Sonntag, 29. Oktober 2023

Seelenfeuer – Der BR Radio Tatort mit neuer Ermittlerin

 

© ARD / Jürgen Frey

Es war abzusehen. Da konnten auch die einprägsamen Sprecher nichts daran ändern, dass die Vorlagen des gehätschelten Autors Dobler nicht jedermanns Geschmack waren. Der BR entschied sich für den Autor Su Turhan, der durch erfolgreiche Krimireihen und Verfilmungen fürs Fernsehen nachweisen konnte, dass er massentauglich ist. Das Geschehen bleibt in München. Migrantenmilieu statt Bionade-Bourgeoisie. Die Region bleibt in der Reihe mit den tollen fränkischen Ermittler Melitta und Stern gewahrt.

Inhalt

 

Die junge, private Ermittlerin Yanina Adler erhält Besuch von einem ihrer ehemaligen Zöglinge. In ihrem ersten Leben war sie Erzieherin für schwer erziehbare Jugendliche. Ranko Gojun hat sich gut entwickelt, aber nun braucht er Hilfe. Sein Bruder Franjo wurde lebensgefährlich verletzt aufgefunden und liegt seitdem im Koma. Ranko gerät bei der Polizei in Verdacht. Er beteuert aber seine Unschuld. Franjo war allerdings kein Unschuldslamm, offenbar dealte er mit Drogen. Die kontaktfreudige Yanina bringt den einzigen Zeugen der Tat dazu, ihr mehr zu erzählen als der Polizei. Sie erfährt, dass Franjo zur Tatzeit mit einem alten Ford Granada unterwegs war und sich offenbar mit seinem Lieferanten getroffen hat. Heroin war auch im Spiel. Yanina ermittelt den Fahrzeughalter, doch der kann es nicht gewesen sein. Der sitzt gerade ein. Nun gräbt sie im privaten Umfeld der kroatischen Familie. Der Vater lebt in Zagreb. Seine Mutter Larissa betreibt einen Kosmetiksalon in München. Sie war in ihren besten Zeiten Schönheitskönigin in Kroatien. Bei einem Brand wurde sie schwerst verletzt und ist entstellt. Die Mutter leidet bis heute an den Folgen. Sie sagt, auch ihre Seele haben Feuer gefangen. Yanina will in die Wohnung der Familie Gojun einbrechen.  Aber wer ist der Mann, der gerade aus der Wohnung flieht? Yanina bleibt ihm auf der Spur und begibt sich in tödliche Gefahr. Aber den Täter kann sie nur mit der Hilfe der Polizei stellen. Die Wahrheit kann grauenhaft sein.

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Das Hörspiel

 

Das Private-Eye Hörspiel geht den klassischen Weg. Kleine Frotzeleien mit der vertrauten Polizei, aber ohne sie geht es dann doch nicht. Yanina gibt die jugendnahe Ermittlerin, die auch mal Unerlaubtes tun muss. So eine Frauenrolle gab es bisher noch nicht im Radio Tatort. Yanina ist durch innere Monologe nicht nur Mitspielende, sondern auch Erzählende. Die Handlung spielt in der Unterschicht, dem Milieu der kleinen Drogendealer und in der Welt der Migranten.  Allerdings ist das alles bis auf den finalen Plot nicht besonders neu und einfallsreich.  Das Erzähltempo beginnt langsam und nimmt gegen Ende genau wie die Spannung zu. Der Show-Down ist unerwartet und dramatisch.

Julia Gräfe als Sprecherin der Yanina ist extrem variabel und feinfühlig. Sie kann nichts dafür, dass der Jugendslang etwas gewollt klingt. Wo hört man schon so oft das Wort Scheiße, Fuck und Deal. Dass ihr ehemaliger Kollege, der Polizist Tekin, immer beim Sprechen die Luft durch die Zähne zieht, ist kein running gag, sondern peinlich. Der Sprecher Martin Weigel überzieht unangenehm. Die übrigen Sprecher machen ihren Job, nicht mehr und nicht weniger. Es gibt viele hörenswerte Szenen und Spielorte, von denen manche leider wenig nachvollziehbar sind: Der Besuch im Krankenhaus oder ihre Befragung des einzigen Zeugen. Überhaupt sind die Dialoge noch steigerungsfähig. An vielen Stellen klingt der Text, als sei er eher eine Kriminalgroteske. Dos Hobos begleitet weiterhin den BR-Radiotatort musikalisch. Gelegentlich eigenwillig, aber hörerfreundlich. Meist in den Pausen, aber auch zart im Hintergrund. Atmosphärisch ist das Hörspiel dicht und überzeugend. Ohne einen moralischen Zeigefinger wird die Gefahr vom Leben mit und von Drogen vermittelt. Da kann die Seele Feuer fangen. Schade, dass es in zeitgenössischen Krimis keine richtig bösen Menschen mehr gibt. Wenn die Autoren für Alles und Jeden Verständnis haben, fehlt die tiefe Dramatik, die das wirkliche Leben gestaltet.

 

 

Fazit

 

Von der Idee her eine gute Ergänzung für die Tatort Krimis und sicher gutes Mittelfeld. Es bringt Spaß zuzuhören. Die Schwächen lassen sich bei sorgfältiger Bearbeitung vermeiden, wenn sich der Autor zwischen Krimi und Groteske entscheidet.

 

Wertung 75%

 

Dauer ca. 53 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek oder direkt beim BR

 

 

 

 

 

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