorben und sie hat sich entschieden, diesen Umzug gegen den Rat ihrer Kinder zu wagen. Dort sagen sich Fuchs und Hase gute Nacht und Éliette hat nur eine führerscheinfreies Moped-Auto. In dem nimmt sie den attraktiven Étienne mit nach Hause. Er hatte eine Autopanne und musste den Wagen stehen lassen.  Die 64-Jährige blüht förmlich auf. Dann erfährt sie das der Nachbarsohn ums Leben gekommen ist. Er musste einem Pannenfahrzeug nah am Abgrund ausweichen uns stützte in denselben. Der Tod schreibt jede Familiengeschichte neu und in der Nachbarsfamilie bleibt kein Stein auf dem Anderen. Aber beim Unbekannten taucht plötzlich eine junge Frau auf, die Tochter von Etienne. Dann folgen Ereignisse, die mit Worten kaum zu beschreiben sind.

 

Die Hörspiele

 

Zugegeben das Hörspiel braucht etwas, um in Gang zu kommen. Aber in dieser Phase wird der Ton gesetzt: Alles ganz ruhig, nachvollziehbar, verständlich, leicht humorig und verständnisvoll. Dieser Ton bleibt, aber es wird tief schwarz und ein veritabler Krimi mit wenigstens drei Toten. Das Hörspiel sucht nie den Täter, nie die Motive, sondern hört bei den Taten zu. Und stellt mit Schrecken fest, wie nah jeder Mensch doch selbst am Abgrund steht. Der Autor wird gerne mit Simenon verglichen, der auch immer den Menschen, weniger den Täter gesucht hat. Nach dem ruhigen Einstieg erhöht sich das Geschehenstempo deutlich und der Hörer fragt sich, was dem Autor denn noch alles einfallen lass kann. Nie etwas Abseitiges. Das Hörspiel fängt ein wenig die Menschen und Landschaft der Ardèche ein, die Dialoge der Hauptsprecher nehmen viel Raum ein, immer wieder unterstützt von einem allwissenden Erzähler. Man könnte eine DIN A4-Seite mit den lakonisch-klugen Sätzen des Autors füllen. Hier nur ein leicht zotiges Beispiel der jungen Tochter: „Die alten ficken leise, damit der Tod sie nicht hört „.Die Besetzung hat sich entschieden, weniger populäre Sprecher zu wählen. Ihnen gelingt es aber, jeder Figur einen hörbaren Charakter zu geben. Schließlich gibt es solche Menschen in jeder Familie. Und solche Schicksale. Schon Tolstoi hat Anna Karenina mit diesem Satz begonnen: Alle glücklichen Familien sind einander ähnlich, jede unglückliche Familie ist unglücklich auf ihre Weise."

 

 

 

Fazit

 

Ein Kammerspiel mit vielen Dialogen, ohne Psycho-Zeigefinger, aber mit ganz viel Spannung und Ereignissen, die den Hörer nicht so schnell in Ruhe lassen. Krimi auf sehr hohem Niveau. Kaum zu toppen

 

Wertung    95 %

 

Dauer ca. 55 Min.

 

Verfügbarkeit

 

Beim Deutschlandfunk oder in der Audiothek

 

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