Samstag, 26. Juli 2025

Mallorca, Mord und Margerita – Ein kriminelle Loreley-Sage


Loreley



Die preisgekrönte österreichische Autorin Magda Woitzuck ist keine Vielschreiberin, aber eine vielseitige Schreiberin. In der ARD Hörspieldatenbank finden sich 10 Hörspiele, darunter eine norddeutsche Fassung. Sagen haben es ihr offenbar angetan. Nun hat im Sommer 2025 der große Leonard Koppelmann ihre Fassung der Brentano-Saga im Auftrag des HR produziert und zu Gehör gebracht. Entfernt begibt sich er damit in die Märchengefilde (Grimm Märchen und Verbrechen) seiner Schwester.

 

Der Inhalt

 

Jens Rieder ist ein erfolgreicher Autor. D.h. war. Seit 20 Jahren hat er nichts mehr Nennenswertes veröffentlicht, sondern stattdessen als Hausmann vor allem die Tochter Annabell großgezogen. Denn seine Frau Katarina hat im Kulturmanagement Karriere und Kohle gemacht. Nun ist Annabell erwachsen und muss allein zurechtkommen. Jens nutzt dies für eine kreative Auszeit auf der familieneigenen Finca auf Mallorca. Doch auch dort entwickelt sich keine Inspiration. Er trinkt reichlich Margeritas, fängt wieder das Rauchen an. Bis die junge attraktive Loreley auftaucht und ihm wieder Leben in Leisten und Lenden einhaucht. Aber ihn künstlerisch nicht inspiriert. Doch als er Schluss machen will, offenbart Loreley ihre Schattenseiten und erpresst ihn mit heiklen Fotos und Videos. 

Und nun beginnt eine Story mit Mord, Todschlag und Erpressung, wie sie in einem Kriminalroman stehen könnte. Das Leben und die Existenz der Familie Rieder steht auf der Kippe.

 

Das Hörspiel  

 

Die Geschichte spielt auf spanischem Terrain mit entsprechendem Zungenschlag und immer klar hörbarem Ambiente. Ein allwissender Erzähler begleitet den Hörer durch die Dialoge und vielfältigen Szenen. Der Routinier Leonard Koppelmann spielt sein ganzes Können aus. Die Hunde der Nachbarin bellen vernehmlich, im Hintergrund blöcken die Schafe. Gelegentlich erklingen berühmte klassische Melodien, dann wenige stille Töne und oft genug nur Geräusche. Gehört kann es keine Schuldigen geben, denn den Sprechern gelingt es, jeder Person so viel Leben einzuhauchen, dass es sie sympathisch macht. Und genau darum geht es wohl der Autorin, hier wird eine Geschichte erzählt, die in ihren tragischen Verstrickungen an die Romane von Patricia Highsmith erinnern. Wohl auch etwas persiflieren. Die weibliche Autorin zeigt, dass auch heute noch Männer leicht der Verführung anheimfallen. So wie die Loreley aus einer Geschichte von Brentano, die Schiffer verführt, mit ihr im Rhein zu verschwinden. Am Ende wird übrigens nicht einmal klar, ob es sich alles so abgespielt hat oder doch noch ein neuer Roman von Jens Rieder vertont wurde.

Jedenfalls ist das Hörspiel extrem spannend mit einem unerwarteten Plot. 

 

 

Fazit

 

Toll gemacht und absolut hörenswert, aber eher etwas für Liebhaber anspruchsvoller Krimis. 

 

Wertung 90 %

 

Dauer ca. 79 Min.

 

Sonntag, 20. Juli 2025

Mordwind Rügen – Europa next mischt im Inselmarkt mit




Der Europa Hörspielverlag ist mit der ehemaligen Inhaberin und Regisseurin Heikedine Körting ein Urgestein der Hörspielszene. Kein Hörspielkind kam an den ??? oder TKKG vorbei. Bis heute sind Kinder und Jugendliche die Hauptzielgruppe. Verständlich, dass die Idee entstanden ist mit dem Label Europa next ein Angebot für Erwachsene zu etablieren. „Hochwertig produzierte Inhalte, die für alle, die über 16 sind und diejenigen, die den Nervenkitzel brauchen“. Unter weitgehend eigenständiger Regie gehört Europa heute zum Sony Konzern. Autorinnen sind die Mika Grimm und Liv Kolmar, eher bekannt für Kindergeschichten.

