Montag, 4. September 2023

Liebe minus null - Ein neuer München-Krimi von Friedrich Ani

 

Friedrich Ani

 

Ani ist in einem Alter und auf einer Ruhmeshöhe, dass er nur noch schreibt, wenn es ihm ein Anliegen ist. Daher kommen wir Hörer in den Genuss einer neuen dreiteiligen Krimipackung, produziert wie üblich vom BR im Sommer 2023 und mit dem pensionierten Kommissar Jacob Franck als Übermittler von Todesnachrichten.

 

Inhalt

 

Jakob Franck überbringt der Witwe die Nachricht: Ihr Mann Gerhardt Roberts wurde in der Nacht brutal ermordet. Er war seit vielen Jahren Stadtrat in München und eine wichtige Figur in der Politik. Wenngleich nicht unumstritten: Roberts war ein Hardliner. Ging gegen Obdachlose, Schwarzfahrer und alles, was irgendwie die heilige Ordnung störte, radikal vor. Aber Roberts war auch kein Mensch von Traurigkeit. Seine Frau wusste über Affären Bescheid.

Natürlich schlägt ein solcher Fall Wellen. Der Polizeipräsident schaltet sich ein, die Chefin will permanent informiert sein, die Presse drängelt. Eine Herausforderung für das Team um Nasri Fariza. Besaß der Obdachlose, dessen Stuhlbein Roberts tötete, genug Hass für einen brutalen Mord? Die Ermittler wenden sich eher dem Umfeld des Toten zu. Die Auswertung der Handydaten führt zu vielen Verdächtigen ohne Alibi. Der Besitzer der Lucy Bar Hanno Graf , in dem der Stadtrat regelmäßig „verkehrte“. Seine Fußballkumpel: Den Pfarrer Frank Seitz und Roberts verbindet eine Neigung zu Liebesabenteuer. Der eine mit Frauen, der andere mit jungen Männern. Oder der um seine Existenz kämpfende Catering-Unternehmer Michael Bechtold. Seine Ex-Frau Viola hatte wohl was mit Roberts. Seine neue Partnerin Anne Jeremies scheint sich auch nicht nur um seinen Sohn Luis zu kümmern. Und was bedeutet es, dass Roberts Ehefrau ihn in der Tatnacht offenbar verfolgt hat. Gut, dass der Ex-Kommissar Jacob Franck auch heikle Gespräche führen kann. Er genießt ungestört und ruhig die Abende mit seiner Ex-Frau.

 

Das Hörspiel

 

Das Hörspiel ist unendlich spannend und es ist langatmig. Der Hörer lauscht klugen Lebensweisheiten und nervigen Banalitäten. Nicht leicht, eine faire Beurteilung zu formulieren. 

Die Konstruktion des Hörspiels ist nicht ganz einfach, aber genial: Es reiht sich Szene an Szene, immer wieder unterbrochen durch Monologe von Nasri, die sich sehr persönlich zu den Ermittlungen äußert. Diese Monologe fassen den Stand der Ermittlungen zusammen und helfen dem Hörer den etwas schwierigen Überblick zu behalten. Nun lösen aber die Ermittlungen der Polizei Telefonate, Gespräche etc. bei den Befragten aus, die die Ermittler nicht kennen, aber der Hörer. Damit ist der Hörer der Polizei immer einen Schritt voraus. Spannend. Die eher kurzen Szenen bieten eine akustische Reise durch großstädtische Vielfalt: Nachtclubs, Polizeirevier, Kirche, Fußballplatz, Isarufer, häusliches Umfeld, Schlafplätze für Obdachlose. Dort leben die unterschiedlichsten Charaktere: der verschwiegene Pfarrer und sein Schützling, der insolvenz-gefährdete Catering-Unternehmer mit seiner Ex-Frau und dem gemeinsamen Sohn  und sowie seine schwierige, neue Partnerin, der Club-Besitzer und seine Damen. Sie alle sehnen sich in irgendeiner Form nach Liebe und bekommen sie nicht. Darunter leiden sie. Daher wohl der Titel: Liebe minus null. Und damit beginnt auch das Problem des Hörspiels. Der Autor hat im Grunde für alles und für jeden Verständnis. Unter dieser verständlichen Sozialromantik- und auch Sozialkritik leidet die Spannung. Es sind auch zu viele Themenkomplexe, die angesprochen werden. Die Krise der Gastronomie kommt gerade in jedem Ani-Hörspiel vor. Der Text erinnert an literarische Zeiten, die schon längst passe sind. Ist es ein Zufall, dass alte Songs wie Smooth Operator oder Take Five im Hintergrund erklingen? Meist ist die Begleitmusik melodiös, immer stimmig. Und es lohnt, jederzeit die Ohren zu spitzen, um z.B. die Isar während des Telefonats fließen zu hören. Oder andere Kabinettklänge. Alle Rollen sind bestens besetzt. Sie treffen die feinen Nuancen und sind doch immer klar zu unterscheiden. Autor oder Regie gönnen den Sprechern auch die Läßlichkeiten des Alltags wie „Sa ma“ oder eine lange Pause nach „weil“.

 

Fazit

 

Ein perfekt inszeniertes Hörspiel, dem eine Kürzung gutgetan hätte. Weniger Sozialkritik und weniger handelnde Personen ergeben mehr Spannung und Unterhaltung.

 

 

Wertung  90 %

 

Dauer  ca.157 min in drei Episoden

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek oder beim BR

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Der Butler – Als echtes Hörspiel wieder entdeckt

  Winterzeit Audio veröffentlicht im Herbst 2023 das Butler-Hörspiel „Die sieben Aufgaben“ des Autors Andreas Zwengel. Da...