Sonntag, 26. Januar 2025

Geheimnisse von Cuxhaven – Küstenmord 04

 



Für den Gelegenheitshörer ist es nicht ganz einfach, im Bereich der Regionalkrimis den Überblick zu behalten. Es gibt Inselkrimis, Küstenkrimis, Küstenmorde und das nicht nur als Hörspiel, sondern auch als Lesung. Viele ehrenwerte Anbieter tummeln sich offenbar erfolgreich in diesem Markt. Also ein Grund zur Freude in diesem schwierigen Markt.

Der Verlag hm-audiobooks veröffentlicht Krimis von der Küste als Hörbuch und Hörspiel und seit Anfang 2023 auch die Reihe Küstenmorde. Autor der ersten drei Episoden war der routinierte Christoph Soboll. Die 4. Episode unter dem Titel „Geheimnisse von Cuxhaven“ hat Tobias Jawtusch verfasst. Jawtusch ist weniger bekannt, aber so etwas wie ein Senkrechtstarter. Er hat in den letzten zwei Jahre 27 Hörspiele geschrieben und war Autor einiger Episoden in Fernsehreihen. In den sozialen Medien hat er informiert, dass er klassische Whodunnit-Krimis liebt.



Der Inhalt


An der wunderbaren Strandpromenade von Cuxhaven findet ein verliebtes Pärchen eine weibliche Leiche. Vorbei ist die heimliche Idylle. Denn die Beiden genießen ihr Fremdgehen und da passt eine Leiche so gar nicht ins Wochenende. Die ungestüme Kommissarin Claudia Nordmann und ihr zurückhaltender Kollege Timo Schneider übernehmen den Fall. Die Tote ist eine stadtbekannte, junge Investigativ-Journalistin, die Preise eingeheimst hat, sich aber bei Betroffenen mehr als unbeliebt gemacht hat. Verdächtige gibt es zuhauf: Der Immobilienspekulant; der Kneipier mit seinem verdreckten Restaurant; eine Kollegin, der sie gelogene Artikel nachweisen konnte; die Umweltaktivistin, deren Thailand-Urlaub sie aufdeckte.  Aber alle können sie Alibis nachweisen. Und dann rastet die Nordmann bei einem Zeugen aus und wird vom Dienst suspendiert: Ihr Mann geht fremd und lässt sich auf zweifelhafte Geschäfte ein. Doch letztlich gelingt es ihr, den Fall auf eine sehr eigene Art zu klären.

 

Das Hörspiel

 

Die Serie verbindet eine neue Idee. Sie tritt als True-Crime-Podcast auf. Allerdings tritt diese Rolle nur sehr zurückhaltend auf und das ist auch gut so. Die Handlung deutet schon an, dass es reichlich attraktive Spielorte gibt. Die Handlung spielt sich in wenigen Tagen und ohne Längen ab Die Protagonisten haben deutlich ausgeprägte Charaktere, die Kommissare an der Grenze des Glaubwürdigen. Sie ermitteln systematisch und nicht ohne menschliche Schwächen und Stärken. Der regionale Bezug spielt eigentlich keine Rolle. Die Spannung steigt bis zum völlig unerwarteten Show-Down. Vielleicht nicht unbedingt glaubwürdig, aber extrem spannend und cool.  Die Texte sind zeitgemäß mit vielen aktuellen Feinheiten. Den Sprechern gelingt es nur selten, die Differenzierungen der Textvorlage auch sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Eher 2.Liga. Musik und Sound sind zurückhaltend und angemessen. Hier steht die Handlung im Vordergrund. 

 

 

Fazit

 

Gute Unterhaltung auf der Ebene der Durchschnittsware. Eher Vorabend-Niveau als Prime-Time. Aber im Fernsehen ist das auch die Zeit mit den meisten Zuschauern.

 

Wertung 65 %

 

Dauer ca. 73 Min. 