 Das Setting


Der Europol-Kommissar Leif Hartmann wurde vom Dienst suspendiert und begibt sich nach  Ginstow auf Rügen, seine Heimat. Kaum angekommen mischt er sich in einen Mordfall ein. Und ermittelt mal gegeneinander mal miteinandermit der frisch gebackenen Privatdetektivin Marietti Ilm. Jeder auf seine Weise. Leif ist mit einem hyperauditiven Gedächtnis gesegnet, Marietti kennt die Menschen und die Orte. Auf der menschlichen Seite verbindet sie etwas, aber es gibt auf viel Trennendes. Die gute Seele in der Reihe ist Maule, der alleinlebende Onkel von Leif. Das Leif Probleme mit seiner Suspendierung hat, ist nicht zu überhören. Er telefoniert permanent mit seiner Therapeutin Isidor. Isidor weiss so viel, dass der Hörer nicht erkennt, ob sie ein Mensch oder ein KI ist. Um diese 4 Protagonisten gibt es noch viele eigenwillige Dorfbewohner. Vieles, was der Hörer wissen möchte, wird für die späteren Episoden aufbewahrt. 


Schlaflied für einen Katzenprinz  

 

Ole Kröger, Führungskraft einer Im-und Exportfirma wird ermordet aufgefunden. Die Leiche wird dabei irgendwie schauderhaft inszeniert. Lief mischt sich sofort ein und gerät in Konflikt mit der örtlichen Polizei. Bald ermitteln Polizei, Leif und Marietti. Jeder auf seine Weise. Ole Kröger war offenbar in Schmuggelgeschäfte verwickelt. Offenbar hat er in Biel, Buchhalter des Unternehmens ein Bauernopfer gefunden. Oder einen Mörder, denn Biel ist untergetaucht. Oder gibt es einen Zusammenhang zu der Brandserie auf den Höfen. Dort wütet ein Feuerteufel. Aber nie sind Menschen oder Tiere zu Schaden gekommen. Welche Rolle spielt die Katzenfrau, die mit ihren vielen Tieren in der Nähe des Leichenfundorts einsam im Wald lebt.  Erst spät verdichten sich Vermutungen zu einer bedrohlichen Wahrheit.

 

Das Hörspiel

 

Hier sind unüberhörbar Profis am Werk. Es passiert viel, die Handlung schreitet zügig voran und ist bis zum Schluss spannend. Viele Thrillerelemente. Es gibt einen Erzähler, reichlich Monologe der Hauptpersonen und lange Dialoge. Die Inselbewohner haben alle ihren eigenen Charakter, den die Sprecher hörbar machen, ohne plump zu klingen. Christoph Maria Herbst spricht, wie er immer spricht und lässt die Chancen, die ihm diese komplexe Figur bietet, liegen. Jürgen Wolters als Maule hätte ihm zeigen können, wie man das macht. Die Handlung ist immer wieder an den Haaren herbeigezogen und der Plot überzeugt nicht. Nicht alles was bei Kindern funktioniert, nimmt die Gruppe > 16 Jahre an. Die Zuschaltungen von Isidor als Deus ex machina können einem auf die Nerven gehen. Die sorgfältige zusammengestellte Musik ist ein absolutes Highlight. Extrem aufwändig produziert, hat sie die Aura von Filmmusik. Laut, leise, kurz, lang, gelegentlich zum Mitdenken animiert. Das alles nicht mit Elektronik, sondern handgemacht.

 

 

Fazit

 

In der Welt der Inselkrimis trotz mancher Mängel wegen der Produktionsqualität eher im oberen Bereich angesiedelt. Von Europa hätte man sich aber deutlich mehr erwartet.

 

Wertung 70 %

 

Dauer ca. 120 Min.

 

Verfügbarkeit

 

Bei Europa next mit einem Hörbeispiel oder in den gängigen Streaming-Dienstens

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Sonntag, 13. Juli 2025

Allein – Radio Tatort als Kunstgenuss


© ARD / Jürgen Frey


Der Autor Tom Peuckert hat es immerhin schon auf 27.Kriminalhörspiele gebracht. Darunter die wunderschöne Reihe um den DDR-Privatdetektiv Doberschütz. Im Radio Tatort erscheint beim RBB im Juni 2025 auch schon die siebte Episode um das Team Christian Wonder und Ariane Kruse. Kruse hat einen in Ton und Verhalten unüberhörbaren erdig-russischen Hintergrund. Wonder neigt zur Selbstanalyse. Zuletzt hat die spannende, einfallsreiche Handlung die persönliche Befindlichkeit etwas in den Hintergrund gedrängt. 

