In der ARD Audiothek steht seit Mai 2025 die vierte Staffel der Reihe Grimms Märchen und Verbrechen zum Hören und Downloaden zur Verfügung. Diese Reihe ist ein Zwitter zwischen Krimi, Märchen und True Crime. Die Handlung jeder Episode basiert auf der Idee, dass jedem Märchen ein realer Kriminalfall zugrunde liegt. Die Geschichten spielen um 1810 und sind somit auch historisch und politisch in einer spannenden Zeit angesiedelt. Autorin ist die erfolgreiche Autorin Viviane Koppelmann (Holmes – Reihe bei DAV). Alles hochprofessionell vom Hessischen Rundfunk fürs Ohr bereitet.
Das Setting
Jede Episode besteht aus 3 Teilen zu jeweils ca. 45 Minuten. Jeder Teil beginnt und endet mit einer fortlaufenden Lesung des Grimm-Märchens. Bereits hier wird weit über den Wortlaut des Märchens hinaus dramaturgisch geändert. Das Märchen Trude ist bei Grimm lediglich eine halbe Seite lang. Wer vorab die Märchen hören möchte, findet in der ARD Audiothek die komplette Lesung. Jacob und Wilhelm Grimm ermitteln als Staatsbeamte im Königreich Westfalen. Ein von Napoleon Bonaparte für seinen Bruder Jerome gebasteltes Staatsgebilde, welches Napoleon nicht überlebte. Mit viel historisch nachvollziehbarem Bezug spielen die Geschichten an Orten, die die hessischen Brüder Grimm persönlich erlebt haben. Spielzeit sind die wenigen Jahre um 1810. Die Brüder werden bei ihrer Arbeit von einem kleinen Team unterstützt: Der ehemalige Bandit und Erfinder der Pariser Kriminalpolizei Vidoq, Jenny von Droste-Hülshoff, Schwester von Annette mit Marie Hassenpflug sowie seit Staffel 3 der Arzt Dr. Reil. Die Sprecher der Gebrüder Grimm sind im realen Leben auch Brüder. Die Inszenierungen nutzen viele Dialogen und Spielszenen, aber auch vorgelesene Briefe und Anmerkungen des Chronisten Jacob Grimm.
Märchen der Staffel 4
Der 16. Fall - Der singende Knochen
Der 17. Fall - Rotkäppchen
Der 18. Fall - Frau Trude
Der 19. Fall - Fitschers Vogel
Der 20. Fall - Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
Die Staffel
Es gibt in dieser Staffel eine Triggerwarnung, widergegeben von den Gebrüdern Grimm. Auch der ÖRR kann sich dem Wunsch nach Grauen nicht entziehen. Märchenerzählerin ist Katarina Thalbach, deren Charakterstimme für Märchen eher ungeeignet ist. Die Besetzung ist ansonsten seit 2018 konstant geblieben und auf einem sehr hohen Niveau. Aber auf die Dauer klingen auch die Profis etwas eintönig, ohne echtes Leben. Gerade bei so vielen Episoden ist es schade, dass die Figuren nicht wirklich leben und sich entwickeln. Es wird viel erzählt, in Briefen, die Jacob schreibt oder Gesehenem, das Jacob einfach beschreibt. Das Protagonisten-Setting bleibt immer gleich: Die Männer reden und lassen sich übertölpeln, während die beiden Frauen kreativ die Fälle lösen. Jede Episode orientiert sich entfernt an einem überlieferten Grimm-Märchen und erzählt einen eigenständigen Kriminalfall, der auch gelöst wird. Im Kern geht es dabei um schwergewichtige Themen wie Brudermord, Mord aus Selbstliebe oder Femizid. Aber es zieht sich auch ein Fall durch die gesamte Staffel. Da braucht es also Geduld. Der Text ist sprachlich eine schräge Mischung aus „alter Grimm-Sprache“ und flapsigen, modernen Sätzen und Formulierungen. Die Texte können dem Hörer also durchaus auf den Keks gehen. Musik und Geräusche klingen immer im Hintergrund mit, ohne sich vorzudrängeln. Eine wunderschöne Erkennungsmelodie schummelt sich aber gelegentlich hinein. Keine heimelige Märchenstimmung, sondern ernste Hinweise auf die Gegenwart und viel Gruseliges. Die Plots sind immer etwas an den Haaren herbeigezogen und überzeugen nicht wirklich. Da hätte die Dramaturgie der Frau Koppelmann nicht alle Gäule durchgehen lassen müssen.
Fazit
Ohne Frage gute Unterhaltung, professionell inszeniert. Das Zuhören braucht aber guten Willen und Geduld. Im kommerziellen Umfeld hat eine solche Produktion keine Chance. Der ÖRR-Freund wünscht sich für gut 8 Stunden Sendezeit mehr Autorenstücke.
Wertung 70%
Dauer je Fall 3 Teile je 45 Minuten
Verfügbarkeit
ARD Audiothek
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