 

Verfügbarkeit

 

https://music.amazon.de/albums/B0DM2C8MYM?trackAsin=B0DM2CWDQZ&ref=dm_ew_tr_0_0_clom_RzONSKEZSe&tag=kassettenkiste-21

 

und anderen Streaming-Diensten

 

 

Montag, 20. Januar 2025

Westmarkt - Viel Licht, ebenso viel Schatten

 

Buchcover



Das zweiteilige Hörspiel „Westmarkt – 4 Kilo auf Kombi“ basiert auf dem bereits 2019  erschienenen Roman „Der die Träume hört“(288 S.) des türkisch-stämmigen, deutschen Autors Selim Özdogan. Es stand mehrere Wochen auf der Krimi-Bestenliste.


Inhalt


Nizar Benali ist seit kurzem Privatermittler für alles, was mit Cyberkriminalität zu tun. Dealen oder Scammen. Egal. Znezana hingegen ist Polizisten im Stadtteil Westmarkt, irgendwo im Rheinland. Dort gibt es reichlich Migranten und Shisha-Bars.Clans und brave Bürger, aber eben auch ständige Polizeieinsätze. Beide kennen sich gut und sind befreundet. Nizar hat gerade den Auftrag bekommen, im Darknet den Drogenverkäufer für den Vater eines toten Sohnes zu finden. Schwierig. Und dann taucht auch noch ein 17-Jähriger auf, der sich als sein Sohn entpuppt. Der Sohn steckt tief in der Szene und hat Schulden (4 Kilo auf Kombi). Da braucht es väterlichen Rat. Snezana muss einen Raubüberfall klären und schlägt sich mit einem rassistischen Kollegen rum. Der lässt sie bei einer Razzia hängen. Und dann soll sie noch seine Vorgesetzte werden.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel folgt den beiden sympathischen Ermittlern bei den Ermittlungen tief im Milieu des Westmarkts. Dort leben viele Migranten, oft an der Armutsgrenze, viele kleine und große Händler und Dealer. Auch Clans. Slangs, Betonungen, Redewendungen lassen den Hörer in diese Welt eindringen. Die Sprecher klingen durchweg glaubwürdig mit ihren jugendtypischen Betonungen. Und vor allem Musik, die hier eine große Rolle spielt. Mal Hintergrund, mal eigenständige Songs und immer auch gut für Gedanken-Pausen. Kopfhörer ist hier eine gute Empfehlung. Auch wer kein Freund von Gangsta-Rap ist, wird sich einfangen lassen. Die beiden Ermittlungspfade kreuzen sich zunehmend und das Hörspiel wird immer mehr zu einer Sozialstudie. Und da beginnt dann der Schatten. Die Welt der Vorurteile wird nur umgedreht und nicht kritisch hinterfragt. Die Polizei ist rassistisch und sexistisch, einer gar ein Neo-Nazi. In den Cafes der weißen Männer und Frauen wird genauso gedealt und gekokst wie in den Shisa-Bars. Was ja im Übrigen auch nicht ganz so schlimm ist. Die Clans halten die Verwandtschaft zusammen. Die Migrantenmuttis und -papis sind alle nett und fürsorglich. Dies ist, zugegeben, zugespitzt, macht aber das Hören langweilig, weil vorhersehbar. Der erste Teil ist deutlich besser gelungen, weil vieles noch unklar ist. Der zweite Teil sich, weil der Handlungsfaden vor lauter Sozialromantik verloren geht. Schade um diese eigentlich tolle Inszenierung bei der das Hören die reinste Freude ist.



Fazit


Ein Hörspiel, das mit seiner Musik und einprägsamen Sprechern ein echter Hörgenuß ist. Weniger umgekehrte Sozialkritik, mehr Krimi wäre das Sahnehäubchen.


Wertung 70 %


Dauer jeder Teil ca. 58 Min. 

 

Verfügbarkeit

 

ARD-Audiothek 

 

 

 

Sonntag, 12. Januar 2025

Herr Korbes empfängt – Der SFR erinnert an Dürrenmatt

 

Friedrich Dürrenmatt



Im Herbst 2024 veröffentlicht der Schweizer Rundfunk, jahreszeitgemäß, eine uralte Fassung (1957) des Hörspiels „Abendstunde im Spätherbst“ des Schweizer Autors Friedrich Dürrenmatt (1921-1990).