Inhalt  

 

Berlin, ein Anruf bei der Polizei: „Hier stinkts“. Ein kurzer, heikler Dialog mit dem Notruf. So trivial beginnt es. Die Polizei kommt tatsächlich und findet eine leere Wohnung, in der es müffelt.  Und eine Tiefkühltruhe, hübsch mit einer Tischdecke geschützt. In Dieser findet sich der Rentner Paul Zechner, zersägt und zerstückelt. Seit 10 Jahren.  Niemand hat es bemerkt, niemand hat ihn vermisst. Auch sein Sohn nicht, der seit dem Tod der Mutter mit seinem Vater zerstritten war. Miete wurde regelmäßig überwiesen und seine Rente wurde abgehoben. Überall in Berlin an unterschiedlichen Bankautomaten. Die Videoaufnahmen helfen nicht weiter, immer nur vermummte Gestalten. Wonder und Kruse suchen die Wohnung ab, befragen Hausbewohner, Arbeitskollegen und denken und reden, den jeder macht mal einen Fehler.  War es eine Bande? Oder ein Einzeltäter. Nur mühsam entsteht ein Bild des Lebens dieses einsamen, alten Mannes. Und es gibt einen Fehler, aber auch die Beiden machen einen Fehler und begeben sich in Lebensgefahr.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel ist in Form und Inhalt mutig. Der Krimi wird genutzt, um über die herzlose Großstadt Berlin und die Einsamkeit alter Menschen zu sinnieren. Kein Erzähler, keine inneren Monologe, aber viele klassische Monologe und spannende Dialoge, deren Zusammenhang sich der Hörer eigenständig erschließen kann. Alles kurzweilig und bis zum unerwarteten Schluss spannend. Die leicht nervige Musik hält sich im Hintergrund, die Geräusche fangen die Szenerie bestens ein. Was passt besser zu einer alten, einsamen Frau als ein Kanarienvogel. Das eigentliche Kunstwerk sind aber die Sprecher und die Sprache. Alle Rollen sind einzigartig besetzt mit Menschen, die laut und leise, schnell und zögernd, nuschelnd und brüllend sind. Mal gestelzt, mal in Berliner Schnauze. So kunstvoll sind im Tatort Menschen selten zu hören. Der Text ist auch eine dankbare Vorlage. Mal präzise bis ins Detail, dann ungenau. Jede Rolle hat ihre eigene Sprache. Die Dialoge zwischen Kruse und Wonder sind das Sahnehäubchen. Sachlich, frotzelnd und gelegentlich witzelnd. Sie denken über die Unwirtlichkeit der Welt nach, ohne zu psycheln. Kruse amüsiert sich darüber, dass gefühlt in jedem zweiten Haus in Berlin therapeutische Leistungen angeboten werden. Sie hat ihre Zweifel an der Suche nach Freiheit: „Da kommt am Ende immer ein Scheißleben raus“. Aber die schönste Szene kommt zum Schuß. Kruse fragt Wonder, was er denn am Abend noch mache. Antwort: „Ich höre noch ein wenig Radio“. Kruse kriegt sich kaum unter und lacht hemmungslos: „Du hörst noch Radio?“. Dank an den Autor für diese Selbstironie

 

 

 

 

Fazit

 

Dieser 200. Radio Tatort ist ein hörenswertes Kunststück von Autor und Regie und ein Beleg, dass die Reihe auch nach so vielen Folgen noch zu Höchstleistungen fähig ist.

 

 

Wertung 95 %

 

Dauer ca. 52 Min.

 

Verfügbarkeit

 

In der Audiothek

 

Sonntag, 6. Juli 2025

Grimms Märchen und Verbrechen – Staffel 4






In der ARD Audiothek steht seit Mai 2025 die vierte Staffel der Reihe Grimms Märchen und Verbrechen zum Hören und Downloaden zur Verfügung. Diese Reihe ist ein Zwitter zwischen Krimi, Märchen und True Crime. Die Handlung jeder Episode basiert auf der Idee, dass jedem Märchen ein realer Kriminalfall zugrunde liegt. Die Geschichten spielen um 1810 und sind somit auch historisch und politisch in einer spannenden Zeit angesiedelt. Autorin ist die erfolgreiche Autorin Viviane Koppelmann (Holmes – Reihe bei DAV). Alles hochprofessionell vom Hessischen Rundfunk fürs Ohr bereitet.

