Sonntag, 13. Juli 2025

Allein – Radio Tatort als Kunstgenuss


© ARD / Jürgen Frey


Der Autor Tom Peuckert hat es immerhin schon auf 27.Kriminalhörspiele gebracht. Darunter die wunderschöne Reihe um den DDR-Privatdetektiv Doberschütz. Im Radio Tatort erscheint beim RBB im Juni 2025 auch schon die siebte Episode um das Team Christian Wonder und Ariane Kruse. Kruse hat einen in Ton und Verhalten unüberhörbaren erdig-russischen Hintergrund. Wonder neigt zur Selbstanalyse. Zuletzt hat die spannende, einfallsreiche Handlung die persönliche Befindlichkeit etwas in den Hintergrund gedrängt. 

Inhalt  

 

Berlin, ein Anruf bei der Polizei: „Hier stinkts“. Ein kurzer, heikler Dialog mit dem Notruf. So trivial beginnt es. Die Polizei kommt tatsächlich und findet eine leere Wohnung, in der es müffelt.  Und eine Tiefkühltruhe, hübsch mit einer Tischdecke geschützt. In Dieser findet sich der Rentner Paul Zechner, zersägt und zerstückelt. Seit 10 Jahren.  Niemand hat es bemerkt, niemand hat ihn vermisst. Auch sein Sohn nicht, der seit dem Tod der Mutter mit seinem Vater zerstritten war. Miete wurde regelmäßig überwiesen und seine Rente wurde abgehoben. Überall in Berlin an unterschiedlichen Bankautomaten. Die Videoaufnahmen helfen nicht weiter, immer nur vermummte Gestalten. Wonder und Kruse suchen die Wohnung ab, befragen Hausbewohner, Arbeitskollegen und denken und reden, den jeder macht mal einen Fehler.  War es eine Bande? Oder ein Einzeltäter. Nur mühsam entsteht ein Bild des Lebens dieses einsamen, alten Mannes. Und es gibt einen Fehler, aber auch die Beiden machen einen Fehler und begeben sich in Lebensgefahr.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel ist in Form und Inhalt mutig. Der Krimi wird genutzt, um über die herzlose Großstadt Berlin und die Einsamkeit alter Menschen zu sinnieren. Kein Erzähler, keine inneren Monologe, aber viele klassische Monologe und spannende Dialoge, deren Zusammenhang sich der Hörer eigenständig erschließen kann. Alles kurzweilig und bis zum unerwarteten Schluss spannend. Die leicht nervige Musik hält sich im Hintergrund, die Geräusche fangen die Szenerie bestens ein. Was passt besser zu einer alten, einsamen Frau als ein Kanarienvogel. Das eigentliche Kunstwerk sind aber die Sprecher und die Sprache. Alle Rollen sind einzigartig besetzt mit Menschen, die laut und leise, schnell und zögernd, nuschelnd und brüllend sind. Mal gestelzt, mal in Berliner Schnauze. So kunstvoll sind im Tatort Menschen selten zu hören. Der Text ist auch eine dankbare Vorlage. Mal präzise bis ins Detail, dann ungenau. Jede Rolle hat ihre eigene Sprache. Die Dialoge zwischen Kruse und Wonder sind das Sahnehäubchen. Sachlich, frotzelnd und gelegentlich witzelnd. Sie denken über die Unwirtlichkeit der Welt nach, ohne zu psycheln. Kruse amüsiert sich darüber, dass gefühlt in jedem zweiten Haus in Berlin therapeutische Leistungen angeboten werden. Sie hat ihre Zweifel an der Suche nach Freiheit: „Da kommt am Ende immer ein Scheißleben raus“. Aber die schönste Szene kommt zum Schuß. Kruse fragt Wonder, was er denn am Abend noch mache. Antwort: „Ich höre noch ein wenig Radio“. Kruse kriegt sich kaum unter und lacht hemmungslos: „Du hörst noch Radio?“. Dank an den Autor für diese Selbstironie

 

 

 

 

Fazit

 

Dieser 200. Radio Tatort ist ein hörenswertes Kunststück von Autor und Regie und ein Beleg, dass die Reihe auch nach so vielen Folgen noch zu Höchstleistungen fähig ist.

 

 

Wertung 95 %

 

Dauer ca. 52 Min.

 

Verfügbarkeit

 

In der Audiothek

 

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