Freitag, 20. Januar 2023

Mord im Outlog – Ein schräger Near-Future Radio Tatort des SRF

 

© ARD / Jürgen Frey



Der Schweizer Rundfunk ist inzwischen regelmässig im Radio Tatort vertreten. Nach Abschluss der Meiringer Trilogie um Sherlock, startet nun ein neues, eindeutig der Zukunft zugewandtes Team. Mord im Outlog steht seit Dez 22 zum Anhören und Download zur Verfügung.

 

Inhalt

 

Freinau, Schweiz, 1.500 m hoch, im Jahr 2056

 

Laura Martini, ehemalige Hauptkommissarin, führt eine kleine eigenwillige Lodge, die nur mit Kamelen oder Eseln zu erreichen ist. Die Lodge arbeitet klimaneutral und ist vollständig autark. Klar, dass Gäste ihr elektronisches persönliches Terminal abgeben müssen. Sie haben ja immer noch ihren implantierten „Engel“, der sie vor allen großen und kleinen Problemen des Daseins warnt. Aber es gibt nicht mehr viele Probleme, seit die Polizei abgeschafft wurde, weil es in der Schweiz keine Morde mehr gibt. Stattdessen schützt das Swiss Health Institute die Schweizer.

Freinau und die Pension von Laura werden zur Zufluchtsstätte der Outlaws, Querdenker und Outlogger. Ein kleines Idyll, in dem plötzlich in den Fäkalien des Elefantenstalls ein investigativer Journalist ermordet aufgefunden wird. Sofort sind die Drohnen des SHI zur Stelle und wollen die Leiche beseitigen.

Hat das SHI einen Outlogger beseitigt? Oder will das SHI den Ruf des Dorfes für immer ruinieren? Oder war es ein Anhänger der geplanten Seilbahn, der einen prominenten Gegner beseitigen wollte? Selbst der Elefantenpfleger gerät in Verdacht.

Bei Laura erwacht der Ermittlerinneninstinkt.

 

Das Hörspiel

 

Dem Hörspiel ist nicht leicht zu folgen, obwohl es kein Schwyzer-Dütsch ist. Aber es gibt viele kleine Rollen, Zeitsprünge und Rückblenden sowie eine abwechslungsreiche, aber anstrengende, gelegentlich übertönende Tonkulisse.

Ein kurzes Intro führt den Hörer in die Welt dieses Mikrokosmos im Outlog des Jahres 2056 ein. Auf einen Erzähler wird verzichtet. Im Mittelpunkt stehen Laura, die ausgestiegene Kommissarin und ihr Antipode, der Leiter des SHI, ihr ehemaliger Chef bei der Polizei. Sie will aufklären, er vertuschen. Außer Laura sind in diesem closed-area eigentlich alle verdächtig. Lauras Spurensuche ist eine Mischung aus guten alten Befragungen und High-Tech Methoden. Laura nutzt High-Tech, um eine Audio-Aufnahme der Tatnacht hören zu können. Aber ihr ehemaliger Chef attestiert ihr, ein Gespür für Gefahr. Wie überhaupt das Hörspiel die Alte Welt und die Neue Welt beständig mischt. Schön zu hören, dass Zukunft immer aus der Vergangenheit kommt. Als Krimi ist das Hörspiel mäßig spannend, weil es einfach hoffnungslos überladen ist.

Gesundheit durch High-Tech, Überwachungsstaat, Pro und Contra Seilbahn, Verliebtheit und Sex, Drohnen und Kamele, halluzinogene Pilze usw. Da verliert offenbar selbst der Autor den Überblick. Auf ein Dorf in 1.500 m Höhe kommt jeder Wanderer locker zu Fuß. Da baut nicht einmal ein Großinvestor eine Seilbahn.

Dem Hörspiel hätte eine Fokussierung auf wenige Themen gut getan.

 

Die Inszenierung

 

Das Hörspiel ist ein akustischer Genuss ersten Ranges. Elefant, Kamele, Insekten alles gut und oft zu hören, selbst der Elefantendurchfall. Wie so oft ist in Krimis das Wetter schlecht. Also Gewitter, Donner, Sturm. Auch High-Tech fehlt nicht: große und kleine Drohnen, Speaker, personal terminals, aber auch ein guter alter Trafo. Sound und Musik gehen ineinander über und drängen sich stark in den Vordergrund. Der Hörer darf eher schmalzigen Tönen von Elvis und Tom Waits lauschen. Wenn der Italiener Vito spricht, klingt ein wenig Paolo Conte durch.

Überhaupt die Sprache. Die Hochsprache ist ständig von englischen Modewörtern durchsetzt.

Es gibt einen Inder (Pfleger), einen Österreicher, eine Italienerin, Dialektschweizer und hochsprachliche Schweizer. Alles vorzüglich gesprochen, aber wieder zu viel des Guten.

Der Autor neigt offenbar dazu, seine Bildung dem Hörer angedeihen zu lassen. belesene Film-und Musikzitate (Humphrey Bogart, Singing in the rain) mischen sich mit platter, teils ordinärer Sprache. Wie im Kindermund spielt Elefantenkacka eine große Rolle im Hörspiel. Bei einer Darmspiegelung wird heimlich ein Überwachungschip eingeführt! Vielleicht ist es ja als „dem Volk aufs Maul schauen“ gemeint. Die Abkürzung des Schweizer Health Institut (SHI), muss dann auch für einige Wortspielereien herhalten z.B. Ski.

Der Tonfall ist über weitere Strecken ironisch, was die Orientierung nicht erleichtert.

Wolfram Höll macht im Nachspann beim SFR darauf aufmerksam, dass man die Feinheiten erst beim zweiten Hören wahrnimmt.

 

Fazit

 

Gut gemeint, sicher mit hohem Aufwand und Liebe zum Detail gemacht, dennoch nicht gelungen, weil der Autor sich verzettelt hat. Viele akustische Highlights allein machen keinen spannenden Near-Future-Krimi aus.

 

Wertung 60%

 

Dauer 50 Min.

 

 

Verfügbarkeit

 

ARD Audiothek und direkt beim SRF; die Version des SRF enthält eine kurze Einführung und ein Interview mit der Dramaturgin

 

Sonstiges

 

Tom Waits Johnsburg/Illinois: https://youtu.be/9zwjndhFhGk

 

Humphrey Bogart auf Youtube: https://www.youtube.com/results?search_query=humphrey+bogart

 

Singing in the rain mit Gene Kelly: https://www.youtube.com/watch?v=D1ZYhVpdXbQ

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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