 

Das Setting

 

Jede Episode besteht aus 3 Teilen zu jeweils ca. 45 Minuten. Jeder Teil beginnt und endet mit einer fortlaufenden Lesung des Grimm-Märchens. Bereits hier wird weit über den Wortlaut des Märchens hinaus dramaturgisch geändert. Das Märchen Trude ist bei Grimm lediglich eine halbe Seite lang. Wer vorab die Märchen hören möchte, findet in der ARD Audiothek die komplette Lesung. Jacob und Wilhelm Grimm ermitteln als Staatsbeamte im Königreich Westfalen. Ein von Napoleon Bonaparte für seinen Bruder Jerome gebasteltes Staatsgebilde, welches Napoleon nicht überlebte. Mit viel historisch nachvollziehbarem Bezug spielen die Geschichten an Orten, die die hessischen Brüder Grimm persönlich erlebt haben. Spielzeit sind die wenigen Jahre um 1810. Die Brüder werden bei ihrer Arbeit von einem kleinen Team unterstützt: Der ehemalige Bandit und Erfinder der Pariser Kriminalpolizei Vidoq, Jenny von Droste-Hülshoff, Schwester von Annette mit Marie Hassenpflug sowie seit Staffel 3 der Arzt Dr. Reil. Die Sprecher der Gebrüder Grimm sind im realen Leben auch Brüder. Die Inszenierungen nutzen viele Dialogen und Spielszenen, aber auch vorgelesene Briefe und Anmerkungen des Chronisten Jacob Grimm.

 

 

Märchen der Staffel 4

 

Der 16. Fall - Der singende Knochen

Der 17. Fall - Rotkäppchen

Der 18. Fall - Frau Trude

Der 19. Fall - Fitschers Vogel

Der 20. Fall - Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen

 

Die Staffel

 

Es gibt in dieser Staffel eine Triggerwarnung, widergegeben von den Gebrüdern Grimm. Auch der ÖRR kann sich dem Wunsch nach Grauen nicht entziehen. Märchenerzählerin ist Katarina Thalbach, deren Charakterstimme für Märchen eher ungeeignet ist. Die Besetzung ist ansonsten seit 2018 konstant geblieben und auf einem sehr hohen Niveau. Aber auf die Dauer klingen auch die Profis etwas eintönig, ohne echtes Leben. Gerade bei so vielen Episoden ist es schade, dass die Figuren nicht wirklich leben und sich entwickeln. Es wird viel erzählt, in Briefen, die Jacob schreibt oder Gesehenem, das Jacob einfach beschreibt. Das Protagonisten-Setting bleibt immer gleich: Die Männer reden und lassen sich übertölpeln, während die beiden Frauen kreativ die Fälle lösen. Jede Episode orientiert sich entfernt an einem überlieferten Grimm-Märchen und erzählt einen eigenständigen Kriminalfall, der auch gelöst wird. Im Kern geht es dabei um schwergewichtige Themen wie Brudermord, Mord aus Selbstliebe oder Femizid. Aber es zieht sich auch ein Fall durch die gesamte Staffel. Da braucht es also Geduld. Der Text ist sprachlich eine schräge Mischung aus „alter Grimm-Sprache“ und flapsigen, modernen Sätzen und Formulierungen. Die Texte können dem Hörer also durchaus auf den Keks gehen. Musik und Geräusche klingen immer im Hintergrund mit, ohne sich vorzudrängeln. Eine wunderschöne Erkennungsmelodie schummelt sich aber gelegentlich hinein. Keine heimelige Märchenstimmung, sondern ernste Hinweise auf die Gegenwart und viel Gruseliges. Die Plots sind immer etwas an den Haaren herbeigezogen und überzeugen nicht wirklich. Da hätte die Dramaturgie der Frau Koppelmann nicht alle Gäule durchgehen lassen müssen.

 

Fazit

 

Ohne Frage gute Unterhaltung, professionell inszeniert. Das Zuhören braucht aber guten Willen und Geduld. Im kommerziellen Umfeld hat eine solche Produktion keine Chance. Der ÖRR-Freund wünscht sich für gut 8 Stunden Sendezeit mehr Autorenstücke.

 

 

Wertung 70% 

 

Dauer  je Fall 3 Teile je 45 Minuten 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

 

 

 

Mallorca, Mord und Margerita – Ein kriminelle Loreley-Sage

Loreley Die preisgekrönte österreichische Autorin Magda Woitzuck ist keine Vielschreiberin, aber eine vielseitige Schreiberin. In der ARD Hö...