Der Autor


Dürrenmatt zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern und Dramatikern des 20.Jahrhunderts. Zahlreiche seiner Stücke stehen bis heute auf den Plänen der Theater. Er war ein gesellschaftskritischer Autor, der seine Zeit sorgfältig beobachtete und kritisch hinterfragte. Sein literarischer Start war nicht leicht und nur möglich, weil ihm der Rundfunk die Möglichkeit bot, Hörspiele zu veröffentlichen. Ab 1950 sind bis 2004 47 Hörspielfassungen aus gut 20 Originalvorlagen nachweisbar. In den beiden Hörspielen „Der Richter und sein Henker“ sowie „Der Verdacht“ entwickelt Dürrenmatt den Berner Kommissar Bärlach als Hauptfigur. Der schwerkranke Bärlach ist der Typ des lonesome Ermittlers, wie er schon bei den großen amerikanischen Klassikern erscheint. 

 

Abendstunde im Spätherbst

 

Dürrenmatt hat das Stück als Original-Hörspiel 1957 geschrieben. Die erste Version wurde am 07.03.1957 vom NDR gesendet. Im März 1958 veröffentliche der DRS unter dem Titel „Herr Korbes empfängt“ seine Interpretation. Diese Fassung stellt der SFR aktuell online. Es gibt 4 Versionen: NDR, DRS/SFR, ORF und DDR, alle in den 1950-er Jahren erschienen und in Mono. Die Spieldauer beträgt gute 40 Minuten und es kommen lediglich 4 Personen vor, also bestens geeignet für talentierte Sprecher.


Maximilian Friedrich Korbes ist ein weltberühmter Schriftsteller und Nobelpreisträger. Hochgerühmt vor allem für seine Kriminalromane. Korbes bekommt in einem Hotel unerwarteten Besuch von den ihm unbekannten Fürchtegott Hofer. Hofer stellt Korber zur Rede: Korber habe die Stoffe seiner Romane nicht erfunden, sondern die Morde alle selber begangen und dann die Romane geschrieben. Am Ende eines strittigen Dialogs gibt es einen Toten.

 

 

Fazit

 

Ein psychologisch reizvolles Kammerspiel mit Retrocharme. Es gibt noch mehr Dürrenmatt-Hörspiele zu entdecken.


Wertung 75 %

 

Dauer ca. 53 Min. 

 

Verfügbarkeit


SFR Krimipodcast

 

Sonntag, 5. Januar 2025

Von hier bis zu Anfang – Ein Geniestreich

Buchcover


Der Herbst ist Erntezeit und der öffentlich-rechtliche Rundfunk beschert die Hörer mit einer geballten Ladung mehrteiliger Hörspiele (Rabenkinder, Von hier bis zum Anfang, Abgrund, Sörensen). Ein Beleg, dass trotz aller Zentralisierung in den Redaktionen noch hervorragend gearbeitet wird. Jahreszeitgemäß überwiegt auch die düstere, traurige Stimmung.

Der Autor



„We begin at the end“ (2020) ist das dritte Buch von Chris Whitacker, der viele Jahre als Trader gearbeitet hat, in England mit seiner Familie lebt, aber seine Romane gerne in den USA spielen lässt, weil sich in jeder Gegend ein ganzer Kontinent versteckt. Die deutsche Übersetzung „Von hier bis zum Anfang“ landete im Sommer 2023 schnell auf der Spiegel Bestsellerliste. Im renommierten Guardian wurde es als Buch des Jahres bezeichnet.  Auch sein neues Buch: „In der Dunkelheit der Farben“ war im August 2024 bereits in der Krimibestenliste des Deutschlandfunks.


 

Der Inhalt


 

Die fünfzehnjährige Duchess Radley hält die Familie zusammen, ihre alkoholkranke Mutter Star und ihren kleinen Bruder Bruder Robin. Sie leben in einer typischen amerikanischen Kleinstadt an der Küste Kaliforniens: Cape Haven. Star kommt nicht über den Tod ihrer kleinen Schwester vor dreißig Jahren hinweg. Sie trinkt, wirft sich Männern hin, insbesondere Dickie Dark, dem Vermieter, der es auf die harte Tour liebt. Doch dann wird das Leben noch schwerer. Der Täter Vincent King kommt nach 30 Jahren Haft frei. Chief Walk holt ihn ab, sie waren seit früher Kindheit Freunde. Kurz darauf passiert es tatsächlich: Star wird, schwer mißhandelt, ermordet aufgefunden. Selbstredend wird Vincent verhaftet. Aber Chief Walk glaubt nicht an seine Schuld. Hat Dickie Dark ein Alibi? Und Walk kümmert sich um die Kinder. Sie kommen zu ihrem Großvater Hal in Montana. Hal lebt allein auf einer einsamen Ranch, gewinnt die Kinder allmählich für sich und wird erschossen. Jemand hat es auf die Kinder abgesehen. Kurz darauf wird Milton, der Metzger, ertrunken aufgefunden. Chief Walk läuft die Zeit davon. Seinem Freund Vincent wird schon der Prozeß gemacht, ihm droht die Todesstrafe. Und Walk kämpft nicht nur gegen die Uhr, sondern auch noch gegen seine eigene schwere Krankheit.


 

Das Hörspiel

 


Die Erzählstruktur ist nicht so kompliziert wie es der Titel andeutet. Die Handlung spielt innerhalb weniger Wochen und die Vergangenheit wird nur angedeutet. Ein Erzähler begleitet die beiden Protagonisten Chief Walk und Duchess Star. Walk ist eine ausgesprochene Sympathie-Figur. Er steht zu seiner Freundschaft mit dem Mörder, ist der verständnisvolle Dorfpolizist und ein grundsolider Ermittler. Duchess versteht sich als Outlaw. Für sie gilt nur ihr eigenes Recht. Wie sonst soll sie überleben. Der Hörer folgt den Beiden durch wundervolle Landschaften, grauenhafte Erlebnisse und bewegende Dialoge. Gelegentlich stockt einem der Atem ob des Grauens, dann ist man den Tränen nahe, Szenen, die das Herz berühren. Meist in kurzen Sätzen und Dialogen erzählt. Ein Cliffhanger macht neugierig auf den zweiten Teil. Das Hörspiel ist als Krimi extrem spannend, als Familiendrama mitfühlend, als Road-Movie ein Erlebnis. Es hat Vorteile, wenn ein britischer Autor, den Stoff in die Staaten verlegt: Waffen frei verfügbar, Farmen mit Pferd und Hund, einsame Landschaften und dann noch die Todesstrafe.

Alle Sprecher verdienen die höchste Punktzahl, Chief Walker (Werner Wölbl), Duchess (Vanessa Loibl)und der Erzähler (Christian Berkel) sind die Sahnehäubchen. Der Regisseurin Janine Lüttmann und ihrem Team ist einzigartig bewegende und spannende Interpretation gelungen. Ja und dann die Musik, die sich nie in den Vordergrund drängelt, aber immer Atmosphäre stiftet und gelegentlich zum Träumen einlädt. Es erklingt eine Interpretaton von „Bridge over troubled water“. Ein Titel, der auch für das Bemühen von Chief Walker stehen könnte. 

Ein paar Wermutstropfen sind, dass Whitaker gerne Klischees verwendet und vielleicht etwas zuviel will.

 

Fazit

 

Ein unbedingtes Muss für jeden Hörspielliebhaber. Das Highlight des Jahres 2024.


 

Dauer       insges. 117 Minuten in zwei Teilen

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek

Mallorca, Mord und Margerita – Ein kriminelle Loreley-Sage

Loreley Die preisgekrönte österreichische Autorin Magda Woitzuck ist keine Vielschreiberin, aber eine vielseitige Schreiberin. In der ARD Hö...